Ausbeutung oder mehr Spielraum für Mitarbeiter?

Vertrauensarbeitszeit auf dem Prüfstand

01.10.2012
Von 
Peter Ilg ist freier Journalist in Aalen.

Zeitlich knappe Zielvorgaben

Ob nun Zeiterfassung oder Vertrauensarbeitszeit: Arbeitsschutzgesetze gelten für alle Arbeitnehmer. "Mehr als zehn Stunden pro Tag darf nicht gearbeitet werden und Zeiten über acht Stunden müssen dokumentiert sein", sagt Frank Brenscheidt, Arbeitszeitexperte in der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund. Betriebsrat Burckhard meint, daran mangle es im Unternehmen, weil es sich darauf verlasse, dass die Mitarbeiter von sich aus die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes einhalten. Doch das wirkliche Problem der Zeitarbeit seien die vereinbarten Zielvorgaben mit manchmal zu knapp bemessener Zeit. Rainer Fritsch, zuständig für Vergütung in der Software AG, hält dagegen: "Vertrauensarbeitszeit setzt Vertrauen voraus. Wenn ein Mitarbeiter merkt, dass er seine Arbeit nicht schafft, erwarten wir, dass er mit seinem Vorgesetzten spricht und sie gemeinsam eine Lösung finden."

Ob nun Zeiterfassung oder Vertrauensarbeitszeit: Arbeitsschutzgesetze gelten für alle Arbeitnehmer, sind aber oft schwierig einzuhalten.
Ob nun Zeiterfassung oder Vertrauensarbeitszeit: Arbeitsschutzgesetze gelten für alle Arbeitnehmer, sind aber oft schwierig einzuhalten.
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Nach der Erfahrung des Arbeitszeitexperten Brenscheidt führt Vertrauensarbeitszeit zu Mehrarbeit. Die Situation von Miller-Rauch wertet er positiv: "Vertrauensarbeitszeit macht Vereinbarkeit von Familie und Beruf in vielen Fällen erst möglich." Nach seinen Angaben haben Unternehmen außer der Einhaltung der Arbeitsschutzgesetze weitere Sorgfaltspflichten gegenüber ihren Mitarbeitern. Dazu zählt die Auswahlpflicht. "Mitarbeiter dürfen für einen Aufgabe nur ausgewählt werden, wenn sie diese auch leisten können."

Laut einer Studie vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, IAB, in Nürnberg, gab es 2006 in etwa 15 Prozent aller deutschen Unternehmen Vertrauensarbeitszeit. Der Schwerpunkt lag im Wirtschaftsbereich der Dienstleistungen. Aktuellere Zahlen gibt es nicht, aber eine Prognose von Ines Zapf, Arbeitsmarktforscherin im IAB: "Weil das Dienstleistungsgewerbe wächst und das Qualifikationsniveau der Beschäftigten steigt, dürfte auch der Anteil der Unternehmen mit Vertrauensarbeitszeit zugenommen haben."

Ann Miller-Rauch hält viel von der Vertrauensarbeitszeit und sieht darin die Zukunft für die meisten, wenn nicht für alle Mitarbeiter der Software AG. "Ich möchte meinen Kollegen die Vorteile, die ich daraus ziehe, nicht vorenthalten." Betriebsratsmann Burckhardt hält ihre Idee für unnötig, "weil die bestehende flexiblen Arbeitszeiten ausreichend Spielraum bieten, um Privates und Betriebliches unter einen Hut zu bringen".

Viel Arbeit für umsonst

Durchschnittlich leistet jeder Beschäftigte monatlich 19 Überstunden, davon rund vier ohne Ausgleich durch den Arbeitgeber. Dies hat das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung in Nürnberg für das Jahr 2009 in einer Studie ermittelt. Etwa die Hälfte der Überstunden wird in Freizeit abgegolten, jede zehnte Stunde wird ausbezahlt.