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Vertragsbedingungen für ITK-Beschaffungen bei der öffentlichen Hand: EVB-IT – ein Schildbürgerstreich

14.11.2007
Von Christoph Zahrnt

Inwieweit sollen die EVB-IT System angewendet werden?

Die EVB-IT sind keine Rechtsvorschriften, sondern Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBs). Die einzelnen öffentlichen Institutionen entscheiden, ob sie ihren Beschaffern vorschreiben, die EVB-IT System zu verwenden. Es ist zu hoffen, dass viele öffentliche Institutionen davon absehen. Insbesondere bei kleinen Projekten ist das Vertragssystem zu kompliziert.

Die KBSt hat einen weiteren "EVB-IT Typ Systemlieferung" angekündigt. Aber selbst wenn dieser überraschenderweise deutlich schlanker werden würde, wäre der Anwendungsrahmen der EVB-IT System nach derzeitiger Empfehlung der KBSt viel zu weit gesteckt: Sie sollen genutzt werden, wenn die Vergütung für Dienstleistungen mehr als ein Sechstel der Gesamtvergütung ausmacht. Typische Projekte über die Einführung von Standardsoftware haben in etwa ein Verhältnis eins zu eins. In Ziffer 14 über die Haftung auf Schadensersatz kommt zum Ausdruck, dass die EVB-IT System auch bei Auftragswerten unter 25.000 Euro empfohlen wird.

Ein scheinbar wichtiges Argument für die EVB-IT System ist, dass sie ausdrücklich als Werkvertrag ausgelegt sind. Der Vorteil soll darin bestehen, dass der Auftragnehmer dem Auftraggeber – anders als beim Dienstvertrag - einen "Erfolg" schuldet. Der "Erfolg" ist jedoch letztlich nichts anderes als ein "Ergebnis", und das wird auch bei jedem Kaufvertrag geschuldet. Das zeigt sich schon darin, dass nach dem unbestreitbaren Wortlaut des BGB die Erstellung einer beweglichen Maschine unter Kaufrecht fällt, die einer nicht beweglichen Maschine unter Werkvertragsrecht. Beide Maschinen sollen gleichermaßen funktionieren. Aber die KBSt wirbt vollmundig auf ihrer Internetseite: "Der neue EVB-IT Systemvertrag unterliegt einheitlich dem Werkvertragsrecht und statuiert erstmals eine Gesamtverantwortlichkeit des Auftragnehmers für die Funktionsfähigkeit des IT-Systems insgesamt." In Wirklichkeit war das schon immer so, nicht nur im BGB, sondern auch in der früheren Generation der Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hna, den BVB.

Einseitige, aber vor allem unklare Regelungen

Der Bitkom hat – meines Erachtens überzogen – die EVB-IT System als rechtlich unausgewogen kritisiert. In der Praxis werden sich jedoch die kleinen Benachteiligungen des Auftragnehmers und die Mehrdeutigkeit von Regelungen stärker auswirken. Viele Regelungen kann man so oder so auslegen. Nach der Gesetzeslage greift hier die Mehrdeutigkeitsregel für AGBs: Sind mehrere Auslegungen plausibel, wird nicht die richtige gesucht, sondern kann sich der Auftragnehmer die für ihn günstigste Auslegung aussuchen. Zum Beispiel ist es unklar, ob die Vertragsstrafen, die der Auftragnehmer gemäß Ziffer 9.3 EVB-IT System jeweils bei Verzug mit einem Meilenstein zahlen muss, zu summieren oder aufeinander anzurechnen sind. Muss derjenige, der mit dem ersten Meilenstein in Verzug kommt, bei jedem weiteren Meilenstein erneut zahlen, wenn er den Rückstand nicht aufholt? Laut Unklarheitenregel: Nein.

Ein Gericht würde dem Auftragnehmer Recht geben. Der dürfte seine Meinungsverschiedenheit mit dem Auftraggeber aber ohne Gerichte klären wollen. Und dann wird sich der Auftraggeber auf den Wortlaut berufen, wie er ihn versteht. Schließlich seien die EVB-IT System für die Auftraggeberseite geschaffen worden. Also müssten sie auch im Interesse der Auftraggeber ausgelegt werden.

Noch unangenehmer ist eine Regelung wie die in Ziffer 3: "Über die Einordnung der auftretenden Mängel [in die Mängelklassen] entscheidet …. der Auftraggeber unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Auftragnehmers." Formal klingt das ordentlich. In der Praxis nutzen viele Auftraggeber solch eine Formulierung aber als Freibrief dafür, die Abnahmeerklärung hinauszuzögern.

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