Wo ist Léo?

Versteckspiel um deutschen HP-Chef

15.11.2010
Ein Deutscher ist zu einem der meistgesuchten Menschen der Vereinigten Staaten avanciert.

Die Rede ist von Léo Apotheker, dem glücklosen früheren SAP-Chef und jetzigen Lenker des weltgrößten Computerherstellers Hewlett-Packard. Der Softwarekonzern Oracle verlangt, dass er als Zeuge im laufenden Industriespionageprozess gegen seinen alten Arbeitgeber aussagt - aber Apotheker ist schlicht nicht zu finden.

"Wo in aller Welt ist Léo Apotheker?" fragen süffisant die Kommentatoren des Silicon Valley. Der einflussreiche Finanzinformationsdienst Bloomberg schickte sogar eigens einen Fernsehreporter los, um in abgelegenen Winkeln der US-Westküste nach ihm zu suchen. Doch vergebens. Apotheker bleibt für die Öffentlichkeit verschwunden.

Nicht einmal in der Nähe der HP-Zentrale im kalifornischen Palo Alto ist er seit seinem Amtsantritt vor zwei Wochen gesichtet worden. Gerade das wäre auch gefährlich. Oracles Handlanger müssen Apotheker die Zeugenvorladung persönlich übergeben - das dürfen sie aber nur innerhalb der Grenzen des US-Bundesstaates Kalifornien, wo die Verhandlung stattfindet.

Palo Alto liegt lediglich gute 50 Kilometer von Oakland entfernt, wo das Bezirksgericht seit dem 1. November über dem Fall brütet. Oracle wirft SAP den Diebstahl von Daten vor, was die Deutschen im Kern zugegeben haben. Nun geht es um die Schadenssumme. SAP bietet 40 Millionen Dollar, Oracle verlangt einen Milliardenbetrag.

Offiziell befindet sich Apotheker auf Antrittsbesuch bei Kunden und Mitarbeitern in aller Welt. In Texas und Massachusetts soll er schon gesichtet worden sein, auch in Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Sicher scheint nur, dass er in Japan war - zumindest hat er der wichtigsten Wirtschaftszeitung des Landes, "Nikkei", ein Interview gegeben.

Doch woher kommt das Interesse an Apotheker? Oracle nennt ihn einen wichtigen Zeugen. Und tatsächlich saß Apotheker schon im SAP-Vorstand, als Mitarbeiter der kleinen US-Wartungstochter TomorrowNow über das Internet unrechtmäßig Software-Updates bei Oracle herunterluden. Die Bemühungen, Apotheker vor Gericht zu zitieren, verstärkte Oracle aber erst, als der Deutsche von HP angeheuert wurde.

Die einstigen Partnerfirmen HP und Oracle sind sich seit einigen Monaten spinnefeind. Zuerst kaufte Oracle den Großrechner-Spezialisten Sun und wurde damit zum direkten HP-Konkurrenten. Dann warf der HP-Verwaltungsrat Konzernchef Mark Hurd nach einer undurchsichtigen Liaison mit einer Mitarbeiterin raus, woraufhin sein Freund und Oracle-Chef Larry Ellison vor Wut schäumte und Hurd kurzerhand selbst einstellte.

HP beteuerte wiederholt, Apotheker wisse nichts von den Machenschaften bei SAP, und das einzige Ziel der Zeugenvorladung sei, ihn von seiner neuen Aufgabe abzuhalten. Für Oracle wird die Zeit nun langsam knapp: Es ist beinahe Halbzeit im Prozess. Oracle-Anwalt David Boies nahm die Suche zuletzt aber sportlich: "Wir strengen uns mächtig an, ihn zu finden, und er strengt sich mächtig an, von uns nicht gefunden zu werden." (dpa/tc)