Kunden-Management/Assekuranz ist Vorreiter unter den CRM-Anwendern

Versicherungsbranche setzt große Hoffnungen auf CRM

20.10.2000
Der Versicherungsmarkt ist zunehmend vom Wettbewerb geprägt, Kundenorientierung und Kundenbindung gewinnen stärker an Bedeutung. Hierfür bietet das Customer-Relationship-Management (CRM) ein umfassendes Instrumentarium. Doch wie sieht die aktuelle Umsetzung des CRM in der Versicherungsbranche aus? Udo Roos* hat für eine Studie Führungskräfte von 37 Unternehmen befragt.

In europäischen Unternehmen, vor allen bei Dienstleistern, macht sich die Erkenntnis breit, dass CRM im Zuge der Globalisierung und zunehmender Sättigung der Märkte an Bedeutung gewinnt. Auch in der Versicherungsbranche hält der Ansatz nun verstärkt Einzug. Nach Einschätzung von Führungskräften aus 37 Unternehmen, welche Mummert & Partner befragt hat, spielt Customer-Relationship-Management eine herausragende Rolle für den Gesamterfolg des eigenen Unternehmens. Insgesamt 81 Prozent schätzen die Bedeutung von CRM hoch bis sehr hoch ein.

Damit CRM tatsächlich greift, muss es ein ganzes Bündel von Instrumenten und Maßnahmen umfassen. Nur so lässt sich eine dauerhafte Verbesserung der Kundenbindung erreichen. Dazu zählen neben dem Call- sowie Customer-Care-Centern und Qualitäts-Management auch Datenbanken und moderne Kampagnen-Management-Tools. Weitere erfolgskritische Faktoren sind die "richtige" Unternehmenskultur und die "richtigen" Kundenstrategien. Sie alle gilt es zu beachten, denn eine isolierte Verbesserung einzelner CRM-Bausteine führt zu keiner nachhaltigen Erhöhung der Kundenbindung. Erst eine Vernetzung aller Instrumente schafft die Voraussetzung für eine dauerhafte Verbesserung der Wettbewerbsposition. Besonders hoch ist der Stellenwert des weichen Faktors Unternehmenskultur: Diese muss dem CRM-Gedanken Rechnung tragen und im Umgang mit den Kunden ihren Niederschlag finden.

Die Kundenbindung ist bereits jetzt bei den meisten Versicherungsunternehmen fester Bestandteil der strategischen Ausrichtung: 88 Prozent erwähnen die Kundenbindung beispielsweise im Unternehmensleitbild. Zu den Top-Themen zählt für mehr als 50 Prozent der befragten Versicherungen auch die Formulierung einer CRM-Strategie. Die Umsetzung von Projekten im Bereich Customer-Relationship-Management läuft bereits bei 62 Prozent der Unternehmen, weitere 19 Prozent planen, in den kommenden zwölf Monaten CRM-Projekte zu starten.

Die jüngste Befragung zeigt aber auch, dass die Identifizierung der relevanten CRM-Prozesse vielfach noch lückenhaft ist und keine umfassenden Qualitätsstandards etabliert sind. Erst bei 16 Prozent der Versicherungsunternehmen sind alle CRM-relevanten Kernprozesse identifiziert und Qualitätsstandards für die einzelnen Prozesse eingeführt worden. Kundeninformationssysteme stellen derzeit die größte Herausforderung für die Versicherungsunternehmen dar.

Die Unternehmen selbst messen vor allem einer Kundendatenbank besondere Bedeutung zu. Darüber hinaus zählen die Servicekultur und eine CRM-Strategie zu den wichtigsten CRM-Themen. Auch Call- beziehungsweise Customer-Care-Center, die Kundenklassifizierung sowie Zeitvorgaben für die Beschwerdebearbeitung stehen auf der Wunschliste der Führungskräfte, so die Umfrageergebnisse, ganz oben.

Auch wenn der zurzeit noch anhaltende Trend zur elektronisch vernetzten Gesellschaft eine stärkere Fokussierung auf den Bereich E-Commerce vermuten lässt, kommt dem elektronischen Handel in der Versicherungsbranche momentan nur eine mittlere Bedeutung zu: Nur acht Prozent der Unternehmen haben gegenwärtig die Internet-/E-Mail-Adressen ihrer Kunden gespeichert. Mittelfristig werden zwei Drittel der Unternehmen über die elektronischen Adressen ihrer Kunden verfügen. Für die kommenden fünf Jahre wird daher eine grundlegende Veränderung erwartet: Erst dann wird E-Commerce eine Schlüsselrolle spielen. Dies spiegelt sich auch in der Einschätzung der Versicherer wider: Mehr als 80 Prozent gehen davon aus, daß E-Commerce im Jahr 2005 eine hohe bis sehr hohe Bedeutung für CRM einnehmen wird.

Datenbank und Kundenklassifizierung als GrundlageEine wichtige Informationsbasis für erfolgreiches Customer-Relationship-Management sind spartenübergreifende Kundendatenbanken. Nahezu jedes dritte Unternehmen in der Versicherungsbranche verfügt über eine dispositive Kundendatenbank und ist dadurch zu übergreifenden Kundenanalysen in der Lage. Weitere 32 Prozent planen derzeit die Einführung einer solchen Datenbank. Um die konkrete Kundenklassifizierung vornehmen zu können, müssen allerdings zuerst die Merkmale, die im Hinblick auf die Zielsetzung relevant sind, identifiziert werden. Data-Mining-Verfahren helfen dabei, die Kunden zu analysieren und Risikoprognosen zu erstellen. Jedes vierte Versicherungsunternehmen hat bereits Erfahrungen mit dem Einsatz von Data-Mining-Verfahren gesammelt. 80 Prozent bewerten die Ergebnisse positiv. 27 Prozent aller Unternehmen planen den Einsatz von Data Mining - mittelfristig nutzt damit jedes zweite Unternehmen im Versicherungsmarkt die neuen Möglichkeiten der statistischen Datenanalyse. Diese Analysen sind für die Rentabilität von Customer-Relationship-Management von großer Bedeutung.

Stornopräventionsmaßnahmen oder mittelfristig angelegte Betreuungskonzepte rechnen sich nämlich nur für Kunden mit einem hohen "customer value". Dies findet in den Unternehmen der Versicherungsbranche Berücksichtigung: Knapp ein Fünftel der Versicherer klassifiziert seine Kunden nach der Profitabilität abgeschlossener und dem Potenzial künftiger Verträge. 40 Prozent planen die Einführung einer solchen Kundenklassifizierung. Der Nutzen dieser Analyseergebnisse wird aber erst mit der Umsetzung in konkreten Aktionen und Kampagnen messbar. Um die Wirkung einzelner Maßnahmen überprüfen zu können, analysieren 30 Prozent der befragten Unternehmen die Ergebnisse einzelner Kampagnen anhand eines festgelegten Kriterienkatalogs.

Der Trend beim Kampagnen-Management hat sich dabei von groß angelegten Aktionen - wie zum Beispiel Massen-Mailing - hin zu einer Vielzahl von zielgruppenspezifischen, individuelleren Aktionen verlagert. Mit dem Einsatz einer Kampagnen-Management-Software organsieren rund elf Prozent der Unternehmen den gesamten Prozess - von der Zielgruppenselektion bis zur Durchführung und Erfolgsmessung einer Kampagne. Dadurch lässt sich der Zeitraum von der Planung bis zur Durchführung einer Verkaufskampagne drastisch verkürzen.

Für eine dauerhaft erfolgreiche Kundenbindung bedarf es außerdem einer regelmäßigen, an den Erwartungen des Kunden orientierten persönlichen Betreuung. Jedes vierte Unternehmen hat darauf reagiert und ein auf seine Klienten zugeschnittenes Kontaktpflegekonzept etabliert. Weitere 46 Prozent haben es erst zum Teil realisiert oder befinden sich in der Planung.

Für den Kontakt zwischen Unternehmen und Kunden ergeben sich dabei folgende Prioritäten: Im Kommunikationsmix wird es zukünftig deutliche Verschiebungen zu Gunsten des Internets geben. Der Anteil der schriftlichen Kommunikation via Postweg wird innerhalb der kommenden fünf Jahre von 30 Prozent auf 19 Prozent zurückgehen, während der Anteil der Kommunikation per E-Mail/Internet von derzeit rund sechs Prozent auf 24 Prozent ansteigen wird. Nach Einschätzung der Experten bleibt der Anteil der telefonischen Betreuung dagegen nahezu konstant.

Zu den effektivsten und rentabelsten Kundenbindungsinstrumenten zählt zudem ein gut organisiertes Beschwerde-Management. Dies hat mehrere Gründe: Ein zufriedengestellter Beschwerdeführer weist die höchste Kundenbindung auf. Die im Beschwerde-Management gewonnenen Informationen tragen auf kostengünstige Weise zur Verbesserung der CRM bei. Denn Beschwerden geben dem Unternehmen ein unmittelbares Feedback darüber, wo die zentralen Problembereiche liegen. Wichtig ist auch, dass Schadensmeldungen schnell und unkompliziert über das vom Kunden bevorzugte Kommunikationsmedium erfolgen können. 92 Prozent der Unternehmen bieten eine Meldung per Telefon an, mehr als die Hälfte ermöglicht auch den Weg über das Internet. Voraussetzung für ein funktionierendes Kunden-Feedback sind allerdings die konsequente Öffnung der Kommunikationskanäle seitens des Versicherungsunternehmens sowie eine Stimulierung von Beschwerden. Bisher bieten jedoch nur 19 Prozent der befragten Unternehmen aktiv Beschwerdekanäle für die Lösung von Kundenproblemen an. Dabei dominiert das Medium Internet/E-Mail mit 57 Prozent und das Beschwerdetelefon mit 43 Prozent. Nahezu die Hälfte der Versicherungsunternehmen betreibt statistische Analysen. Umgekehrt fließen die Informationen schwächer. Die Außendienstler wissen viel über Beruf, Einkommen und Vermögen ihrer Kunden, alles Daten also, mit denen das Marketing etwas anfangen könnte. Außendienstler legen jedoch großen Wert auf ihre Selbständigkeit und behalten daher solches Wissen gerne für sich. Doch dabei vergessen die Versicherungsvertreter eines: Um einen Kunden individuell betreuen zu könnnen, ist die elektronische Speicherung von Kundenkontaktdaten Voraussetzung. Allerdings erhalten nur acht Prozent der befragten Unternehmen diese Daten des Außendienstes vollständig in elektronischer Form.

Bisher unterstützen 16 Prozent der Unternehmen ihren Außendienst mit externen Daten über die Kunden. Weitere elf Prozent planen dies. Mehr als ein Drittel der Unternehmen stellt seinen Mitarbeitern Adressen von potenziellen Neukunden und Informationen über Bestandskundenpotenziale zur Verfügung. 62 Prozent aller Unternehmen informieren beispielsweise den Außendienst über gefährdete und ablaufende Verträge.

Zum Standard zählt dagegen die DV-gestützte Tarifberechnung. Auch die Bedarfsermittlung, beispielsweise in Form einer Versorgungsanalyse, wird bei 84 Prozent der Unternehmen DV-technisch unterstützt. Eine Computer-gestützte Produktpräsentation und einen Antragsausdruck vor Ort ermöglichen mehr als drei Viertel der Unternehmen. Der Policenausdruck beim Kunden klappt hingegen nur bei einem knappen Fünftel der Unternehmen.

*Udo Roos ist Senior Consultant im Geschäftsbereich Customer Management Consulting bei der Mummert+Partner Unternehmensberatung in Hamburg.