Versicherung Aegon praktiziert Direktvertrieb via TK-Anlage Dokumenten-Management macht Papier im Call-Center

22.12.1995

CW-Bericht, Joachim Hackmann

DUESSELDORF - Der harte Wettbewerb im liberalisierten deutschen Versicherungsmarkt zwingt zu modernen TK-Installationen. Ein Mittel zu mehr Effizienz und direktem Kundenkontakt sind Call- Center, wie das Beispiel der Aegon Lebensversicherungs-AG zeigt. Der Versicherer verspricht sich Vorteile durch ein TK-System, das neben der automatischen Anrufverteilung auch Workflow- und Dokumenten-Management-Funktionen integriert. Letztere sollen bei Aegon das papierlose Buero realisieren.

Seit dem 21. November 1995 verkauft die neugegruendete Aktiengesellschaft und Tochter des niederlaendischen Aegon-Konzerns in Deutschland Lebensversicherungen an ein vorwiegend juengeres Publikum. Die Kontakte werden ausschliesslich ueber das Telefon hergestellt und gepflegt. Die Duesseldorfer sehen in ihrer Planung keine Aussendienstmitarbeiter fuer Policen-Abschluesse vor.

Ein aehnliches Vertriebskonzept mit der Kundenakquise und - betreuung via Telefon praktiziert die Muttergesellschaft in den Niederlanden schon seit einigen Jahren. Der Call-Center-Ansatz der deutschen Niederlassung geht allerdings ueber das Konzept der Zentrale in Den Haag hinaus. Die Duesseldorfer Installation integriert neben der automatischen Anrufverteilung (Automatic Call Distribution) auch Workflow- und Dokumenten-Management.

Mit diesem Design des Call-Centers orientierte sich Aegon an den Arbeitsablaeufen im Direktvertrieb. Zunaechst legte der Dienstleister sein Vertriebskonzept fest. Daraus entstanden die Anforderungen an die technischen Einrichtungen. "Das Geschaeftsmodell bedingt bei uns die TK-Installation und nicht umgekehrt", stellt Diederik Albarda, General Project Manager der Aegon Lebensversicherungs-AG, die Anforderungen an das System klar. Damit Kunden trotz der Einschraenkung auf fernmuendliche Kontakte ein Gefuehl persoenlicher Betreuung bekommen, hat jeder anrufende Interessent einen eigenen Berater. Dazu erhalten die Call-Agents, die gleichzeitig immer auch persoenliche Berater sind, eigene Durchwahlnummern. Dieses Verfahren ist bei Aegon allerdings noch nicht implementiert. Derzeit verteilt das System eingehende Telefonate an verfuegbare Call-Agents. Anhand der Kundennummer identifiziert der Mitarbeiter den Anrufenden. Handelt es sich dabei nicht um einen seiner persoenlichen Kunden, stellt der Call- Agent zum entsprechenden Kollegen durch. Ein Einsatzplan fuer die Agenten soll gewaehrleisten, dass der Kunde zu bestimmten Zeiten stets seinen persoenlichen Berater erreichen kann.

30 Mitarbeiter im Call-Center nehmen zur Zeit die eingehenden Anrufe entgegen. Fuer den Anfang soll diese Kapazitaet ausreichen. Laeuft das Geschaeft richtig an, denkt Aegon-Chef Alberda an Ausbau. Das derzeitige Gebaeude ist so ausgelegt, dass sich weitere Call- Center einrichten lassen. Maximal koennten dann etwa 100 Call- Agents in Duesseldorf die Anrufe entgegennehmen. Mit diesem Mitarbeiterstammm liessen sich bis zu 1,5 Millionen Kunden betreuen, so die Kalkulation des Managers.

In Duesseldorf unterhaelt das Versicherungsunternehmen drei Call- Center mit insgesamt 240 ISDN-Leitungen und 60 Arbeitsplaetzen. Zwei Anrufzentralen sind in Wechselschichten einsatzbereit. Aegon unterhaelt immer ein Call-Center mehr, als es die aktuelle Auslastung erfordert. Das dritte System nutzt die Versicherungs- Gesellschaft zur Mitarbeiterschulung.

Werden die Versicherungen inklusive Telefonnummer im Fernsehen beworben, gehen kurzfristig sehr viele Anrufe ein, berichtet Albarda. Unmittelbar nach der Ausstrahlung eines Werbespots waehrend der Pause des Fussballspiels zwischen Borussia Dortmund und Juventus Turin wurde die Telefonzentrale schlagartig mit rund 1000 Kontakten konfrontiert. In solchen Faellen aktiviert Aegon auch das redundante, urspruenglich fuer Schulungen vorgesehene Call-Center.

Sollten die eingehenden Anrufe dennoch die Kapazitaet sprengen, werden Telefonate ausgelagert. Dazu unterhaelt Aegon eine Geschaeftsbeziehung zu einem externen Call-Center in Hamburg. Per ISDN-Waehlverbindungen lagert die Duesseldorfer Zentrale automatisch Kundenanrufe aus, so dass moeglichst wenig Kontakte verlorengehen. Da die Anrufer nach der Fernsehwerbung hauptsaechlich um Informationsmaterial bitten, benoetigt der externe Dienstleister kein besonders fuer die Aegon-Belange ausgebildetes Personal.

Die bisher beschriebenen Verfahren zur automatischen Anrufverteilung sind typische Call-Center-Funktionen. Eine erhebliche Effizienzsteigerung verspricht sich der Betreiber durch die integrierten Workflow- und Dokumenten-Management-Merkmale. Mittels dieser Software verteilt das System Antwortcoupons aus den Werbeanzeigen in den Printmedien an unbeschaeftigte Mitarbeiter im Call-Center.

Zugesandte Antwortscheine erfasst die deutsche Dependance zunaechst mit zwei Scannern, die bis zu 2000 Dokumente pro Stunde einlesen. Schon beim Eingang der Antwortschreiben endet bei Aegon die papierbasierte interne Korrespondenz. Die folgenden Arbeitsschritte werden ausschliesslich papierlos durchgefuehrt. "Ausser Tempo-Taschentuechern finden Sie innerhalb des Call-Centers kein Stueck Papier", schwaermt Michael Manz, System-Manager bei Aegon, von der durchgehenden Digitalisierung der Installation.

Zu normalen Geschaeftszeiten, wenn keine Auslastungsspitzen aufgrund aktueller Werbemassnahmen zu erwarten sind, beschaeftigt das Workflow-System Call-Agents mit der Bearbeitung der eingescannten Images. Das Dokumenten-Management-System versendet die aufgenommenen Coupons an die mit einem Pentium-Rechner und 17- Zoll-Monitor ausgestatteten Arbeitsplaetze. Koennen die anwesenden Mitarbeiter die Zahl der eingegangenen Antwortschreiben nicht bewaeltigen, lagert Aegon auch diese Aufgaben aus. Dazu kooperiert der Versicherer mit einem Unternehmen aus Guetersloh, das bei Bedarf die Dokumente erfasst.

Agents haben bei Kontakten Zugriff auf Kundenhistorie

Intern wie extern erfolgt die Aufnahme nach dem gleichen Prinzip. Die Applikationssoftware stellt die Images auf der linken Haelfte des Bildschirmes dar, die andere Haelfte wird von einem digitalen Formular eingenommen, in das der Agent die Daten des Interessenten uebertraegt. Das System erkennt automatisch, ob es sich bei dem eingescannten Format um Informationsanforderungen oder um einen zurueckgesendeten Antrag handelt. Das Customer-Interfacing-System des Call-Centers fuehrt den Mitarbeiter je nach Dokumentenvorlage automatisch durch das digitale Format.

Wichtige unverzichtbare Daten wie Name, Adresse oder aehnliches sind besonders gekennzeichnet. Diese Felder muessen ausgefuellt werden. Ist das vollstaendig geschehen, verschickt das Workflow- System die aufgenommenen Daten automatisch zur Vertriebsstelle. Dort werden die entsprechenden Informationsbroschueren zusammengestellt und per Post dem Interessenten zugeschickt.

Ein aehnliches Verfahren garantiert auch bei dem direkten telefonischen Kundenkontakt die Vollstaendigkeit der persoenlichen Daten. Ausserdem hat der Agent dabei jederzeit Zugriff auf die Historie der vorangegangenen Gespraeche, so dass er dem Kunden das Gefuehl persoenlicher Betreuung vermitteln kann.

Zur automatischen Anrufverteilung orderte Aegon eine Call-Center- Anlage von der Aspect Telecommunications GmbH. Das System ist mit zwei Unix-Servern von Hewlett-Packard verbunden. Beide Maschinen, von denen eine als redundanter Server installiert ist, verfuegen ueber ein DLT-Tape, das 20 GB Daten aufnimmt. Zudem enthalten die Unix-Rechner die Software fuer das Customer Interfacing System (CIS). Diese Entwicklung der Document Access GmbH, Limburg, integriert neben der automatischen Anrufverteilung die Dokumentenverwaltung und das Workflow-Verfahren.

Die gesamte Anlage laesst Aegon neben der hausinternen Kontrolle auch von aussen ueberwachen. Document Access uebernimmt vom Firmensitz in Limburg die Kontrolle der speziell fuer Aegon entwickelten Applikationen. Dazu zaehlen neben der Integration des HP-Servers mit der TK-Anlage auch die Benutzer-Schnittstelle samt Workflow- und Dokumenten-Management.

Die Hardware wie auch die Standardsoftware von Microsoft und Oracle wartet Hewlett-Packard von Boeblingen aus. Bei Aegon ist das Microsoft-Paket Office im Einsatz. Fuer das interne E-Mail-System, Terminplanung und Finanzanwendungen greift das Unternehmen auf Oracle-Programme zurueck. Hewlett-Packard beobachtet die Installation und schreitet bei Stoerungen nach Moeglichkeit durch remote Zugriffe ein.

Technisch ist die Anlage zunaechst so ausgestattet, dass Softwareprozesse den aktuellen Werbestrategien angepasst werden koennen. Eine Erweiterung des Systems ist bereits geplant. Innerhalb des naechsten Jahres sollen die Arbeitsplaetze mit einem Videosystem ausgestattet werden, so dass der Kundenkontakt auch visualisiert wird.

Als weitere Strategie verfolgt Aegon den Weg ueber die Online- Techniken. Der Versicherer ist via E-Mail und Web-Pages zu erreichen (infomoneymaxx.de oder http://www.moneymaxx.de). Via Internet sollen sich Kunden informieren und bei Interesse einen entsprechenden Antrag ausfuellen und absenden koennen. Aegon, so die Planung, koennte dann das elektronische Formular direkt ins hausinterne Dokumenten-Management-System uebernehmen. Fuer den Versicherer waere das ein weiterer Schritt zum papierlosen Buero.