Mit Bremer PS Systemtechnik jetzt auch ein Bein im Standardsoftware-Geschäft:

Verlustgeplagte SCS sucht Linderung beim CIM

27.06.1986

HAMBURG (CW) - Mit der Übernahme der Bremer PS Systemtechnik GmbH will die zur BP-Tochter Scicon gehörende Hamburger Scientific Control Systems (SCS) ins zukunftsträchtigte CIM-Business einsteigen und den Verkauf von Standardsoftware in Form von Bausteinen für "Computer Integrated Manufacturing" forcieren. Im traditionellen Geschäft mit Individualsoftware hatte das größte deutsche DV-Beratungsunternehmen nach eigenen Angaben 1985 "noch kleine rote Zahlen" geschrieben.

Die SCS hat seit ihrem Gründungsjahr 1969 in der Industrie für rund 200 Unternehmen von der Produktentwicklung über die Fertigungsplanung und -steuerung bis hin zur Qualitätssicherung und zum Materialfluß Organisations- und Datenverarbeitungskonzepte geplant und realisiert. Damit brachte der "Marktsektor Industrie" für SCS im Jahre 1985 den höchsten Umsatz: rund 50 Millionen Mark, 40 Prozent des Gesamtumsatzes, der etwa 128 Millionen Mark betrug.

Aus welchem Grund die Übernahme der PS Systemtechnik GmbH, Bremen, unter das Dach der Scicon-Gruppe attraktiv ist, zeigt die weitere Aufschlüsselung der Leistungsarten von SCS:

33 Prozent des Umsatzes machte SCS 1985 mit Beratung; 53 Prozent brachte die aufwendige Softwareproduktion, und nur 14 Prozent des Umsatzes machte der Verkauf von Standardprodukten aus.

SCS, die bei "erheblichen Investitionen", wie der Vorsitzende der SCS-Geschäftsführung Dr. Joachim Schweim erklärte, 1985 "nur noch kleine rote Zahlen" geschrieben hat, will nun den Anteil des Standardsoftware-Verkaufs erhöhen - denn das erscheint dem Unternehmen als der Markt der Zukunft. Und wenn die Vorhersagen der International Data Corp. (IDC) zutreffen, stimmt das auch: Waren 1984 die Ausgaben für Paketsoftware und Individual-SW und Beratung mit jeweils rund 6 Prozent der europäischen Gesamtkosten für Datenverarbeitung noch gleichauf, blieben sie im vergangenen Jahr für Individual-SW und Beratung konstant, während die Standard-SW weiter anstieg. Für die nächsten fünf Jahre sagen die Marktforscher von IC eine Steigerung des Anteils der Standardsoftware auf 15 Prozent voraus, und nur auf rund 8 Prozent für Individual-SW und Beratung. Kein anderer Bereich ist nach diesen Analysen also auch nur annähernd so zukunftsträchtig. Mit ihrer Koordinierungsgesellschaft Scisco (Präsident ist der US-Amerikaner Dick Godfrey) hat die Scicon Int. Ltd. dafür gesorgt, daß den angeschlossenen Gesellschaften eine breite Palette von Softwareprodukten zur Unterstützung von CIM zur Verfügung steht.

Auch kleinere Betriebe müssen Chancen bekommen

Das SCS-Interesse an Standardsoftware wurde dadurch verstärkt, daß das eigentliche Ziel von CIM, die Kosten eines gesamten Produkts zu senken, nur erreicht werden kann, wenn auch kleine und mittlere Betriebe mitmachen können. Für sie will SCS künftig vermehrt diese Palette von Standardsoftware als Bausteine im SCS-CIM-Konzept anbieten - ein Konzept, das von einer Drei-Ebenen-Betrachtung ausgeht: Die oberste Ebene stellt die nicht direkt fertigungsbezogenen Anwendungen im Industrieunternehmen, wie Finanz- und Rechnungswesen dar. Die unterste Ebene betrifft die direkte Maschinensteuerung, zum Beispiel DNC. Auf der mittleren Ebene befinden sich die Produktentwicklung, Produktionsplanung, Fertigungssteuerung, Qualitätssicherung, Materialflußsteuerung und Instandhaltung. Diese Funktionen stehen im Mittelpunkt der SCS-CIM-Strategie (siehe Abbildung).

Die PS-Systemtechnik GmbH mit ihren 60 Mitarbeitern in Bremen und 70 weiteren bei Vertriebspartnern im In- und Ausland ist genau das, was man bei SCS als Ergänzung des eigenen Angebots suchte. Sie hat eingeführte PPS-Standardsoftware für alle Branchen, Produktionsarten und Unternehmensgrößen und betreut inzwischen über 200 Installationen.

Auch für Professor Joachim Scheel, der die Bremer Firma 1974 gründete, sprach viel dafür, seinen Betrieb einem Unternehmen wie SCS anzugliedern. Er habe die Schallgrenze für ein Unternehmen seiner Größe erreicht, erklärte er anläßlich des Verkaufs, dem das Kartellamt am 14. Mai zugestimmt hatte. Nur im Zusammenschluß mit einer großen Firma, das heißt mit einer vergrößerten, erfahrenen Mannschaft (SCS hat rund 250 Spezialisten in diesem Bereich), hätten seine Produkte die Chance, Bausteine im CIM-Konzept zu sein, und nicht nur in der Bundesrepublik und angrenzenden Ländern, sondern auch in den USA erfolgreich vertrieben zu werden. Und er meint: Wenn man die Organisation der SIL-Gruppe und die zu ihr gehörenden Beratungsunternehmen in der Bundesrepublik, England, Frankreich und den USA betrachtet (insgesamt rund 3500 Mitarbeiter), habe er für sein Unternehmen und sein Produkt das Tor zur Welt tatsächlich aufgeschlossen.

US-Geschäft soll erschlossen werden

Das PS-System in den USA einzuführen und gleichzeitig damit ihr CIM-Konzept schlüssiger und attraktiver zu machen, war auch von seiten der SCS ein wesentlicher Grund für die Übernahme. Denn der US-Markt sei etwa viermal so groß wie der europäische und zehnmal so groß wie der der Bundesrepublik, sagt Manfred Klute, bei SCS Geschäftsführer für den Bereich Industrie. Bei diesen Größenordnungen sei auch im Hinblick auf ständige Weiterentwicklung Wirtschaftlichkeit von Standardsoftware zu erreichen.

Auf der Autofact in Detroit im November diesen Jahres will SIL/SC seine Neuerwerbung vorstellen und den Startschuß für die US-Aktivitäten geben.