Verlust im vierten Quartal Knowledgeware: Windows als Rezept gegen IBM-Vergangenheit

15.07.1994

BOSTON/MUENCHEN (gfh) - Mit einem Bauchladen voller Entwicklungssoftware will die Knowledgeware Inc., Atlanta, Georgia, ihre AD/Cycle-Vergangenheit vergessen machen. Nach dem Scheitern dieses IBM-Konzepts setzt das Unternehmen nun auf Microsofts Systemplattformen.

"Unsere Zukunft liegt bei Microsoft", verkuendet Michael Ciocia, Senior Director der Knowledgeware Inc. sein neues Credo. Der Topmanager beim einst treuesten AD/Cycle-Partner der IBM verspricht darueber hinaus, kuenftig selbst auf den Plattformen fuer Microsoft-Interessen einzutreten, auf denen weder Windows noch Chicago oder Windows NT laeuft. Fuer OS/2 zeigt Ciocia lediglich Verachtung, und auch Unix bezeichnet er als eine ungeeignete Entwicklungsumgebung.

Gestuetzt werden diese Aussagen durch eine Chicago-Version der Entwicklungsumgebung "ADW", die Anfang 1995 auf den Markt kommen soll. Ausserdem laufen die Datenbankabfrage-Tools "Clear Access", die Business-Re-Engineering-Software "Maxim", der GUI-Builder "Flashpoint" und das grafische Entwicklungswerkzeug "Objectview Desktop" allesamt unter Windows. Auch Preise um 500 Mark fuer Objectview und Maxim unterstreichen das Desktop-Engagement von Knowledgeware.

Ganz so Microsoft-lastig sieht Karl Bichlmaier, frischgebackener Geschaeftsfuehrer der Stuttgarter Knowledgeware GmbH, den neuen Kurs seines Unternehmens nicht. Der ehemalige IBM-Manager glaubt, dass OS/2 aufgrund der vielen ADW-Installationen, die unter diesem Betriebssystem laufen, die primaere Plattform bleiben werde. Weitere Umgebungen fuer die hauseigenen Produkte seien Grossrechner und die AS/400.

Erneuerung durch die Produktvielfalt

Ausserdem legte Bichlmaier ein klares Bekenntnis zu Unix ab. So soll ADW ab Ende dieses Jahres Motif-Anwendungen und C-Code generieren koennen. Beta-Releases von Objectview unterstuetzen darueber hinaus die Unix-Derivate Solaris und HP-UX sowohl als Entwicklungs- als auch als Zielplattform.

Wenn Bichlmaier wie Ciocia von einer Knowledgeware-Erneuerung spricht, meint er daher weniger den Microsoft-Kurs als die Wandlung von einer One-Product-Company zu einem Unternehmen mit inzwischen rund 35 Werkzeugen fuer verschiedene Varianten der modellbasierten Software-Entwicklung. Damit soll den Knowledgeware-Kunden ein moeglichst breites Spektrum an Moeglichkeiten fuer die Software-Entwicklung und -Wartung geboten werden. Die ADW-Umgebung mit ihren I-CASE-Methoden und das von R&O stammende Repository "Rochade" sollen dabei als integrierende Elemente fungieren.

Zu der erweiterten Produktpalette gehoeren auch Werkzeuge fuer die objektorientierte Entwicklung. So hat sich das Unternehmen mit Digitalk, einem Spezialisten fuer die objektorientierte Programmiersprache Smalltalk, zusammengetan. Erstes Ergebnis der Kooperation sind die "Parts Workbench" und "Parts Wrapper", die kuenftig gemeinsam vermarktet werden sollen. Wrapper soll die mit ADW erstellten Modelle in Smalltalk-Klassen umsetzen, die sich dann mit Hilfe der Workbench zu Applikationen zusammensetzen lassen. Ausserdem schwaermt Ciacio von Microsofts objektorientierter OLE-Technik, die bald den Client-Server-Kurs von Knowledgeware unterstuetzen soll.

Was sowohl Ciocia als auch Bichlmaier verschweigen, ist, dass das Unternehmen im vierten Quartal dieses Geschaeftsjahres, das am 30. Juni endete, einen Verlust zu verbuchen hatte. Bichl-maier betonte im Gegenteil, den Umsatzzuwachs gegenueber dem Vorjahr um zwanzig Prozent auf rund 150 Millionen Dollar.

Unklar ist derzeit noch, so Knowledgeware, ob der Quartalsverlust das Jahresgesamtergebnis in den roten Bereich drueckt.