Verkaufen statt entwickeln

02.04.2008
Von  und
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die Vorgaben für SAPs künftigen Vorstandssprecher Lèo Apotheker sind klar: Nach Jahren aufwändiger Entwicklung will der Konzern nun die Ernte einfahren.

Mit der Berufung des Vertriebsspezialisten Lèo Apotheker zum gleichberechtigten zweiten Vorstandssprecher neben Henning Kagermann hat SAP einen Führungs- und Strategiewechsel eingeläutet. Vorerst noch gemeinsam mit dem seit 2003 amtierenden Kagermann soll der bislang stellvertretende Vorstandssprecher mehr Schwung in die Geschäfte bringen. Im kommenden Jahr steht dann die endgültige Wachablösung bevor. Kagermanns Vertrag läuft im Mai 2009 aus und wird nicht verlängert.

"Henning Kagermann hat den Aufsichtsrat um die Bestellung von Lèo Apotheker gebeten", erklärte der SAP-Mitgründer und Aufsichtsratsvorsitzende Hasso Plattner. Damit sei eine reibungslose Nachfolge gewährleistet. Allerdings hat Apotheker weniger Zeit, sich auf seine Aufgabe vorzubereiten, als sein Vorgänger. Kagermann war zwischen 1998 und 2003 rund fünf Jahre Co-Vorstandssprecher neben Plattner.

Von dem ausgewiesenen Vertriebsspezialisten Apotheker verspricht sich SAP offenbar bessere Geschäfte. Plattner nannte eine Reihe neuer Techniken wie Service-orientierte Architekturen (SOA) und die On-Demand-Lösung "Business ByDesign", die der Konzern in den vergangenen Jahren unter der Ägide Kagermanns entwickelt habe: "Jetzt steht SAP vor der Aufgabe, den Einsatz dieser Innovationen bei unseren Kunden und Anwendern zu unterstützen." Den verstärkten Vertriebsfokus wollen die Verantwortlichen allerdings nicht so verstanden wissen, dass nun die technische Weiterentwicklung der Produkte vernachlässigt werde.

Ziel: 35 Prozent Marge

Die Stoßrichtung ändert sich jedoch. Erst kürzlich hatte Kagermann durchblicken lassen, mittel- bis langfristig halte er eine operative Marge von 35 Prozent für realistisch. Für das laufende Jahr peilen die Walldorfer 24 bis 27 Prozent an. Apotheker sieht diese Vorgabe jedoch nicht als Hypothek für seine Amtszeit. SAP sei gar nicht so weit von einer 30-Prozent-Marge entfernt, lautet seine Interpretation. Außerdem gehe es jetzt darum, Innovationen rascher in Marktanteile und zusätzliche Umsätze umzumünzen.

Als erste Maßnahme kündigte Apotheker an, die Ausgaben für die Softwareentwicklung zu drosseln. 2007 beliefen sich diese auf 14 Prozent vom Umsatz - zu viel, findet der künftige SAP-Lenker. Pro Jahr soll der Aufwandsanteil um einen Prozentpunkt sinken. Apotheker wäre jedoch nicht traurig, sollte es gelingen, noch etwas stärker nachzujustieren.

Dabei helfen, die neuen Ziele zu erreichen, soll auch der weitere Umbau im SAP-Vorstand. Der Aufsichtsrat berief zusätzlich Erwin Gunst, Bill McDermott und Jim Hagemann Snabe in das Führungsgremium, das nun zehn Köpfe zählt. McDermott soll künftig den weltweiten Vertrieb verantworten. Die Produktentwicklung der Business Suite und der Netweaver-Plattform liegt in den Händen von Snabe, der seit 15 Jahren bei SAP arbeitet. Gunst übernimmt die neu geschaffene Position des Chief Operating Officer (COO).

Allerdings bleibt der Vorstand nur vorläufig so groß. Neben Kagermann, der sich im Frühling 2009 verabschiedet, wird auch Entwicklungsvorstand Peter Zencke seinen Hut nehmen. Dessen Vertrag, der Ende dieses Jahres ausläuft, wird nicht verlängert. Zencke hatte sich in den vergangenen Jahren stark um die neue Mittelstandslösung Business ByDesign gekümmert. Die Verantwortung für die Software wird ab dem kommenden Jahr auf verschiedene, bislang nicht benannte Köpfe verteilt.

Mit den neuen Vorstandsmitgliedern richtet sich der deutsche Softwarehersteller stärker international aus. Ein Abschied der Konzernzentrale aus Deutschland, über den in den vergangenen Jahren wiederholt spekuliert worden war, komme aber nicht in Frage.

Kein abrupter Kurswechsel

Welche weiteren Auswirkungen die Veränderungen an der Spitze von SAP haben werden, lässt sich noch nicht absehen. Kagermann betonte, dass es keine abrupten Kurswechsel geben solle. Allerdings hatten die badischen Softwerker mit der Übernahme des Business-Intelligence-Spezialisten Business Objects im vergangenen Jahr bereits eine Kehrtwende eingeläutet. Im härter werdenden Wettbewerb geht es für SAP zunehmend darum, sich Marktanteile zu sichern. So ließ Kagermann durchblicken, dass der Konzern weitere Akquisitionen anpeilen könnte. Dazu Apotheker: "Man muss den Mut haben, richtige Entscheidungen zugunsten der langfristigen Entwicklung zu treffen." (ba)

Lèo Apotheker

SAP-Laufbahn: Der neue Vorstandsvorsitzende ist seit 1988 mit Unterbrechungen bei SAP. Er war Geschäftsführer in Frankreich und Belgien, übernahm 1999 den Vertrieb für Europa und ist seit 2002 Vorstandsmitglied der SAP. Ausbildung: 1972 bis 1975: Studium Internationale Beziehungen und Volkswirtschaft an der Hebrew University in Jerusalem, Abschluss Bachelor.

Herkunft: Der 54-Jährige wurde am 18. September 1953 in Aachen geboren und ist in Antwerpen aufgewachsen. Apotheker spricht Deutsch, Englisch, Französisch, Hebräisch und Niederländisch. Er

lebt in Paris, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Head

Text