Streit mit Domain-Aufsichtsbehörde Icann geht weiter

Verisign nimmt Site Finder vom Netz

10.10.2003
MÜNCHEN (CW) - Verisign hat den Domain-Service "Site Finder" abgeschaltet, nachdem die Domain-Aufsichtsbehörde Icann mit Sanktionen gedroht hatte. Das Unternehmen hatte Site Finder vor vier Wochen gestartet und sah sich seitdem massiver Kritik ausgesetzt.

Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (Icann) hatte Verisign in einem Schreiben ein Ultimatum gesetzt, den umstrittenen Domain-Service Site Finder abzuschalten. Das amerikanische Unternehmen betreibt als "Registry" die Domain-Datenbanken der Top Level Domains .com sowie .net. und ist somit Vertragspartner der Domain-Aufsichtsbehörde.

Verisigns Site Finder präsentierte Web-Surfern, die eine nicht vergebene Internet-Adresse gewählt oder die URL falsch geschrieben hatten, eine spezielle Web-Seite mit Suchmaschine und bezahlten Links. Zuvor war bei Eingabefehlern im Browser-Fenster eine schlichte Fehlermeldung erschienen. Was ein einträgliches Geschäft für das Unternehmen hätte werden können, ist nun vorerst gestoppt.

Bereits kurz nach der Inbetriebnahme des Dienstes beklagten sich Internet-Service-Provider, dass die Site-Finder-Rechner ihre Spam-Filter stören würden. Große Provider wie AOL oder Earthlink konfigurierten ihre Domain-Server so, dass ihre Kunden nicht auf der Site-Finder-Seite landeten. Zudem verklagten zwei Internet-Firmen Verisign wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens, da ihre mit Site Finder vergleichbaren Services von dem Versign-System umgangen wurden. Einige Experten sahen durch den Domain-Service sogar die Stabilität des Internets gefährdet.

Am 19. September bat die Icann Verisign, den Dienst vorerst einzustellen, bis die Auswirkungen des ohne offizielle Erlaubnis der Domain-Organisation eingerichteten Service auf die Internet-Infrastruktur untersucht wären. Der Bitte kam die Firma jedoch nicht nach und kündigte stattdessen an, eine eigene Expertengruppe einzuberufen. Am 3. Oktober folgte dann die ultimative Aufforderung der Icann, Site Finder unverzüglich abzuschalten. Hätte sich Verisign erneut geweigert, wäre Icann befugt gewesen, den Vertrag mit der Firma aufzukündigen beziehungsweise eine Geldstrafe zu verhängen.

Verisign gab schließlich nach, kritisierte jedoch das Vorgehen, da die Domain-Aufsichtsbehörde ohne Untersuchung der Problematik die Abschaltung angeordnet habe. "Wir kommen der Aufforderung nach, halten uns aber alle Möglichkeiten offen", so Russel Lewis, Leiter der Naming and Directory Services Group. Seiner Ansicht nach falle Site Finder nicht unter den mit Icann unterzeicheten Registry-Vertrag, und somit habe die Organisation ihre Kompetenzen überschritten. Zudem lägen ihm keine Daten über Störungen im Domain Name System vor, lediglich "isolierte Probleme" seien aufgetreten. Lewis sinnt auf Schadensersatz und will Site Finder möglichst bald wieder freischalten. Dem widersprechen Netzspezialisten der Icann energisch. "Site Finder hat offensichtlich bereits die Stabilität des Internets beeinträchtigt, und weitere Störungen sind nicht auszuschließen." Verisign hat demnächst die Möglichkeit, seine Positionen vor einem Expertengremium der Icann vorzutragen. (fn)