Wenn Führungskräfte die Firma ausbremsen

Verhinderer in der Chefetage

13.01.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Fehler Nummer 5: Den Mitarbeiter "plattmachen"

"Haben Sie nicht besseres zu tun als ..." "Beschäftigen Sie sich nicht mit Dingen, von denen Sie nichts verstehen." "Auf so eine Idee kann nur ein Controller kommen." "Das hätte Ihnen schon früher einfallen können." Reagiert eine Führungskraft so oder so ähnlich auf die Idee eines Mitarbeiters, dann ist dies "der kreative Super-Gau". Denn dann denkt der Mitarbeiter zurecht. "Du kannst mich mal. Von dir lasse ich mich nicht mehr aufs Töpfchen setzen." Das heißt, der Mitarbeiter zieht sich in sein Schneckenhaus zurück und artikuliert nie wieder eine Idee.

Die genannten Fehler begehen Führungskräfte immer wieder - übrigens meist nicht bewusst, sondern weil sie selbst unter einem enormen Druck stehen. Deshalb wischen sie Ideen oft (scheinbar) achtlos beiseite oder sie vertrösten ihre Mitarbeiter auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Denn sie sind meist selbst Teil eines Systems, das extrem ideenfeindlich ist. "Kreativität wird in den meisten Unternehmen eher getötet als gefördert", schreibt die Harvard-Professorin Teresa Amabile, die seit mehr als 30 Jahren über die Themen Kreativität und Innovation forscht. Schuld daran sind ihrer Meinung nach die Strukturen: "Viele Unternehmen haben Organisationsstrukturen, die systematisch Kreativität zerstören."

Merkmale einer katalysatorischen Führung

Das Problem: Vielen Unternehmensführern ist nicht bewusst, dass neue Ideen keine Zufallsprodukte sind. Sie entstehen nur in einem Klima, das ein kreatives Denken fördert und auch "schlechte", also nicht realisierbare Ideen anerkennt.

Für eine Studie, die an der Handelshochschule Leipzig 2010 durchgeführt wurde, wurde die Unternehmensstruktur und -kultur der 25 innovativsten Unternehmen weltweit untersucht. Ermittelt wurde, was Unternehmen wie Apple, Google, Nike und Virgin anders als ihre Mitbewerber machen. Ein Ergebnis war: Führungskräfte, die Ideen blockieren, haben in ihnen keine Zukunft. Sie fordern von ihren Führungskräften, dass diese Ideen ihrer Mitarbeiter aktiv fördern. Und zwar durch einen Managementstil, der "katalysatorische Führung" genannt wird. Er zeichnet sich durch folgende Merkmale aus.

Merkmal 1: Die Mitarbeiter sind nicht von morgens bis abends ins operative Geschäft eingebunden. Sie erhalten (zeitliche) Freiräume, um neue Ideen zu entwickeln. Und dies wird nicht als Zeitverschwendung, sondern als integraler Bestandteil ihrer Arbeit gesehen.

Merkmal 2: Die (Arbeits- und Kreativ-)Teams werden immer wieder neu und unterschiedlich zusammengesetzt, damit in ihnen keine kollektiven Denk-Routinen entstehen, die den Blick für neue Lösungen verstellen. So soll das erhalten bleiben, was beispielsweise Intel den "Outsider Advantage" nennt - also der Vorteil, als Außenstehender mit anderen Augen auf ein Problem zu schauen.

Merkmal 3: Außer der offiziellen Unternehmenskultur schätzen auch die Führungskräfte Kreativität als hohes Gut und verankern entsprechende Werte in ihren Teams. So lautet zum Beispiel bei Hewlett-Packard eine Maxime: "Glaube daran, dass du die Welt verändern kannst."