Wirtschaftsspionage nimmt drastisch zu

Verfolgungswahn hilft überleben

19.05.2008
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Christoph Witte arbeitet als Publizist, Sprecher und Berater. 2009 gründete er mit Wittcomm eine Agentur für IT /Publishing/Kommunikation. Dort bündelt er seine Aktivitäten als Autor, Blogger, Sprecher, PR- und Kommunikationsberater. Witte hat zwei Bücher zu strategischen IT-Themen veröffentlicht und schreibt regelmäßig Beiträge für die IT- und Wirtschaftspresse. Davor arbeitete er als Chefredakteur und Herausgeber für die Computerwoche. Außerdem ist Witte Mitbegründer des CIO Magazins, als dessen Herausgeber er bis 2006 ebenfalls fungierte.
Der Verfassungsschutz hat in seinem jüngsten Bericht vor Wirtschaftsspionage aus dem Ausland gewarnt. Die Angriffe erfolgten immer öfter via Internet auf die Systeme auch mittelständischer Unternehmen. Es wird Zeit, sich der Herausforderung zu stellen.

Im Original lautet der Satz "Only the paranoid survive". Er stammt von Andy Grove, dem früheren Chef des Chipherstellers Intel. Warum er dieses sprachliche Bild gewählt hat, um seine Geschichte und die seiner Company auf den Punkt zu bringen, liegt auf der Hand: Intels Erfolg basiert fast ausschließlich darauf, modernste Halbleitertechnologie zu entwickeln sowie in die hauseignen Mikroprozessoren, Chipsätze und Speicher einzubauen. Am meisten Geld verdient das Unternehmen dann, wenn es die neuen Technologien als Erste anbietet. Was passiert, wenn sich Intel die Butter vom Brot nehmen lässt, konnte man erleben, als Konkurrent AMD unter dem Namen Opteron als erster Hersteller Prozessoren auf den Markt brachte, die sowohl 32- als auch 64-Bit-Befehlssätze verarbeiten konnten. Umsatz und Gewinn des Chipkrösus brachen ein, AMD konnte aufgrund der erreichten Technologieführerschaft seit vielen Jahren erstmals wieder schwarze Zahlen schreiben.

In diesem Umfeld sieht jeder ein, dass Entwicklungen vor Ausspähung geschützt werden müssen, dass Spionage unbedingt verhindert werden muss. Wer sich hier Geheimnisse abschwatzen oder entreißen lässt, verliert nicht nur Umsatz und Gewinn, sondern auch Reputation.

Christoph Witte, Herausgeber COMPUTERWOCHE
Christoph Witte, Herausgeber COMPUTERWOCHE
Foto: Christoph Witte

Leider vergleichen sich die meisten Unternehmen in Deutschland nicht mit Intel oder AMD. Sie glauben, sie seien viel zu unwichtig und klein, um ausgespäht zu werden. Eine absolute Fehleinschätzung, wie der jüngste Bericht des Verfasssungschutzes beweist. Danach hat die Industriespionage durch ausländische Geheimdienste und Konkurrenten im letzten Jahr drastisch zugenommen. Dabei seien die technologisch gut gerüsteten Industrieländer vor allem an wirtschaftspolitischen Strategien, technisch rückständige Länder an konkreten Projektinformationen und Forschungsergebnissen interessiert. Letztere sind natürlich auch aus den Datenbanken mittelständisch geprägter Maschinenbau-, Chemie- oder Nahrungsmittel-Unternehmen herauszulesen. Gerade Mittelständler müssen deswegen ein größeres Sicherheitsbewusstsein entwickeln, ihre Systeme besser abschirmen und ihre Mitarbeiter in Sachen Security sensibilisieren. Das mag gutgläubigen Zeitgenossen übertrieben erscheinen, doch spätestens wenn das eigene Produkt geklont und von einer chinesischen Firma via Internet den eigenen Kunden zu einem Bruchteil des Preises angeboten wird, beginnt das große Haareraufen. Also merke: Eine ausgeprägte Paranoia ist für das eigene Unternehmen allemal gesünder als eine entspannte Haltung - mit der man leicht das Opfer von Spionage wird.

Weitere Meinungsbeiträge und kurze Analysen zu aktuellen Themen finden sich im Blog des Autors