Verfassungsbeschwerde gegen die DirRufVO?

01.08.1975

Von Dr. K. Rihaczek

Exklusiv für Cw

Sechs Firmen haben Verfassungsbeschwerde gegen die Direktrufverordnung des Bundespostministeriums eingelegt. Das heißt, daß sie sich durch einige der Bestimmungen in ihren Grundrechten beeinträchtigt fühlen. Die Direktrufverordnung wurde vornehmlich aus zwei Gründen erlassen.

- die Post durfte laut Fernmeldeanlagengesetz von 1928 private Fernmeldeanlagen nur als Ausnahme von der Regel genehmigen. Die Ausnahme war aber durch die Bedürfnisse der Datenfernverarbeitung zur Regel geworden. Die neue Verordnung soll die neue Regel rechtlich absichern.

- Die Post wollte ebenfalls davon profitieren, daß die Wirtschaft mit der Datenverarbeitung einen rationelleren Gebrauch der postalischen Einrichtungen macht und erhöhte mit der Verordnung bzw. auf dem Wege dahin die Gebühren. Die Verordnung hat gegenüber der Regelung vor der Datenverarbeitung für die Wirtschaft folgende Vorteile.

- Sie schafft Rechtssicherheit.

- Sie ermöglicht auch solche privaten Drahtfernmeldeanlagen, die bis dahin verboten waren.

- Sie bietet einen Rechtsboden bis zu dem Zeitpunkt, da man mit der Datenfernverarbeitung mehr Erfahrungen gesammelt haben wird, um ein der Datenübertragung gerechteres neues Netz zu implementieren und ein Gesetz erarbeiten zu können, das die datenverarbeitungsblinden Bestimmungen des FAG von 1928 ablöst.

Die Nachteile:

- Die Kosten haben sich erhöht.

- Die Post hat ihr Monopol definiert und die Zuzatzeinrichtungen (vornehmlich die Modems) dem freien Wirtschaftswettbewerb weitgehend entzogen.

- Eine heute bereits überholte Technologie ist eingefroren worden.

Inwieweit diese Nachteile zur Beeinträchtigung von Grundrechten nach dem Grundgesetz führen, müßte nun vom Bundesverfassungsgericht beurteilt werden.

Das Gericht kann sich z. B. mit der Frage beschäftigen, warum ein Gesetz (das FAG) unter rufung auf die Fernmeldehoheit des Bundes (also auf das Grundgesetz) zuhächst sot ausgelegt werden konnte, daß man private Drahtfernmeldeanlagen von mehreren beteiligten Rechtspersonen für ungesetzlich hielt und nun die gleichen Anlagen unter neuem Namen sogar als Dienstleistung anbietet. Was, wenn das Gericht sich der ursprünglichen Auslegung anschileßt? Es ist denkbar, daß sein Urteil Beklagte wie auch die Kläger selber trifft.

Zumindest würde ein solches Urteil wohl die Rechtssicherheit und damit die Planungssicherheit für die Wirtschaft verringern. Man muß sich fragen, ob man das in Kauf nehmen will, wenn es ohnedies nur um ein Provisorium geht, ob nicht auch die Kläger mit dem Postministerium und mit der Post reden statt streiten sollten, damit nach Ablauf des Provisoriums für die Datenfernverarbeitung ein zeitgemäßes Gesetz da ist.

Dr. K. Rihaczek ist Manager Marketing Staff bei der Control Data Corp., Frankfurt