Kampagne gegen Palm zieht neue Klage nach sich

Verfahren gegen Microsoft birgt Überraschungen

02.03.2001
MÜNCHEN (CW) - Wider Erwarten wird es im Kartellrechtsstreit des US-Justizministeriums und von 17 US-Bundesstaaten gegen Microsoft doch unterhaltsam.

Entgegen allen Voraussagen, nach dem Regierungswechsel in den USA würden republikanisch gesinnte Richter des Appellationsgerichts das erstinstanzliche Urteil gegen Microsoft schnell aufheben, geben sich nun die Bush-Getreuen Microsoft-kritisch. Ausgerechnet der zur demokratischen Partei gehörende vorsitzende Richter Harry Edwards legt aber den Microsoft-Gegnern Daumenschrauben an. Derweil schafft es der Softwaregigant durch tölpelhafte Fehler beim Umgang mit der Konkurrenz, sich selbst schlechte Karten zuzumischen.

Eigentlich stehen die Chancen für Microsoft gar nicht so schlecht, die durch das erstinstanzliche Urteil von Richter Thomas Jackson angedrohte Teilung abzuwenden. Edwards als vorsitzender Richter des Berufungsverfahrens nahm die Anwälte der klageführenden Justizbehörde und der 17 Bundesstaaten wegen ihres Vorwurfs, Microsoft habe sein Monopol missbraucht, gehörig in den Schwitzkasten. Edwards gehört der demokratischen Partei an und wurde seinerzeit vom demokratischen Präsidenten Jimmy Carter als Richter ernannt. Das hindert ihn aber nun nicht, die Klageführer immer wieder mit der Frage zu bedrängen, warum sie glauben, Microsoft habe seine marktbeherrschende Position auf dem Markt der PC-Betriebssysteme und Office-Anwendungen rechtswidrig gebraucht - mit dieser Argumentation steht und fällt im Wesentlichen die Klage gegen den Softwarekonzern.

Edwards argumentierte am ersten Anhörungstag des Berufungsverfahrens, er könne bei Durchsicht der Akten nicht feststellen, dass Microsoft und Netscape direkte Konkurrenten seien. Schon aus diesem Grund lasse sich ein wettbewerbswidriges Verhalten von Microsoft gegenüber dem jetzt zu AOL gehörenden Unternehmen Netscape nicht konstruieren. Genau dies ist jedoch einer der wesentlichen Vorwürfe der Klageparteien gegen die Gates-Company.

Edwards grillte den Rechtsvertreter des US-Justizministeriums, Jeffrey Minear, mit einem bildlichen Vergleich Netscapes als einem Lebensmittelladen. Microsoft habe jedes Recht, solch einen Lebensmittelladen mit legalen Mitteln aus dem Markt zu katapultieren. Begründung: Microsoft sei in dieser Branche nicht tätig, besitze hier also auch kein Monopol. "Was macht das schon für einen Unterschied, wenn wir es mit einem paranoiden Monopolisten zu tun haben, der auf alles schießt, was sich bewegt, egal, ob das Zielobjekt ganz grundsätzlich lebensfähig ist oder nicht?"

Wenn nicht Microsoft, dann ist jemand anderer MonopolistEdwards fuhr fort mit der Frage an Minear, was nach dessen Verständnis denn ein idealer Markt sei. Wenn Microsoft im Browser- oder Betriebssystem-Markt verdrängt würde, dann doch wohl nur durch einen anderen Monopolisten.

Interessanterweise waren es die vier der republikanischen Partei angehörenden Richter des Berufungsverfahrens, die während der ersten Anhörung schwere Geschütze gegen Microsoft auffuhren: Überraschend stellte gerade David Sentelle, der als konservativster der sieben Richter des Appellationsgerichts eingeschätzt wird, Microsofts Verteidigungsstrategie in Frage. Er sagte, die Verhandlungsführung des Unternehmens sei in einem ganz wesentlichen Punkt falsch: Es stelle bestimmte so genannte Tatfragen (points of fact) dar, als handle es sich hierbei um Rechtsfragen (points of law).

Diese Unterscheidung ist für den Prozess gegen Microsoft von ausschlaggebender Bedeutung: Ein Berufungsgericht kann Rechtsfragen "de novo", also ganz neu in das Verfahren einführen - was völlig im Sinne der Gates-Company wäre. Tatfragen hingegen dürfen nur dann vor dem Appellationsgericht neu eingebracht werden, wenn nachgewiesen wird, dass der Richter des erstinstanzlichen Verfahrens "ganz eindeutig irrige" Sachverhalte und Meinungen vertreten habe. Das zu belegen dürfte Microsoft sehr schwer fallen.

Derweil hat Microsoft wieder tatkräftig dafür gesorgt, sein Image vom bösen Monopolisten zu festigen, der jeden noch so halbseidenen Trick benutzt, um Konkurrenten auszuhebeln. Die US-Kartellrechtsbehörde Federal Trade Commission (FTC) reibt sich erheblich an einer Anzeigenkampagne in verschiedenen Zeitungen und Magazinen, die Microsoft im vergangenen Jahr gegen Palm Inc. anzettelte. Darin fragt der Softwarekonzern etwas zu selbstbewusst: "Kann Ihr Palm das auch?"

Abgebildet ist ein Handheld von Hewlett-Packard, der mit einer abgespeckten Windows-Version, Windows CE, arbeitet. In der Anzeige werden Palmtops, die mit diesem Betriebssystem laufen, wegen ihrer drahtlosen Kommunikationsfähigkeiten über den grünen Klee gelobt. Im fast nicht mehr lesbaren Kleingedruckten weist Microsoft allerdings darauf hin, dass diese Leistungsoptionen nur dann genutzt werden können, wenn der Anwender solcher Geräte für gesondert zu zahlende Zusatzausrüstung noch kräftig in die Tasche greift. Ohne diese notwendige zusätzliche Ausstaffierung können die Talente der Kleinstrechner überhaupt nicht genutzt werden. Demzufolge hat Microsoft in seiner Kampagne auf unlautere Weise Äpfel und Birnen verglichen. In einem Rechtsverfahren, das das FTC jetzt unabhängig vom laufenden Kartellrechtsprozess gegen Microsoft anstrengt, reklamiert die Wettbewerbsbehörde, Microsoft habe potenzielle Käufer schlicht und einfach in betrügerischer Absicht getäuscht.

Böse Folgen für MicrosoftFür die Gates-Company kann dieses neue Verfahren böse Folgen haben. Denn schon einmal musste sich das Unternehmen vor Gericht wegen eines ähnlichen Fehlverhaltens verantworten: Erst fünf Monate ist es her, dass Microsoft sich auf einen Vergleich wegen falscher Versprechungen in einer Anzeigenkampagne einlassen musste. Die FTC hatte geklagt, die Gates-Company habe bei der Bewerbung ihres "Web-TV"-Service die Kosten unterschlagen, die Benutzern durch zusätzliche Telefongebühren entstehen. Außerdem habe Microsoft Interessierten vorgegaukelt, mit Web-TV hätten sie Zugriff auf das komplette Internet - eine falsche Aussage.