Zukünftige Aspekte der DV in der mittelständischen Bauwirtschaft:

Verbundsystem soll Softwareschwäche ausgleichen

06.10.1978

Gemessen an der Zahl der Erwerbstätigen und am Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt, ist die bauausführende Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland der größte Wirtschaftszweig. Um so überraschender ist es, festzustellen, daß die Nutzung der EDV bei Bauunternehmungen geringer erfolgt als in anderen Wirtschaftszweigen. Worin ist die Begründung für diesen Sachverhalt zu suchen?

In der BRD existieren zirka 58 000 Baubetriebe. Von diesen Unternehmen beschäftigen 1,2 Prozent mehr als 200 Mitarbeiter. Damit sind 98,8 Prozent aller Bauunternehmungen den Klein- und Mittelbetrieben zuzurechnen. In diesem Zusammenhang ist zu vermerken, daß 91 Prozent aller Betriebe weniger als 50 Mitarbeiter beschäftigen. Diese Zahlen zeigen, daß die Bauwirtschaft ein überwiegend aus kleinen und mittleren Betrieben strukturierter Wirtschaftszweig ist.

Für die kleinen und mittleren Bauunternehmen war die Anwendung der EDV - insbesondere der Besitz einer eigenen Anlage - in der Vergangenheit mit relativ hohen finanziellen Aufwendungen verbunden. Für sie bot sich in Grenzen die Alternative, die Serviceleistungen der Rechenzentren in Anspruch zu nehmen. Es ergab sich allerdings das Problem, daß nur wenige Baurechenzentren in der Bundesrepublik bestehen und bestenfalls Teillösungen für die Bauunternehmen anboten.

"Es existieren nur Teillösungen"

Die heutige Situation ist dadurch gekennzeichnet, daß die Computerhersteller den kleinen und mittleren Bauunternehmungen relativ preisgünstige Rechenanlagen anbieten. Es ist daher nicht verwunderlich, daß sich auch Bauunternehmer zunehmend mit dem Gedanken beschäftigen, eine eigene Anlage zu erwerben. Dabei sollte als wichtigstes Kriterium für die Datenverarbeitung im eigenen Haus nicht allein der Besitz der Anlage an sich stehen, sondern auch das Vorhandensein von geeigneten Programmen für die Lösung bauspezifischer Probleme. Es existiert eine Anzahl von Programmen am Markt, die meist auch nur Teillösungen für einzelne Unternehmensbereiche darstellen. Außerdem können die angebotenen Programme nicht auf jeder beliebigen Anlage ablaufen, sondern sie sind vielmehr auf einzelne Fabrikate und hier wiederum auf bestimmte Computertypen zugeschnitten. Andererseits ist die Entwicklung von fehlenden Programmen für die jeweilige Anlage dem Klein- und Mittelbetrieb aus Kostengründen nicht zuzumuten.

Bauabrechnungen reglementiert

Hier spätestens stellt sich die Frage wie der Bauunternehmer die Datenverarbeitung in eigenem Haus sinnvoll und kostengünstig in Zukunft einsetzen kann, zumal es ihm heute aus den verschiedensten Gründen zu empfehlen ist. Die öffentliche Hand verlangt teilweise die Ermittlung des Aufmaßes und der Abrechnung nach den Richtlinien der elektronischen Bauabrechnung (REB). Dies kann mit Hilfe der EDV vorschriftsgemäß, zeitsparend und korrekt durchgeführt werden. Weitere Regelungen existieren, um die anfallenden Datenmengen sachgerecht zu verarbeiten Durch diese Vorschriften sind die Bauabrechnungen reglementiert und werden dies in Zukunft in noch größerem Umfang sein, zumal an weiteren Verfahrensbeschreibungen durch den Gemeinsamen Ausschuß Elektronik im Bauwesen (GAEB) gearbeitet wird.

Zunehmende Bedeutung erlangt der Datenaustausch mit Hilfe der EDV. Er erfolgt heute bereits mit Banken, Kassen, Ämtern und Behörden Ferner wird ein zunehmender Datenaustausch zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber bei der Abwicklung von Bauvorhaben geplant. Hierbei schneiden Daten des Auftraggebers den Datenkreis des Auftragnehmers, zumindest bei der Ausschreibung und Vergabe sowie bei der Abrechnung (AVA). Dieser Datenträgeraustausch ist in Abbildung 1 dargestellt.

Höherer Informationsgrad

Selbstverständlich sind bei der Entscheidung für die EDV, die bisher bekannten Vorteile nicht unberücksichtigt zu lassen. Sie liegen in der Hilfe durch die EDV bei Planung, Durchführung und Kontrolle von Bauprojekten sowie in dem höheren Grad an Information für den Bauunternehmer hinsichtlich des Nutzengewinns und der Kostenersparnis in bezug auf zeit- und arbeitsaufwendige, regelmäßig anfallende betriebliche Tätigkeiten.

Wie aber ist den Bauunternehmen heute zu helfen? Auf der einen Seite: holte Kosten für die Entwicklung beziehungsweise den Kauf der fehlenden Bau-Software, auf der anderen Seite: Bewältigung der in zunehmenden Maße, letztlich auch durch Gesetzes- und Tarifbestimmungen anfallenden Datenmengen, die nur mit Hilfe der EDV rationell bearbeitet werden können. Eine Lösung dieses Problems strebt eine sich derzeit in den Abschlußarbeiten befindliche Untersuchung des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, Bonn, an.

Regionale Leistungszentren

Es existieren heute keine befriedigenden und das gesamte Anwendungsspektrum abdeckenden EDV-Angebote im Bauwesen. Dies gilt auch für Leistungen der Rechenzentren. Aus diesem Grunde kommt die Studie zu dem Ergebnis, daß regionale Leistungszentren zu gründen sind, die einen Fullservice hinsichtlich der Lösung von EDV-Problemen im Baubereich anbieten. Die Zentren sollen in Anlehnung an die Verbände, Kammern, Innungen etc. gegründet werden. Sie besitzen Großrechner, auf denen die Anwender ihre Probleme wie bisher außer Haus bearbeiten lassen können. Ferner werden wirtschaftlich vertretbare Lösungen angeboten, bei denen die kleinen und mittleren Bauunternehmungen durch Datenendstationen über die Datenfernübertragung mit dem Leistungszentrum verbunden sind. Hierbei ist daran gedacht, auch mit intelligenten Terminals zu arbeiten, so daß beispielsweise die Kalkulation, welche zur "Intimsphäre" der Unternehmung gehört, im Haus erstellt wird und andere Bereiche im Leistungszentrum gerechnet werden. Unternehmen, die eine eigene autonome Anlage benutzen wollen, unabhängig vom Großrechner, wird die modular aufgebaute Software angeboten.

Von der Orgware bis zur Hardware

Die Leistungszentren haben die Aufgabe, eine Betreuung von der Orgware bis hin zur Hardware zu übernehmen. Aufgabengebiete sind beispielsweise die Beratung der Anwender bei der DV-Einführung und -Durchführung, Entwicklung und Pflege der Software, Betreuung und Wartung der Hardware, Übernahme des Vertriebs sowie Organisation des gesamten Ablaufs.

Das Verbundsystem umfaßt damit drei verschiedene Teilbereiche: Hardware-Verbund, Software-Verbund und Verbundorganisation. In der Studie werden Komponenten wie die der Wirtschaftlichkeit, der Programmentwicklung, der Wartung etc. angesprochen. Zu Beginn der Untersuchung erfolgte eine Umfrage bei Hardware-Herstellern, Rechenzentren und Bauunternehmungen. Es sollten vorhandene Produkte und Serviceleistungen auf dem EDV-Markt, die für die Bauwirtschaft geeignet erscheinen, festgestellt werden, um sie den Anforderungen der Bauunternehmungen gegenüberzustellen. Die eingangs geschilderte Problematik wurde durch diese Umfrage bestätigt. Damit die Untersuchung nicht nur in der Theorie und bei der Empfehlung endet, wurde vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes ein Forschungsantrag zur Realisierung der aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten der Studie Bauverbund gestellt. Die Antragstellung erfolgte bei der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung als Projektträger des Bundesministeriums für Forschung und Technologie.

Schrittweise Einführung

In der Realisierungsphase soll mit verschieden Pilotanwendern, Software- und Hardware-Häusern, Unternehmensberatern sowie Baurechenzentren das Verbundsystem Bauverbund entwickelt werden. Bei den Pilotanwendern handelt es sich ausschließlich um kleine und mittlere Bauunternehmungen. Es ist vorgesehen, mit der Realisierung bereits Ende dieses Jahres zu beginnen. In der ersten Phase werden den Pilotanwendern intelligente Terminals zur Verfügung gestellt. Da der Verbund nicht in allen Bereichen des Bauunternehmens, wie Finanzbuchhaltung, Lohn und Gehalt, Betriebsabrechnung, gleichzeitig eingeführt werden soll - um die Bauunternehmen nicht zu überfordern -, werden sie schrittweise mit den entsprechenden DV-Lösungsmöglichkeiten vertraut gemacht. Einer sofortigen Einführung in allen Teilbereichen des Unternehmens steht zudem entgegen, daß die erforderlichen Programme heute noch nicht vollständig vorhanden sind. Hier ist es Aufgabe des Bauverbunds, entsprechende Programme zu modifizieren beziehungsweise neu zu erstellen.

Es ist beabsichtigt, zunächst die Kalkulation mit Hilfe der Datenverarbeitung bei den einzelnen Pilotanwendern einzuführen. Nach erfolgreicher Installation und Anwendung der entsprechenden Kalkulationsprogramme werden stufenweise weitere Bereiche der Bauunternehmen auf Datenverarbeitung umgestellt.

Genossenschaftlicher Charakter

Um zu gewährleisten, da: der Nutzeneffekt des Vorhabens den mittelständischen Bauunternehmungen tatsächlich auch zugute kommt und nicht nur einzelnen DV-Anbietern am Markt, übernimmt die Projektleitung wieder - wie im Fall der Vorstudie - der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes. Es ist geplant, für die Entwicklung und d... Vertrieb der vorgeschlagenen Verbundkonzeption eine Genossenschaft zu gründen. Mitglied dieser Genossenschaft könnte jedes im Verbund integrierte Bauunternehmen oder dessen Berufsvertretung werden. Durch den genossenschaftlichen Charakter des Bauverbund soll den Anwendern eine weitgehend wirtschaftliche Nutzung der DV nach Abschluß der Entwicklungsphase möglich sein. Durch eine gezielte Beratung innerhalb des Verbundes soll für das einzelne Unternehmen festgestellt werden, welches die optimale und kostengünstigste Lösung hinsichtlich der Konfiguration, Software etc. ist. Auf diesem Wege wird es in Zukunft möglich sein, daß auch mittelständische Bauunternehmen die neue Technologie ökonomisch sinnvoll nutzen können.

Edgar Leonhardt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung EDV und Informatik des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes.