Verbraucherbank-Kunden schreiben Überweisungen per Bildschirmtext "Mit der Maschinenpistole im Trojanischen Krieg"

12.06.1981

HAMBURG - Er nutzt die Möglichkeiten der modernen Computer- und Bildschirmtext-Technik wie kein zweiter Bankier auf der Welt, der "Verbraucherbank"-Chef und passionierte Cello-Spieler Alfred Richter. Manchmal überwältigt es ihn selber, wie weit er sich vom zaghaft-schrittweise automatisierenden Gros der Branchenkollegen bereits entfernt hat: "Dann komme ich mir manchmal vor wie mit einer Maschinenpistole im Trojanischen Krieg!" Doch verhält Richters automatisierte Selbstbedienungs-Bank sich wirklich zur Computerei der Banken-Konkurrenz wie eine moderne Handfeuerwaffe zu Keule und Speer?

Wenn Richters Kunden in den beiden Bildschirmtext-Versuchsgebieten Düsseldorf und Berlin heute bereits Überweisungsaufträge per Knopfdruck am heimischen Fernseher erledigen können- zu jeder Tages- und Nachtzeit, versteht sich -, so ist das nur die konsequente Weiterentwicklung des auch so schon revolutionären SB-Bankkonzepts, das Richters Verbraucherbank bereits seit 1977 mit großem Erfolg (und stattlichen Vorteilen für die Konteninhaber) vorführt. Um was geht es dabei im einzelnen?

86 Prozent in Selbstbedienung

1977 schon versah Richter seine Zweigstellen mit Computerterminals, an denen seine Kunden sich erstens die Kontenbewegungen der letzten Wochen anschauen können, die zweitens Bargeld ausgeben, mit denen man drittens Überweisungen "schreiben" und sogar Dauerauftrage erteilen und ändern kann und die ferner auch einen allgemeinen Statusüberblick (wie hoch sind zur Zeit die Zinsen etc.?) geben. Dazu braucht der Kunde bloß seine magnetstreifencodierte "Bankkarte" einzustecken und seine Kontonummer und eine geheime (am Bildschirm nicht angezeigte) Kennnummer einzugeben. In manchen Fallen sind dazu auch noch "Paßwörter" anzugeben, die, mit dreimal maximal zehn Zeichen Lange, noch eine besondere Sicherheitsstufe ergeben. Letztere kann der Kunde übrigens selber am Terminal jederzeit ändern.

Dieses SB-Kontenführungsverfahren kam vor allem bei jüngeren, technischen Neuheiten gegenüber aufgeschlossenen Interessenten bestens an, zumal für SB-Transaktionen (Kontenbewegungen) keine Gebühren erhoben werden und die laufenden Konten überdies, bei voller Einlagensicherheit, besser als so manches Sparkonto - so etwas gibt's bei Richter nicht mehr - verzinst werden. Allein 1980 stießen 30 000 neue Kunden zu Richters Verbraucherbank (1979 gab es "nur" 12 000 Zugänge) - Zahlen deren Bedeutung erst die Gesamtschau klar macht: der Gesamtbestand an Konten beträgt heute gut 45 000 das heißt also, erst nach Einführung des SB-Prinzips begann das Geschäft (auf der Einlegerseite) so richtig zu blühen.

Richters Computer (eine IBM 370/ 135, eine 4341 ist bestellt) registrierte in lezter Zeit, daß etwa 86 Prozent aller Transaktionen im SB-Verfahren abgewickelt werden und davon wiederum mehr als 60 Prozent außerhalb der Geschäftsstunden: der Rund-um-die-Uhr-Service wird also tatsächlich rund um die Uhr genutzt; allenfalls "Sonntags zwischen zwei und fünf" macht Richters computerfreudige Klientel mal Pause.

Überraschend oft wird das System übrigens an den Wochenenden frequentiert, beobachtete Richter, und nebenbei: bei etwa 330 000 Verfügungen pro Monat gab es seit 1976 noch keine einzige unberechtigte Verfügung, unterstreicht Richter die Sicherheit seines Systems.

Die Sicherheit garantieren übrigens auch Schutzvorkehrungen wie die, daß ein Konto automatisch gesperrt wird, wird binnen einem Monat mehr als dreimal versucht, mit einer falschen Kennummer zu arbeiten - oder öfter als fünfmal mit einem falschen Paßwort.

Dieses offenbar bestens bewährte und von den Kunden verblüffend gut angenommene System offeriert Richter nun auch jedem, der (heute erst in den Versuchsgebieten Düsseldorf und Berlin) über einen Bildschirmtextanschluß (BTX) verfügt. Schon heute sammeln der Bank-Chef und sein langjähriger EDV-Leiter Peter Köhn Erfahrungen mit 2000 BTX-Kunden und schon heute läßt sich dabei absehen, daß BTX die Einrichtung weiterer, kostenintensiver Zweigstellen überflüssig machen dürfte.

Im Grunde geht der SB-Geldverkehr per BTX genauso über die Bühne wie mit den fest installierten Datasaab-Terminals ("diese Modelle wurden von unseren Kunden besonders gut aufgenommen"): man schaltet sich über BTX an Richters hauseigenen Computer und kann dann wahlweise eine Reihe allgemeiner Informationen über die Bank, ihr Dienstleistungsangebot und die einzelnen Konten- und Kreditkonditionen abrufen oder gleich zur aktiven SB-Kontenbedienung übergehen. Dann erscheint ein Menü von Möglichkeiten, des vom Kontoauszug über die Änderung eines Dauerauftrags bis hin zur Änderung eines Paßworts reicht.

Zur Steuerung fast aller Funktionen, also beispielsweise zum Ausfüllen eines fest gespeicherten Überweisungsauftrags mit jeweils den aktuellen Summen genügt dabei die gewöhnliche BTX-Steuertastatur ohne Alphazeichen. Nur wenn man etwa ein neues Paßwort eingeben oder eine individuelle Überweisung mit speziellem Text neu ausfüllen will, benötigt man eine separate, alphanumerische Tastatur, die den Kunden für etwa 300 Mark angeboten werden soll.

Interessant an dieser Erweiterung des SB-Verfahrens, bei der der Kunde (mit Zusatztastatur) sogar elektronische Briefe an die Bank schreiben kann, ist das zusätzliche Sicherheitselement der "Transaktionszahlen". Das sind zehnstellige, von der Bank nach dem Zufallsprinzip ermittelte und den einzelnen Kunden individuell zugeteilte Zahlen, die bei allen am BTX-Apparat veranlaßten Geldbewegungen zusätzlich zu Kontonummer, Kennummer und Paßwort/-wörtern eingegeben werden müssen; pro Transaktion jeweils eine, die fortan "verfallen" ist. Der Kunde muß sich also von Zeit zu Zeit von der Bank neue Transaktionszahlen geben lassen.

Bei der Vorführung im Hamburger Domizil der Verbraucherbank fällt auf, daß Richters hauseigener Computer auf alle Eingaben am Terminal umgehend antwortet, während bei Bedienung über den BTX-Anschluß immer wieder kleine Wartepausen anfallen: der Post-BTX-Rechner braucht also manchmal etwas Zeit, ehe er die Verbindung erneut durchschaltet. Aber noch läuft die ganze Sache ja auch erst im Versuchsbetrieb.

Wenn's um Geld geht, interessiert natürlich besonders die Frage der Sicherheit. Richter hebt, auf diesen Punkt eigens angesprochen, neben den oben schon erläuterten Schutzvorkehrungen (Kodewörter etc.) hervor, daß ja gerade das automatisierte System die Wahrscheinlichkeit eines Bruchs des Bankgeheimnisses durch redselige Mitarbeiter verringere, außerdem sei eine psychologisch interessante Nebenwirkung des Computers zu bedenken - nämlich die, daß der Kunde durch die Automaten jetzt jederzeit gewissermaßen "wie durch ein Fenster" in sein Konto hineinschauen könne, also "sein Geld" stets im Blick habe, ohne sich an irgendwelche Auskunftspersonen wenden zu müssen. - Punkte, an die man als reiner Computer zunächst gar nicht denken würde, die im psychologisch empfindlichen Zusammenspiel einer Bank mit ihren Kunden nach Richters Erfahrung aber sehr wohl eine Rolle spielen.

Zumindest der ganz spezifische dem Neuen gegenüber aufgeschlossene Kundenkreis der Verbraucherbank scheint also den SB-Umgang mit dem Konto vielfach dem bisherigen, persönlichen Gespräch am Bankschalter vorzuziehen (was übrigens ein bezeichnendes Licht auf das beliebte Schlagwort von der "seelenlosen Maschine" wirft), und auch der Umgang mit Steuerzeichen-Tasten und Kennziffern beim BTX-Computerdialog scheint offensichtlich keinerlei Probleme aufzuwerfen. Eine Beobachtung, die auch die modische Forderung, Computer sollten später einmal direkt auf gewöhnlichen Text, vielleicht gar unmittelbar auf die gewöhnliche Rede (Spracheingabe) reagieren können, relativiert: zu gewissen Anpassungen an einen Automaten ist der Mensch offenbar durchaus freiwillig bereit; schließlich verlangt ja auch niemand, das Auto müsse 6 Kommandos wie "links!" und "rechts!" hören können.