SiemensFujitsu-Anwender zwischen Verständnis und Verärgerung:

Venture mit BASF schafft Siemens Probleme

19.09.1986

MÜNCHEN - Nicht alle Anwender von Siemens-PCM-Rechnern der Baureihe 7.800 zeigen Verständnis für die zurückhaltende Informationspolitik des Münchner Konzerns. Schon gibt es Unternehmen, die, der Unsicherheit bezüglich des erwarteten Schwenks zu Hitachi überdrüssig, gebrauchte IBM-Anlagen als kostengünstige Alternative erkannt haben.

Die Verhandlungen zwischen den deutschen Multis BASF und Siemens ziehen sich hin. Zwar sind sich beide Konzerne einig geworden, daß sie ihre PCM-Aktivitäten in eine gemeinsame Tochter auslagern wollen, doch das Wie ist nach wie vor offen.

Noch sind alle Informationen sehr allgemein gehalten; man könne schließlich nicht über Einzelheiten reden, die noch gar nicht ausgehandelt seien. Zu diesen "Einzelheiten" gehören etwa die Mehrheitsverhältnisse in dem Joint-venture. Laut "Spiegel" werden sich beide je zur Hälfte beteiligen; anderen Quelle zufolge strebt die BASF die Mehrheit an. Doch keiner der beiden bestätigt oder dementiert eine der Meldungen.

Mehr Klarheit als über Siemens' Pläne herrscht inzwischen über die der BASF. So wollen die Ludwigshafener sämtliche DV-Aktivitäten unter das neue Dach bringen - mit Ausnahme der Datenträger. Doch auch auf diesem bisher als profitabel geltenden Sektor steht der Chemieriese mit dem Rücken an der Wand. Berichte über mangelhafte Verarbeitung des Chromdioxid-Materials - von den Videokassetten, die bei der Stiftung Warentest schlecht wegkamen, über Floppys bis zu DV-Magnetbändern - haben der Konkurrenz die Kunden in die Arme getrieben. Die Produktion von Diskettenlaufwerken hat die BASF längst ein gestellt, und die 20-MB-Winchesters fertigt heute Sinotechnic/Singapur in deutschem Auftrag. Nur noch ein Typ von 5,25-Zoll-Laufwerken wird im badischen Willstätt produziert. Bei der Mannheimer Tochter, deren Gründung für den 1. Januar 1987 erwartet wird, soll ein neues Management das Steuer herumreißen.

Der Siemens-Beitrag zu dem Gemeinschaftsunternehmen besteht nach heutigem Informationsstand vor allem aus dem 7800-Kundenstamm, wobei Siemens-Sprecher wie schon im Frühjahr von 26 Anwendern reden; die Zahl der installierten Zentraleinheiten wird im Markt auf etwa 40 geschätzt. Die betroffenen Kunden seien über alles Notwendige informiert worden und könnten daher nicht verunsichert sein, schwören die Öffentlichkeitsarbeiter. Doch was offiziell aus der Zentrale des Geschäftsbereichs Kommunikations- und Datentechnik verlautet, deckt sich nicht mit der Realität. Aus zuverlässigen Quellen ist zu hören, daß mehrere Anwender in nächster Zeit Siemens-Rechner gegen andere Anlagen austauschen wollen. Mindestens einer von ihnen begründet diese Absicht mit den mangelhaften Informationen aus München-Neuperlach. Da zur Zeit sehr preiswerte Gebrauchtsysteme der IBM-Baureihe 308X angeboten würden, gebe es ja eine gute Alternative, meint dieser DV-Chef, der bislang nichts Schriftliches von Siemens in der Hand hat.

Auch bei anderen Anwendern aus der MVS-Welt ist freilich die Nachfrage nach Fujitsu-Maschinen nicht gestiegen. Äußerungen des zuständigen Siemens-Vertriebschefs Datentechnik, Helmfrid Fülling, auf der Hannover-Messe hatten schon vor einem halben Jahr darauf schließen lassen, daß das Interesse der Münchner am PCM-Markt stark abgeflaut ist. Doch laut Karlheinz Schmidt-Roepke, Vertriebsbereichsleiter Kompatible Systeme, entwickelt sich der Absatz der 7800-Reihe "nach Plan". Zudem arbeite der Konzern nicht nur bei den PCM-Maschinen mit dem japanischen Partner zusammen.

Auf Mutmaßungen des "Spiegel", Siemens betrachte sein Engagement in Mannheim nur als vorübergehend, sprich: bis so viele Kunden wie möglich Hitachi-minded gemacht worden sind, wolle er nicht eingehen, sagte ein Unternehmenssprecher. Reine Spekulationen dementiere Siemens nicht. Mit der gleichen Begründung wich der Pressereferent der Frage nach dem Betrag aus, den Siemens in das Kapital der Tochter einbringen wolle. Das Hamburger Nachrichtenmagazin hatte die Summe sehr vorsichtig auf "einen dreistelligen Millionenbetrag" taxiert, während Insider davon ausgehen, daß damit nicht unbedingt 100 Millionen Mark gemeint sind.

Ein Dementi ist für die meisten der 7800-Kunden in der Tat überflüssig. Sie setzen längst das Original-MVS von IBM ein und würden, wie sie sagen, jede Hardware einsetzen, die problemlos mit dem Betriebssystem läuft. Und in puncto Wartung lägen ihnen langfristige Zusicherungen von Siemens vor, so daß die Systemwechsel-Problematik sie derzeit nicht interessiere.