Existenzgründungen am Standort Deutschland (Teil 1)

Venture-Capital als Starthilfe für junge Unternehmen

20.09.1996

Stimmts oder stimmts nicht? Die Rede ist von der landläufigen Behauptung, Deutschland verschlafe seine High-Tech-Zukunft, weil junge Unternehmer keine Risikobereitschaft zeigen und wenn doch, nicht genügend Risikokapital zur Verfügung haben. Die FhG drehte schon vor einigen Monaten öffentlich den Spieß um und fragte: Warum sind Banken und andere Geldgeber hierzulande so zurückhaltend bei der Finanzierung von neuen innovativen Unternehmen? Die Antwort war nicht unbedingt neu: Einerseits stehen bei der Finanzierung von Innovationen durch Kapitalgeber dem Risiko hoher Verluste nur beschränkte Aussichten auf überdurchschnittliche Rendite gegenüber - andererseits verfügt man hierzulande immer noch über zu wenig Kompetenz, um neue Technologien und deren Marktchancen zu beurteilen.

Gleichzeitig räumte die FhG jedoch mit dem Vorurteil auf, es fließe generell zuwenig Geld in zukunftsorientierte Branchen. Grundlegende Entwicklungen bis hin zum Prototypenbau würden hinlänglich durch die öffentliche Forschungsförderung unterstützt. Doch beim nächsten Schritt - der schnellen Umsetzung in ein marktfähiges Produkt und dessen Einführung in den Markt - fällt Deutschland im internationalen Wettbewerb entscheidend zurück, heißt es bei der FhG.

Kardinalproblem bleibt dabei die Finanzierung der Markteinführung eines Produkts, für die die Firmen wesentlich mehr Kapital als für Forschung und Entwicklung benötigen. Nach Angaben von FhG- Präsident Hans-Jürgen Warnecke ist hier als zunächst branchenunabhängige Faustregel mit Kostensprüngen von 1 zu 10 zu 100 (vom Patent zum Prototyp zur Nullserie) zu rechnen. Konsequenz: Gerade für junge Unternehmen war die Suche nach Geldgebern oft schwieriger als die Entwicklung eines Produkts. Erst recht, als aufstrebende High-Tech-Companies bis vor kurzem vor nahezu unüberwindbaren Schwierigkeiten standen, die klassischen Kriterien der Finanzwirtschaft für eine Kreditvergabe zu erfüllen.

Um so mehr sei daher die Initiative einiger Banken zu begrüßen, in Zukunft für innovative und aller Voraussicht nach wachstumsstarke Firmen die Bereitstellung von Kapital sowohl in Form von Beteiligungen als auch durch die unbürokratische Vergabe von Krediten zu erleichtern.

Dabei geht es laut FhG vor allem darum, die "time-to-market"- Fähigkeit der deutschen Wirtschaft zu verbessern. Gefragt seien Anstrengungen, die die Lücken zwischen der Grundlagenforschung und dem letztlich wettbewerbsfähigen Produkt schließen können - ohne den Hilferuf nach öffentlichen Geldern, sondern allein auf privatwirtschaftlicher Basis, wie betont wird.

Die FhG-Tochter Fraunhofer-Management GmbH hat zu diesem Zweck erst kürzlich mit diversen Banken eine Reihe von Projekten vereinbart. Dabei handelt es sich zum einen um sogenannte "Technologie- und Marktgutachten für innovative Vorhaben" für den Deutschen Sparkassen- und Giroverband, zum anderen um die "individuelle Begutachtung des Technologiepotentials von Beteilungsinteressenten" für die Deutsche Gesellschaft für Innovationsbeteiligungen mbH (DGIB). Ferner arbeitet man auch mit der Deutschen Bank im Hinblick auf die "individuelle Begutachtung von Innovationsvorhaben mittelständischer Technologieunternehmen" zusammen.

Daß indes selbst bei einer gesicherten Finanzierung nicht alles Gold ist, was glänzt, gibt man bei der in Bonn ansässigen tbg zu bedenken. Die 1989 gegründete Tochter der bundeseigenen Deutschen Ausgleichsbank (DtA), die durch Vermittlung staatlicher stiller Beteiligungen bisher rund 150 Firmen in Deutschland entscheidende Starthilfe geben konnte, räumte in einer kürzlich veröffentlichten Studie mit einer Reihe von Vorurteilen auf.

In den meisten Fällen fehle es jungen Technologieunternehmen nicht nur am Eigenkapital, sondern auch an der nötigen Management- Erfahrung, heißt es da. Wo es zum Engagement "fremden Kapitals" komme, ergänzen daher - zumindest wenn ein erfahrener Partner im Spiel ist - die jeweiligen Beteiligungsgesellschaften auch das Management. Erfinder und Techniker mögen auf ihrem Spezialgebiet absolute Spitze sein in unternehmerischen Fragen seien sie oft blutige Anfänger, schreiben die tbg-Analysten den vielzitierten "Turnschuh-Unternehmern" ins Stammbuch. Gerade in der Startphase bestehe daher erhöhter Beratungsbedarf.

Die ebenfalls bundeseigene tbg bietet in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) aufstrebenden High-Tech-companies stille Beteiligungen im Umfang bis zu drei Millionen Mark an. Voraussetzung für ein solches Engagement ist allerdings, daß sich neben der tbg ein "management-erfahrener" weiterer Partner mit einem Beitrag in mindestens der gleichen Höhe an dem jungen Unternehmen beteilige. Nur so sei letztlich, wie es in der Studie heißt, der Einsatz öffentlicher Fördermittel zu rechtfertigen. Hinzu komme, daß die staatliche tbg am nachhaltigen und langfristigen Erfolg aller Beteiligten interessiert sei, während der private Investor zum einen nur das rasche Wachstum im Auge habe, zum anderen "bloße Hoffnungswerte" ohne weitergehende Sicherheiten nicht finanziere.

Aufgrund der insgesamt positiven Erfahrungen (von den bisher mit rund 170 Millionen Mark an Beteiligungsgeldern "gesponserten" 150 Firmen meldeten bisher nur 15 Prozent Konkurs an) hat man bei der tbg mit der eingangs zitierten Behauptung, die Bundesrepublik würde die High-Tech-Zukunft verschlafen, seine Schwierigkeiten. Deutsche Erfinder und Ingenieure würden zwar weniger Patente als ihre japanischen und amerikanische Kollegen anmelden gleichzeitig werde jedoch in vielen Bereichen heute gar keine Patentanmeldung mehr angestrebt, weil dieser Prozeß entweder als zu langwierig und/ oder zu kostenintensiv erscheint oder man aber die damit verbundene Publizität scheue, heißt es. Internationale Forschungspreise zeichneten deshalb unter Umständen ein schärferes Bild von der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Landes.

Bei zwölf Prozent des tbg-Engagements handelt es sich um Neugründungen. In 30 Prozent der Fälle beteiligte sich die DtA- Tochter im ersten Jahr nach der Firmengründung, weitere 30 Prozent der geförderten Unternehmen sind nicht älter als drei Jahre. Allein 1995 schloß die Gesellschaft 80 neue Beteiligungen ab in diesem Jahr werden es aller Voraussicht nach über 100 sein. Grund genug also für die Bonner Venture-Capital-Spezialisten, einer diesbezüglichen staatlichen Förderung das Wort zu reden. Zwar stünden nach Ansicht der tbg in der Phase zwischen Unternehmensgründung und gegebenenfalls der Börsenreife genügend private Kapitalbeteiligungs-Gesellschaften ante portas. Gleichwohl würden viele hoffnungsvolle Firmenstarts mit zukunftsweisenden Ideen unterbleiben, wenn nicht von der öffentlichen Hand Risikokapital zur Verfügung gestellt werde.

Seit Beginn des vom BMBF initiierten Modellversuchs "Beteiligungskapital für kleine Technologieunternehmen" (BTU) signalisieren tbg-Angaben zufolge auch immer mehr ausländische Investoren Interesse an deutschen Beteiligungen. So flossen immerhin 40 Prozent des im Rahmen der Initiative vertraglich abgesicherten Venture-Capital-Volumens, also rund 35 Millionen Mark, aus dem Ausland auf die Konten junger deutscher High-Tech- Companies - Tendenz steigend!

Gleichzeitig räumt die tbg-Studie mit dem Vorurteil auf, daß sich mit Risikokapital kein Geld verdienen lasse: Die Gewinne von Beteiligungsgesellschaften übertreffen in der Regel die Durchschnittsrendite von Immobilien, Anleihen oder Aktien bei weitem, heißt es.

Boom bei Firmenpleiten

Die neue, durch staatliche Hilfe mitinitiierte "Gründerwelle" in Deutschland wird durch jüngste Zahlen wieder etwas gedämpft. Europas mühevoller Weg zur gemeinsamen Währung, der scharfe Tritt aller Regierungen auf die Ausgabenbremse, wird sich auch in einer Zunahme von Insolvenzen niederschlagen, heißt es in einer Analyse von Dun & Bradstreet Schimmelpfeng. Das Wirtschaftsinformations- Unternehmen sieht dabei besonders dramatische Entwicklungen in der Bundesrepublik voraus. Danach stieg die Pleitenflut in der deutschen Wirtschaft im ersten Halbjahr 1996 im gleichen Tempo wie im Vorjahr, als 22344 Konkurs anmelden mußten. Setzt sich dieser Negativ-Trend fort, müssen bis zum Jahresende aller Voraussicht nach mehr als 26000 deutsche Firmen zum Konkursgericht.

BTU-Programm

Das vom BMBF aufgelegte und von der tbg durchgeführte Programm "Beteiligungskapital für kleine Technologieunternehmen (BTU)" kann grundsätzlich von allen deutschen Firmen beantragt werden, die folgende Voraussetzungen erfüllen: Kleine Unternehmen in den alten und neuen Bundesländern dürfen maximal 50 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von zehn Millionen Mark oder eine Bilanzsumme von maximal vier Millionen Mark ausweisen. Gleichzeitig können sie höchstens zu 25 Prozent im Besitz eines anderen Unternehmens ein, daß diese Kriterien nicht erfüllt. Mittlere Unternehmen in den neuen Bundesländern und im ehemaligen Ost-Berlin dürfen die Größe von 250 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von 40 Millionen Mark beziehungsweise eine Bilanzsumme von maximal 20 Millionen Mark nicht übersteigen.

Weitere Informationen und Antragsunterlagen sind unter folgender Adresse erhältlich: Technologie-Beteiligungs-Gesellschaft mbH der Deutschen Ausgleichsbank, Ludwig-Erhard-Platz 1-3, 53170 Bonn, Telefon 0228/ 831-2290.