VDMA-Konzept zur Elektronikschrottentsorgung "Die Gemeinden sollen die alten Geraete sammeln und trennen"

01.12.1995

Von Stephan Eder*

MUENCHEN (CW) - Kernpunkte des Vorschlags der Arbeitsgemeinschaft (AG) Cycle im VDMA: Die Entsorgungskosten sind im Geraete-Neupreis enthalten. Das garantiert eine kostenlose Ruecknahme der Altgeraete. Der Knackpunkt: Die Kommunen sollen die Altgeraete auf eigene Kosten sammeln und sortieren.

Die AG Cycle, ein Zusammenschluss aus 22 Unternehmen, will damit das 1996 in Kraft tretende Kreislaufwirtschaftsgesetzt erfuellen. Dementsprechend begruesst Bundesumweltministerin Angela Merkel die Initiative als einen "wertvollen Beitrag auf dem Weg zum Recycling von Elektronikschrott". Grundlage soll eine "schlanke Rahmenverordnung" sein, in der eine geteilte Produktverantwortung von Geraeteherstellern, Verbrauchern und Verwertern festgeschrieben ist.

Die AG Cycle stellt rund 80 Prozent des Marktvolumens fuer informationstechnische Produkte in Deutschland dar. Allerdings machen IT-Geraete - vom PC bis zum Overhead-Projektor - mit 110000 Tonnen pro Jahr nur knapp zehn Prozent des derzeit anfallenden Elektronikschrotts aus. Die Hersteller weisser Ware (Kuehlschraenke etc.), so das Bundesumweltministerium, haetten aber schon Bereitschaft bekundet, dem Vorgehen von Cycle zu folgen.

Bisher funktioniert die Entsorgung von Elektronikschrott aus privaten Haushalten unterschiedlich. Mal sind die Kosten in den Abfallgebuehren enthalten, mal muss gesondert pro Geraet bezahlt werden. Das sind fuer den Letztnutzer nach Schaetzungen der AG Cycle zwischen 30 und 50 Mark pro PC (inklusive Monitor).

Cycle will Rahmengesetz mit eigenen Vorschlaegen fuellen

Fuer die ab dem Stichtag des Kreislaufwirtschaftsgesetzes verkauften IT-Produkte sieht das Cycle-Konzept fuer Privatkunden folgendes vor:

- Bei Neugeraeten ist ein vom Hersteller zu kalkulierender Entsorgungsanteil aufzuschlagen. Das ist die Ruecklage fuer die spaetere Entsorgung.

- Eine recyclingfreundliche Geraetekonstruktion hiesse geringere Demontagekosten und mehr wiederverwertbare Teile. Das senkt die Entsorgungskosten und damit den Aufschlag auf den Verkaufspreis.

- Die Altgeraete sollen ueber die Kommunen gesammelt und an etwa 100 Stellen nach Firmen sortiert werden. Fuer den Aufbau dieser Infrastruktur sind Staedte und Gemeinden verantwortlich.

- Die einzelnen Hersteller uebernehmen nach der Sortierung die Entsorgung.

- Verwertung und Entsorgung erfolgt ueber Betriebe mit einem Cycle- Guetezeichen. Cycle will bei den Verwertungstechniken nur die besseren 50 Prozent auswaehlen und baut dabei auf eine Kooperation mit der mittelstaendigen Entsorgungswirtschaft.

Den Kommunen errechnet Cycle eine Entlastung vor. Der Beigeordnete des Deutschen Landkreistages, Ralf Bleicher, betont, dass unter dem Strich auf jeden Fall eine Entlastung fuer die Gebuehrenzahler bei den staedtischen Entsorgungskosten herauskommen muss. Kritischer aeussert sich der Beigeordnete Gerd Landgraf vom Deutschen Staedte- und Gemeindebund. Zwar fordert er ebenso wie die AG Cycle, die Fehler des Dualen Systems zu vermeiden. Andererseits stellt er aber fest, "dass der Hersteller oder Importeur verpflichtet werden muss, die Entsorgung finan-ziell abzusichern". Nach dem Standpunkt des Staedte- und Gemeindebundes zur Elektronikschrott-Erfassung hiesse das, dass die IT-Hersteller unter anderem die Kosten fuer die herstellerspezifische Sortierung zu uebernehmen haetten. Just dort sieht das Cycle-Konzept jedoch die Kommunen in der Pflicht. Allerdings sind die Hersteller noch in Verhandlung mit kommunalen Spitzenverbaenden.

Den gleichen Kritikpunkt am Cycle-Konzept sieht auch Joachim Lohse, der im Namen des Europaeischen Umweltbueros in Bruessel die europaeischen Umweltverbaende im EU-Projekt "Prioritaere Abfallstroeme - Elektronikschrott" vertreten hat. "Die Sortierung nach Herstellern ist eine kostenaufwendige Dienstleistung, die auf Dauer auch nicht billiger werden wird. Das sollten sich die Kommunen von den Cycle-Mitgliedern vergueten lassen."

Waehrend Staedte und Kreise die dauerhaft kostentraechtigen Bereiche Sammlung und Sortierung uebernehmen sollten, reserviere die Industrie sich mit der Verwertung den Entsorgungspart, in dem mittelfristig eine Kostenreduktion zu erwarten sei.

Einen weiteren Schwachpunkt sieht Lohse bei der Ruecknahme im kaufmaennischen Geschaeftsverkehr. Dort sollen, so das Cycle- Konzept, vertragliche Vereinbarungen Grundlage fuer die Ruecknahme und Verwertung der Altgeraete sein. Das Prinzip funktioniert schon heute. Allerdings, so Lohse, gebe es Grauzonen vom kaufmaennischen in den Privatbereich, und das gehe immer zu Lasten der Kommunen.

Wer unterscheidet zwischen Privat- und Firmen-DV-Muell?

Zum einen haelt Lohse es fuer fraglich, ob das Kleingewerbe nicht lieber - kostenlos - als "Privatkunde" entsorgen solle, anstatt als Kaufmann zu zahlen. Ausserdem sei es ueblich, Firmenaltgeraete den Mitarbeitern zum Kauf oder umsonst anzubieten. "Fuer die Kommunen wird es sehr schwer, diese aus dem kaufmaennischen Bereich kommenden Geraete auszuklammern", so Lohse.

Einen dritten Kritikpunkt sieht er bei dem Ziel, durch das Cycle- Guetezeichen der mittelstaendischen Verwertungsindustrie eine Investitionssicherheit zu geben und andererseits qualitativ hochwertige Recyclingtechniken zu annehmbaren Preisen zu garantieren. "Der Altgeraetestrom nach dem Cycle-Modell kommt erst nach dem Jahr 2000. Bis dahin muessen die Entsorgungskapazitaeten vorhanden sein. Und dann benoetigen diese Anlagen eine sichere Auslastung. Die sehe ich nicht garantiert."

*Stephan Eder ist freier Journalist in Bonn.