VC-Investitionen in Europa sinken um ein Drittel

23.05.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nach einer Studie von Ernst & Young und Ventureone sank die Höhe der VC-Investments in Europa im ersten Quartal 2002 gegenüber dem vorangegangenen Quartal um fast ein Drittel. So wurden statt 1,75 Milliarden nur noch 1,18 Milliarden Euro in Unternehmen gesteckt. Die Zahl der zustande gekommenen Deals sank von 401 auf 259, gleichzeitig wuchs jedoch die Durchschnittshöhe der Fördergelder von zwei Millionen auf 2,4 Millionen Euro.

Die Entwicklung ist jedoch innerhalb Europas stark unterschiedlich: In Schweden betrug der Rückgang 64 Prozent, in Deutschland sank der Gesamtbetrag an VC-Geldern sogar um 76 Prozent auf 106,2 Millionen Euro. Grund für das schlechte Abschneiden hierzulande sind nach Ansicht des Marktforschers Steven Harmston von Ventureone aber untypische hohe Vergleichsdaten aus dem vorangegangenen vierten Quartal 2001: So hatte der Münchner ASP (Application-Service-Provider) Einsteinet eine Finanzspritze in Höhe von 130 Millionen Euro erhalten, daneben waren einige große Deals in der Biotechnologie-Branche zustande gekommen. Bei Betrachtung der vergangenen drei bis vier Quartale zeichne sich jedoch ein deutlicher Abwärtstrend ab.

In Frankreich dagegen stieg das Investitionsvolumen in den ersten drei Monaten des Jahres um 24 Prozent auf 242 Millionen Euro, in Großbritannien, Europas größtem VC-Markt, wurden mit 446,2 Millionen Euro zwei Prozent mehr als im vorangegangenen Quartal investiert. Laut Harmston handelt es sich bei den regionalen Unterschieden um ein relativ neues Phänomen. Seiner Ansicht nach wurde der Rückgang in Deutschland und Schweden von VC-Newcomern hervorgerufen, die während des Dotcom-Booms den Markt betraten und dann scheiterten oder ihre Tätigkeiten einstellten.

Auch die einzelnen Branchen wurden von dem Einbruch unterschiedlich stark betroffen: So gingen die Investitionen in IT-Firmen gegenüber dem vorangegangen Quartal europaweit um 42 Prozent auf 611 Millionen Euro zurück, im Vergleich zum Höchststand im zweiten Quartal 2000 schrumpfte das Investitionsvolumen um rund 80 Prozent. Die Sparte Produkte und Dienstleistungen verbuchte dagegen sogar einen leichten Zuwachs um sechs Prozent, verglichen mit dem zweiten Quartal 2000 sank das Investitionsvolumen aber um 90 Prozent.

Außerdem fanden die Verfasser der Studie heraus, dass nur noch ein Drittel der Gelder für die einstmals so beliebte Start- (Seed-)Finanzierung verwendet wurde. Grund ist die Portfoliopflege, in deren Rahmen die Risikokapitalgeber Kapital in ihre älteren Schützlinge nachschießen müssen, um weitere Totalausfälle zu vermeiden. Der Zeitpunkt einer Markterholung ist laut Ventureone schwer vorherzusagen: Die meisten VC-Firmen waren bereits im letzten Quartal der Ansicht, dass die Talsohle erreicht worden sei. Anschließend folgte ein weiterer Einbruch. (mb)