Utimaco: IT-Sicherheitsanbieter mit dem Rücken zur Wand

04.12.2001
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Gerhard Holzwart begann 1990 als Redakteur der COMPUTERWOCHE und leitete dort ab 1996 das Ressort Unternehmen & Märkte.  Ab 2005 verantwortete er den Bereich Kongresse und Fachveranstaltungen der IDG Business Media GmbH und baute „IDG Events“ mit jährlich rund 80 Konferenzen zu einem der führenden Anbieter von ITK-Fachveranstaltungen in Deutschland aus. Seit 2010 ist Gerhard Holzwart geschäftsführender Gesellschafter der h&g Editors GmbH und ist in dieser Funktion als Event Producer, Direktmarketingspezialist und ITK-Fachredakteur tätig.        

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Utimaco Safeware AG steckt finanziell in der Klemme. Sollten sich nicht schon bald neue Investoren finden, dürfte dem einstigen Börsenstar das Aus drohen. Zudem verließ vor kurzem Vorstandssprecher Hans-Christoph Wolf überraschend das Unternehmen.

„Wir haben unsere Lektion gelernt“, behauptete Ex-Chef Wolf noch auf der letzten Bilanz-Pressekonferenz in Frankfurt am Main. Stolze 19 Millionen Euro hat Utimaco allein im letzten Geschäftsjahr verbrannt, die finanzielle Substanz der Firma ist fast aufgezehrt, und der Umsatz ist rückläufig. Wolf hat das Unternehmen Anfang November verlassen, die restlichen vier Vorstände dürfen nun die Lektion in die Tat umsetzen.

Serie von Misserfolgen

Längst verblasst sind die Vorschusslorbeeren von Utimaco, mit denen das Unternehmen im Februar 1999 – nach zwei gescheiterten Anläufen – am Neuen Markt startete. Die Firmengeschichte der hessischen Softwareschmiede gleicht seither einer Serie aus Misserfolgen. Vormals gesteckte Ziele wurden deutlich verfehlt. So leidet Utimaco bis heute am Missmanagement des vorherigen CEO Peter Bohn. Als der glücklose Vorstand Ende 1999 den Hut nahm, hinterließ er einen Scherbenhaufen.

Hans-Christoph Wolf konnte bei Utimaco das Steuer nicht herumreißen und hat die Firma verlassen. Foto: Utimaco

Vor allem mit der Übernahme des Aachener Sicherheitsspezialisten Kryptokom, einer Comparex-Tochter, haben sich die Hessen verhoben. Der bereits im Juli 1999 wirksam gewordene Deal ist bis heute nicht finanziell abgeschlossen. Noch steht seitens Comparex’ eine Restforderung von etwa acht Millionen Euro aus – Geld, das Utimaco im Moment nicht hat. Ex-Vorstandschef Wolf ging deshalb bereits vor einem Jahr in die Offensive: Comparex habe gegen den ursprünglichen Kaufvertrag verstoßen, da eine vorgesehene Vertriebskooperation nicht zustande gekommen sei. Im Oktober 2001 wurde ein Rechtsgutachten vorgelegt, mit dem Utimaco eine Kaufpreisminderung um bis zu 50 Prozent erwirken will.

Doch auch in anderer Hinsicht erweist sich die Akquisition als Klotz am Bein. Kryptokom, ein Anbieter von Verschlüsselungslösungen für Hardware, schreibt zwei Jahre nach der Übernahme immer noch Verluste – bei rückläufigen Umsätzen. Der schwierige Merger ist nur einer der Gründe, warum Utimaco im Geschäftsjahr 2000/01 (Ende: 30. Juni) tief in die Verlustzone rutschte. Insgesamt kletterte das Minus auf 16,5 Millionen Euro, wovon 12,4 Millionen Euro auf Wertberichtigungen entfielen. Gegenüber dem Vorjahr stiegen die Einnahmen lediglich um sechs Prozent auf 38,3 Millionen Euro. Damit hinkten die Hessen deutlich den prognostizierten Wachstumsraten der Auguren hinterher, die im IT-Security-Markt ein Plus von 20 bis 30 Prozent erwartet hatten.

Der Abwärtstrend setzt sich auch im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres fort, das Utimaco mit einem Umsatz von 5,9 Millionen Euro abschloss – 2,1 Millionen Euro weniger als noch im Vorjahr. Schuld daran seien die schwache Konjunktur sowie die Terroranschläge in den USA, hieß es. Der Nettoverlust weitete sich zum Vorjahr um über 50 Prozent auf 3,9 Millionen Euro aus. Die liquiden Mittel beliefen sich Ende September lediglich auf 1,1 Millionen Euro.

Utimacos Angebot an IT-Sicherheitslösungen gleicht einem bunt gemischten Sortiment, in dem es an einer klaren Diversifizierungsstrategie zu fehlen scheint. Ob Mobile/Desktop-Security (Authentisierung, Zugriffskontrolle, Festplattenverschlüsselung), Network-Lösungen (Firewalls, VPN), Internet-Sicherheit (digitale Signatur, Objektverschlüsselung) oder Infrastrukturlösungen (Smartcard-Leser, PKI) – in allen wichtigen Security-Märkten mischen die Hessen mit.

Teuer erkauftes Wachstum: Im vergangenen Geschäftsjahr schrumpften die liquiden Mittel um 19 Millionen Euro – das Polster ist fast aufgebraucht.

„Insgesamt hat das Unternehmen nicht die Ressourcen, um eine so breite Produktpalette anbieten und auf Dauer weiterentwickeln zu können“, urteilt Thomas Becker, Analyst beim Bankhaus HSBC Trinkaus & Burghardt. Während Utimaco beispielsweise im Bereich Firewalls allenfalls ein Me-too-Anbieter ist, fehlen andererseits herausragende Key-Produkte, um zumindest in einem Teilmarkt eine beherrschende Stellung einzunehmen.

Die mittlerweile über 25 Produkte unterliegen schnellen Innovationszyklen, was hohe Personalkosten verschlingt. Da es der Softwareanbieter versäumt hat, den indirekten Vertriebskanal rechtzeitig auszubauen, schiebt Utimaco mit einer eigenen Sales-Division einen gewaltigen Kostenblock vor sich her. Der Anteil des indirekten Geschäfts konnte zwar im letzten Geschäftsjahr von 16 auf 33 Prozent gesteigert werden. Ein Drittel der damals 380 Mitarbeiter war Mitte des Jahres aber immer noch im Vertrieb tätig. Nun arbeiten noch 340 Beschäftigte für die Softwerker.

In den europäischen Auslandsmärkten, wo Utimaco jüngst knapp 40 Prozent der Einnahmen erzielte, gingen Marktanteile verloren. Schmerzhaft dürfte vor allem der Umsatzrückgang in Großbritannien sein, wo die Hessen in den zurückliegenden Monaten mit Management-Problemen kämpften. Utimaco konnte zwar im asiatischen Raum mit bislang über fünf Millionen Euro Umsatz erste Achtungserfolge verbuchen. Als eine Nummer zu groß entpuppte sich für die Softwerker aber der geplante Auftritt im hart umkämpften US-Markt, wo im letzten Geschäftsjahr lediglich 0,8 Millionen Euro eingefahren wurden. Utimacos zum IPO angekündigte Global-Player-Strategie ist somit hinfällig.

Kapitalerhöhung und Verkäufe

Statt Expansion geht es nun darum, die Existenz des Unternehmens zu sichern, und dazu müssen noch in diesem Jahr Geldgeber für eine geplante Kapitalerhöhung von bis zu sechs Millionen Euro gefunden werden. Um die klamme Firmenkasse zu füllen, sind zudem Verkäufe kein Tabu mehr, beispielsweise das mit ACG gegründete Joint Venture Omnikey. Auch die Veräußerung einzelner Produktlinien könnte die prekäre Finanzsituation vorübergehend entspannen. Nicht zuletzt dürfte dem Sicherheitsanbieter auch eine Übernahme durch einen starken Partner nicht ungelegen kommen. (ajf)