Lockerung der Cocom-Liste für Lieferungen in die DDR

USA wollen Kontrolle auf strategische Güter begrenzen

18.05.1990

WASHINGTON/BONN (IDG/ vwd) - Als Antwort auf den wachsenden Druck der europäischen Verbündeten hat die US-Regierung vorgeschlagen, die Exportkontrollen bei Computern, Telekommunikations-Equipment und Werkzeugmaschinen für Osteuropa und die UdSSR zu lockern. Bei Lieferungen in die DDR unterliegt nur noch ein "kleines" Warensegment den Cocom-Beschränkungen.

Werkzeugmaschinen und Telekommunikationsequipment für die DDR fallen künftig nicht mehr unter die Beschränkungen der Cocom-Liste. Im Gegenzug erklärt sich die DDR bereit, den eigenen Warenexport - bis auf die bestehenden Lieferverpflichtungen gegenüber Staaten des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) - den Cocom-Kontrollkriterien zu unterwerfen. Das teilte die Bundesregierung im Bundestags-Unterausschuß für Außenwirtschaft und Handelspolitik mit. Nur noch ein "kleines Segment" von Gütern soll bei Exporten in die DDR weiter den Cocom-Restrikionen unterliegen.

Dazu gehören Supercomputer, militärische Radarausrüstungen, Technologie für Flugzeugtriebwerke sowie akustische und ultrasonische Systeme zur Positionsbestimmung von Schiffen. Die Vertreter der Regierung verwiesen darauf, daß hinsichtlich der anderen RGW-Staaten die gleichen Erleichterungen wie mit der DDR angestrebt werden sollen.

Die amerikanische Regierung selbst scheint inzwischen auch an einer Lockerung der Exportkontrollen interessiert zu sein: Denn nach Verlautbarungen aus dem Weißen Haus, sollen die Handelsbarrieren für fast alle PCs und für bestimmte Mainframes fallen, die für Banken, Airline-Reservierungssysteme und ähnliche zivile Anwendungen eingesetzt werden. Dem Vorschlag muß allerdings das Coordinating Committee for Multilateral Export Controls (Cocom) noch zustimmen. Die US-Regierung, die stärkere Kontrollen bei weniger Produkten wünscht, hofft, daß Cocom bis zum Ende des Jahres eine sehr viel kürzere Embargo-Liste ab gesegnet haben wird.

Kürzere Embargo-Liste bis Ende des Jahres

Die Regierung hat angeboten, alle Rechner bis zu einer Datenverarbeitungsrate (PDR, processing data rate) von 275 Mbit/s von der Cocom-Liste zu streichen und die Lieferung von Computern bis zu einer PDR-Leistung von 550 Mbit/s großzügig zu lizensieren, wenn sie an zivile Anwender gehen. PDR ist ein von der amerikanischen Regierung eingeführtes Maß, das versucht, die reine Rechenleistung (Gleit- und Festkommaoperationen) eines Computers in verarbeiteten Bits pro Sekunde darzustellen.

Das "Foreign Affairs Committee" stellte den auf dem Tisch liegenden Vorschlag bereits in den Schatten, als es in der vergangenen Woche forderte, alle Restriktionen für Rechner aufzuheben deren PDR-Rate 550 Mbit/s nicht überschreitet. Maschinen dieser Leistungsklasse dürfen von US-Unternehmen heute bereits nach China geliefert werden.

Vertreter der amerikanischen Industrie reagierten positiv auf die Ankündigung: John L. Pickitt, Präsident der Computer Equipment Manufacturers Association, bezeichnete den Vorschlag als "einen wichtigen Schritt nach vorn".

Er betonte allerdings, daß die USA in den Bestrebungen, die Cocom-Liste zu modernisieren hinter ihren Verbündeten zurückliege und forderte sie auf, bei den nächsten Verhandlungen im Juni dieses Jahres mehr Flexibilität zu zeigen, wenn es um weitere Exporterleichterungen gehe.

Aufgrund dieser Entwicklung erwartet der deutsche Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann sachgerechte Ergebnisse des Cocom-Treffens Anfang Juni. Er erklärte, jetzt müsse eine "Kernliste" von weiterhin geltenden Beschränkungen für Waren mit strategischer Bedeutung konkretisiert werden. Ferner müßten in den Prioritätsbereichen Telekommunikation, Werkzeugmaschinen und Computer im Juni Ergebnisse erzielt werden, die "den politischen und ökonomischen Bedürfnissen in der neuen Phase der Ost-West-Beziehungen gerecht werden.