Swift-Abkommen

US-Terrorfahnder haben Zugriff auf europäische Bankdaten

02.02.2010
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
US-Terrorfahnder haben ab sofort wieder Zugriff auf die Daten von Millionen europäischer Bankkonten - allerdings nur theoretisch und wohl nur vorübergehend.

Gegen heftigen Widerstand aus dem Europaparlament und gegen Bedenken des europäischen Datenschutzbeauftragten ist das umstrittene Swift-Abkommen zwischen der EU und den USA am Montag in Kraft getreten. Es sieht den Transfer von Überweisungsdaten an die USA vor.

Doch schon in am 10. Februar, wenn das EU-Parlament über die Vereinbarung abstimmt, könnte wieder Schluss sein: Die großen Parteien wollen das Vorhaben bei der Abstimmung zu Fall bringen. Dann wäre den US-Geheimdiensten der Zugang zu den Servern des belgischen Finanzdienstleisters Swift versperrt, der praktisch alle europäischen Bankgeschäfte abwickelt. Die EU steht damit vor einem transatlantischen Problem. Das derzeitige Abkommen soll ohnehin nur bis Oktober gelten, bis dahin wollen die EU-Staaten eine langfristige Vereinbarung mit den USA aushandeln und dabei von vornherein das Europaparlament einbeziehen.

Auch jetzt passiert erst einmal nichts: Ein Swift-Sprecher sagte in Brüssel auf Anfrage, man werde erst einmal keine Daten von Überweisungen aus der EU in Drittstaaten an die USA übermitteln: "Solange das Parlament nicht zugestimmt hat, geben wir keine Daten weiter. Wir können nicht in einer rechtlichen Grauzone arbeiten." Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 Jahren hatten die USA Bankdaten aus Europa abgegriffen, doch seit dem Jahreswechsel benötigen sie wegen der Verlagerung eines Swift-Servers eine neue rechtliche Grundlage dafür. Diese soll das Swift-Abkommen liefern.

Das Parlament verlangt Nachbesserungen in punkto Datenschutz, weil nach dem Abkommen theoretisch jeder europäische Bürger ins Visier der US-Fahnder geraten könnte. Das Parlament fordert aber auch mehr Mitspracherechte. "Wir fordern Beweise von Rat und EU-Kommission, dass der Datenaustausch wirklich Finanzströme von Terroristen aufdeckt und abschneidet", sagte die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel auf Anfrage. Die Datensammelleidenschaft der USA bringe nicht automatisch mehr Sicherheit.

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber schlug vor, das Abkommen auszusetzen, bis die Kommission ein dauerhaftes Abkommen erarbeitet hat - solange entstehe keine Sicherheitslücke. "Wegen einer Bank-Überweisung werden wir keine Anschläge verhindern, da muss man auch einmal die Kirche im Dorf lassen", sagte Ferber der dpa.

Rückendeckung bekommt das Parlament vom Datenschutzbeauftragten der EU, dem Niederländer Peter Hustinx. Die seit Montag geltende Vereinbarung greife massiv in die Privatsphäre der EU-Bürger ein und schütze nicht ausreichend vor Missbrauch kommerzieller Bankdaten, schrieb Hustinx in einem Brief, der der dpa vorliegt. Er kritisiert die lange Speicherdauer von fünf Jahren und die Möglichkeiten, Daten auch an Dritte weiterzugeben. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisierte das Abkommen bereits am Samstag als "weder datenschutzgerecht noch demokratisch legitimiert".

Swift und die europäischen Bankgeschäfte

Nahezu alle europäischen Bankgeschäfte werden über den belgischen Finanzdienstleister Swift abgewickelt. Swift steht für Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication.

Banken weltweit haben den privaten Dienstleister gegründet, der rund 8000 Banken und Finanzdienstleister in 206 Staaten der Erde vernetzt und deren Geschäfte erledigt. Dazu gehören zum Beispiel Standardüberweisungen, Devisengeschäfte oder Aktienkäufe. Täglich meldet Swift mehr als 15 Millionen Transaktionen.

Seit Jahren greifen die USA im Anti-Terror-Kampf über Swift Daten von Bankkunden aus Europa ab. Angaben wie Name, Betrag und Empfänger werden an die Ermittler in den USA weitergeleitet. Diese konnten einige Erfolge verbuchen: Verdächtige Überweisungen brachten die Fahnder in den vergangenen Jahren auf die Spur von Terrororganisationen in Großbritannien und Deutschland. Doch als ein zentraler Swift-Server zum Jahreswechsel 2009/2010 von den USA in die Schweiz umzog, waren die Daten seitdem rechtlich dem US-Zugriff entzogen - und es wurde eine neue Vereinbarung nötig.

Im November 2009 schlossen die EU-Innenminister daher das Swift-Abkommen. Es bezieht sich auf Überweisungen ins nicht-europäische Ausland wie USA, Asien und und Afrika, nicht aber auf Transaktionen innerhalb der EU. Zudem haben die USA zugesichert, nur bei begründeten Verdachtsfällen Überweisungsvorgänge genauer zu prüfen - das generelle "Abfischen" von Daten ist verboten. Europäer sollen zudem Auskunft über die Beobachtung von Konten und eine Klagemöglichkeit garantiert bekommen.

Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 wurde die Zustimmung des Europaparlaments zum Swift-Abkommen erforderlich. Diese Abstimmung findet am 10. Februar statt - eine Ablehnung gilt als sicher. Dann wäre das Abkommen nur neun Tage in Kraft gewesen.

Die Blockade des EU-Parlaments bei Swift setzt Kommission und Rat schwer unter Druck. Daher warb die EU-Kommission am Montag noch einmal für das Abkommen. "Es ist wichtig für die EU, dass sie in ihrem Anti-Terror-Kampf keine Sicherheitslücke lässt", sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel.

Das sehen auch die EU-Mitgliedsländer so, die den Vertrag mit Washington im vergangenen Herbst abgesegnet haben - einen Tag vor Inkrafttreten des Reformvertrags von Lissabon. Erst mit dieser Rechtsgrundlage für Europa hat das EU-Parlament Mitentscheidungsrechte in der Justiz- und Innenpolitik bekommen. (dpa/tc)