Blue definiert Personal Computing neu:

US-Studie sieht keine Zukunft für PS/2

17.06.1988

WASHINGTON (IDG) - IBM wird möglicherweise bis zum, Jahr 1992 die PS/2-Linie und die Mikrokanal/Architektur ebenso wieder aufgeben wie das noch gar nicht eingeführte Betriebssystem OS/2. Die derzeit als zumindest potentielle Stand-alone-Systeme angebotenen Produkte werden in IBMs Terminalbeziehungsweise Low-end-Mehrplatzfamilien aufgehen.

Eine Studie der International Technology Group (ITG) im kalifornischen Los Altos kommt zu dieser, derzeit noch etwas gewagt erscheinenden Vorhersage. "IBM ist effektiv aus dem Markt des Personal Computing ausgeschieden", heißt es da wörtlich, und weiter: "Dies wird zunehmend deutlich, da künftige PS /2-Systeme und die Extended Edition von OS/2 sich immer stärker hin zu Mainframe-orientiertem Co-Processing entwickeln." Die Verfasser der Studie folgern daraus, daß "erwartet werden kann, daß bis 1992 die PS/2- Produktfamilie als eigenständige Linie aufgehört hat zu existieren."

Die beiden Low-end-Maschinen PS/2 Modell 25 (das in Europa nicht erhältlich ist) und Model 30 sollen dann die ihnen schon jetzt von Big Blue zugedachte Rolle als Terminals weiterspielen, allerdings im Rahmen der Produktfamilien 315X und 316X. Diese bestehen im Moment noch ausschließlich aus "dummen" ASCII Terminals. Das Modell 50 soll Eingang in die Terminalfamilie 319X finden. Den verbleibenden Modellen 60 bis 80 (als die Studie ausgearbeitet wurde, gab es das Modell 70 noch nicht) hat die ITG eine Rolle als Einstiegssysteme für IBMs Superminis zugedacht. So soll etwa das aktuelle PS/2 Flaggschiff, Modell 80, sich einst unter Betriebssystemen wie VM oder S/3X in der 9370- oder Silverlake-Familie wiederfinden.

Brian Jeffery, Executive Director der International Technology Group, erläutert die Ergebnisse seiner Untersuchung: "Die Art und Weise, wie IBM unter Marketing- und Produktionsgesichtspunkten vorgeht, zeigt, daß sie ihre Produkte in die genannten Marktsegmente "portieren" wird. Man muß sich das als eine Art Zangenbewegung vorstellen, die also von beiden Seiten ausgeht."

Trotz steigenden Umsatzes werde Big Blue ganz aus dem Markt für Stand-alone-Maschinen aussteigen, da sein Marktanteil nach Jeffery "signifikant gesunken" sein soll. Ein IBM-Sprecher trat den ITG-Vorhersagen entgegen und bezeichnete die These, sein Unternehmen sei aus dem PC-Geschäft effektiv ausgeschieden, als grotesk. Er räumte allerdings ein, daß der typische IBM-Anwender eher DV-Systeme brauche als Einplatz-Singletasking-Maschinen. Mit PS/2 habe IBM genau diesen Bedürfnissen entsprochen. Das schließe das Angebot von Stand-alone-PCs jedoch nicht aus.

Auch Doug Cayne, Leiter der Abteilung Personal Computing beim Marktforschungsinstitut Gartner Group, reagierte skeptisch auf die ITG-Voraussagen. "Auf keinen Fall wird das innerhalb der nächsten vier Jahre vor sich gehen", meinte er. "IBM hat sich auf die PS/2-Linie festgelegt, und deren Anteil am Gesamtumsatz wächst schneller als alles andere. Der Umsatz, den IBM mit den PS/2 erzielt, und ihre strategische Bedeutung lassen eher das Gegenteil vermuten."