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US-Regierung bemängelt Kartelleinigung mit Microsoft

19.01.2004

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Rund zwei Jahre nach Abschluss der Einigung im Kartellprozess gegen Microsoft hat die US-Regierung eine enttäuschende Bilanz gezogen. Die Übereinkunft werde wohl kaum neuen Wettbewerb im Softwaremarkt nach sich ziehen, außerdem untersuche man "substanzielle" Beschwerden, dass sich Microsoft nicht an die vereinbarten Auflagen halte, hieß es.

Separat erklärte der US-Bundesstaat Massachusetts, es gebe neue Vorwürfe dahingehend, dass Microsoft sein wettbewerbswidriges Verhalten inzwischen auf neue Bereiche ausdehne. Unter anderem nehme demnach der Redmonder Konzern jetzt Internet-Suchmaschinen wie Google sowie die weit verbreitete Dokumentensoftware "Acrobat" von Adobe Systems ins Visier. Sollten diese Behauptungen zutreffen, so Massachusetts, dann sei "ein solcher Serienmord an konkurrierenden Techniken ein ernstes und beunruhigendes Anzeichen" und zeige, dass die Einigung den Softwaremonopolisten nicht wie gewünscht in seine Schranken verwiesen habe.

Dem am 1. November 2001 mit der Bush-Regierung geschlossenen Vergleich war ein einstimmiges Urteil eines US-Berufungsgerichts gefolgt, Microsoft habe seine Monopolmacht dazu benutzt, rivalisierende Technik zu unterdrücken. Schon damals war die Einigung weithin als ineffektiv kritisiert worden. Einige Staaten, darunter Massachusetts, gingen bei einem Bundesgericht in Washington dagegen vor, wurden aber abgewiesen und der Vergleich aufrechterhalten. Ein Berufungsgericht untersucht ihn weiterhin.

Das Justizministerium und 16 Bundesstaaten veröffentlichten am späten Freitag vergangener Woche gemeinsam mit Microsoft eine Stellungnahme. Darin heißt es, ein von Microsoft installiertes Lizenzierungsprogramm, das die Entwicklung zu Windows konkurrierender Software fördern solle, zeitige nicht den gewünschten Erfolg. Die Bemühungen der aktuellen Lizenznehmer "würden kaum echte Wettbewerber zum Windows-Desktop im Markt etablieren", heißt es darin. Dies war eines der erklärten Hauptziele des Vergleichs gewesen.

Überhaupt hätten sich nur eine Handvoll Firmen an dem Lizenzprogramm beteiligt, das dazu gedacht war, Unternehmen die technische Information zu liefern, um Software zu entwickeln, die problemlos mit Windows-Infrastruktur zusammenarbeitet. Aus Sicht von Microsoft-Wettbewerbern sei das Programm zu komplex und zu teuer, die meisten hätten deswegen eine Teilnahme abgelehnt, erklärte das Department of Justice (DOJ).

Microsoft entgegnete, es arbeite mit dem Ministerium bei einer Optimierung des kritisierten Lizenzprogramms eng zusammen. Man stehe in "aktiven Verhandlungen" mit 20 weiteren möglichen Lizenznehmern, könne allerdings zu den Erfolgsaussichten der Gespräche noch nichts sagen. Der Statusbericht vom Freitag "bestätigt, dass der Befolgungsprozess funktioniert und dass es eine strenge Kontrolle von Microsofts Bemühungen gibt, sich dem Vergleich zu fügen", den man im Jahr 2001 unterzeichnet habe.

"Dies ist ein noch nie da gewesener Prozess mit zahlreichen Facetten, der sich weiterhin entwickelt", erklärte der Softwareriese. Man arbeite bereits an Änderungen der Lizenzierung, die die Bedenken der Regierung reflektierten. "Wir haben hart gearbeitet, um unsere Protokoll-Lizenzierung zu vermarkten, und dabei haben uns die weiteren Unternehmen ermutigt, die diese unterzeichnet haben."

Das von Assistant Attorney General Glenn Kaplan vorgelegten Filing des Staates Massachusetts kommt dagegen zu dem Schluss, der Vergleich sei so fehlerhaft, dass bloße Änderungen an der Lizenzierung schwerlich Wettbewerb schaffen würden. Zu den neuen Vorwürfen gegen Microsoft in Sachen Web-Suche und Adobe Acrobat wollte der Staatsanwalt unter Berufung auf laufende Ermittlungen ebenso wenig kommentieren wie das DOJ die von ihm angesprochenen Beschwerden. Auch von Adobe und Google gab es keine Stellungnahmen. Microsoft bezeichnete die Vorwürfe aus Massachusetts als "vage und unbegründet".

Erst in der vergangenen Woche hatte das Justizministerium bemängelt, Microsoft verstoße gegen den Vergleich aus dem Jahr 2001, weil in Windows der Link für Online-Musikeinkäufe stets mit dem hauseigenen Internet Explorer geöffnet werde, auch wenn ein anderer Browser als Standard eingetragen sei. Microsoft willigte ein, die entsprechende Verknüpfung zu verändern (die im Übrigen immer noch auf Windowsmedia.com verweist, Computerwoche.de berichtete). Dies allerdings aus "geschäftlichen Gründen", wie der Hersteller betonte. Einen Verstoß gegen den Vergleich stelle dies ebenso wenig dar wie frühere Dispute mit dem DOJ und den einzelnen Bundesstaaten, so Microsoft-Sprecher Jim Desler. (tc)