Konzentration auf OS2 erschwert Marktzugang

US-Magazin: Fehler haben Lotus in die Krise geführt

06.12.1991

MÜNCHEN (CW) - Die Lotus Development Corp. geht wegen Fehlern des Managements und mangelhafter Produktplanung schweren Zeiten entgegen. Das glaubt "Business Weck"; das US-Wirtschaftsblatt analysiert in seiner Ausgabe vom 9. Dezember 1991 das vergangene Lotus-Geschäftsjahr und spricht von einer "bitteren Lektion" für Chairman, President und CEO Jim Manzi.

Der Chef des Spreadsheet-Spezialisten, so das Magazin, habe mit sich jagenden Umgestaltungen von Management und Strategie in den vergangenen fünf Jahren für Unruhe gesorgt, die zu fatalen Produktentscheidungen geführt habe. Ein Beispiel sei die Entscheidung, mit dem Tabellenkalkulations-Paket 1-2-3, das 70 Prozent vom Lotus-Umsatz ausmacht, auf OS/2 als künftig beherrschendes PC-Betriebssystem zu setzen. Der Aufwand hierfür habe die Entwicklung von Windows-Applikationen stark verzögert und Lotus damit von einem großen Markt weitgehend abgeschnitten.

Die im August ausgelieferte Windows-Version von 1.2.3 sei darüber hinaus mit Bugs gespickt gewesen, so daß Lotus sie im September habe ersetzen müssen. Der Absatz des Produktes habe mit 250 000 Kopien nur ein Viertel der erwarteten Menge erreicht. Der Lotus-Marktanteil bei Spreadsheets sei in den vergangenen drei Jahren von 75 auf 55 Prozent gesunken und werde wegen der Schwäche bei Windows-Produkten weiter schrumpfen, prophezeit das Wochenblatt.

Auch die Börse traue dem einstigen High-flyer nicht mehr viel zu: Seit August sei der Aktienwert um mehr als die Hälfte gefallen. Analysten empfehlen die Aktie indes als Schnäppchen, glauben also offenbar an eine Erholung. Im nächsten Jahr allerdings, erwartet ein Analyst laut "Business Weck", würde der Ertrag pro Aktie mit 1,43 Dollar weiterhin schwach sein - noch unter dem Ergebnis von 1987.

Gleichwohl konstatiert das Magazin einen Wandel: Der Austausch des Organisationstalentes Frank King gegen den technisch beschlageneren John Landry als Entwicklungschef etwa sei notwendig gewesen, um das technologische Verständnis im Unternehmen zu stärken. *