Nase voll

US-Internetfirmen fordern Reform der NSA

04.11.2013
Lange beschränkten sich Google, Facebook und Co auf Forderungen nach mehr Transparenz über das Treiben des Geheimdienstes NSA. Doch nun haben die Technologie-Riesen genug: Sie dringen auf echte Reformen. Denn die Enthüllungen bringen auch ihr Geschäftsmodell ins Wanken.

Nach monatelangen Enthüllungen über die Spionage des Geheimdiensten NSA reicht es amerikanischen Internetfirmen. Google, Facebook, Apple und andere wandten sich in einem Brief an Kongressabgeordnete und forderten erstmal nicht nur mehr Transparenz über die Überwachungsprogramme der NSA, sondern auch echte Reformen. Das könnte die Debatte in den USA ankurbeln.

Insbesondere seien "substanzielle Verbesserungen zum Schutz der Privatsphäre und angemessene Mechanismen zur Aufsicht und Nachvollziehbarkeit dieser Programme" nötig, schrieben die Unternehmen an vier Abgeordnete des Rechtsausschusses. Daran sollten Kongress und US-Regierung arbeiten. Auch Microsoft, Yahoo und AOL unterzeichneten den Brief, den die Zeitung "Washington Post" am späten Donnerstagabend online veröffentlichte.

Einen Ausschlag für den Brief an die Abgeordneten gaben möglicherweise die jüngsten Enthüllungen. Die NSA greife Daten aus den internen Verbindungen zwischen Datenzentren von Google und Yahoo ab, berichtete die "Washington Post" am Mittwoch. Beide Firmen betreiben weltweit riesige Rechenzentren. Die Anlagen tauschen ständig Nutzerdaten untereinander aus, etwa E-Mails, Suchanfragen oder Dokumente. Die Daten schicken die Internet-Riesen über eigene Glasfaserkabel.

Dass der heimische Geheimdienst hier Informationen abgreifen könnte, empörte die Firmen. Sie hielten ihre internen Verbindungen offenbar für sicher, zumindest verschlüsselten sie die Informationen lange Zeit nicht. Google kündigte im Sommer an, den internen Datenverkehr künftig zu sichern.

Die Enthüllungen waren auch deswegen besonders pikant, weil die NSA sich früheren Berichten zufolge legal Zugriff auf Nutzerdaten verschaffen kann. Das entsprechende Programm trägt den Codenamen Prism. Ein Geheimgericht ordnet die Herausgabe der Daten an, berichteten Medien und beriefen sich dabei auf Dokumente von dem ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden. Den Brief unterzeichneten eben jene Firmen, die in den Prism-Unterlagen auftauchen. Einzig der in Europa wenig bekannte Anbieter PalTalk, der den Unterlagen zufolge bei Prism mitmacht, ist nicht vertreten.

Die Internetriesen sorgen sich auch um ihr Geschäft. Schließlich nutzen hunderte Millionen Menschen weltweit die E-Mail-Dienste, Smartphones, Netzwerke und Chat-Programme der Vorreiter aus dem Silicon Valley. Ein Vertrauensverlust könnte die Unternehmen empfindlich treffen. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg bemerkte kürzlich, als weltweites Unternehmen sei dem Netzwerk wenig damit geholfen, wenn die US-Regierung beteure, keine eigenen Staatsbürger auszuspähen. In dem Schreiben betonen die Firmen erneut, mehr Transparenz würde helfen, "fehlerhafte Berichte" über einen direkten Zugriff der NSA auf die Server der Unternehmen zu widerlegen.

Ihr Vorstoß könnte der Diskussion in den USA neuen Schwung geben, hoffen NSA-Kritiker. "Ich nehme an, dass Google bald ein Schlüsselelement im Kampf gegen die Spionage der NSA sein wird", schrieb der Sicherheitsexperte Jacob Appelbaum im Online-Netzwerk Twitter. Appelbaum berichtete für das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" über die NSA-Papiere.

Auch die deutsche IT-Branche bemerkt eine neue Zurückhaltung. "Privatverbraucher und insbesondere mittelständische Unternehmen e-mailen weniger und nutzen Cloud-Services nicht mehr in dem Maße, das wir uns wünschen würden", sagte Bernhard Rohleder vom Branchenverband Bitkom dem rbb-Inforadio. Im Sicherheitsbereich rechne die hiesige IT-Industrie allerdings mit Zuwächsen. (dpa/tc)