Ein Urteil widerspricht der bisherigen Copyright-Rechtsprechung

US-Gericht schützt den Code, nicht aber die Software-Idee

17.07.1992

NEW YORK (CW) - Ein US-amerikanisches Gericht hat die bisherige Rechtsprechung zum Software-Copyright auf den Kopf gestellt. Die Altai Inc. wurde wegen des Kopierens von Sourcecode verurteilt, die Klägerin Computer Associates Inc. (CA) verlor aber den Schutz für die Funktionalitäten von Softwaremodulen.

Die Software-Industrie hat bisher umfassende Rechtsansprüche vertreten - und sie auch zugesprochen bekommen. So hat im sogenannten Whelan-Jaslow-Verfahren ein Gericht dritter Instanz in Philadelphia entschieden, daß ein Hersteller für die innere Struktur eines Programmes, seine Sequenzen und seine Befehlsstrukturen Urheberrechtsschutz beanspruchen könne. Dem hat nun ein Gericht der zweiten Instanz in Manhattan widersprochen.

Das Appellationsgericht hatte über zwei Klagen von CA gegen Altai Inc. zu entscheiden. Dabei bestätigte die Jury ein Urteil aus dem Jahre 1987, wonach Altai in einem Programm Sourcecode aus "CA-Scheduler", einem System zur Job-Steuerung, unberechtigterweise kopiert habe. Nach diesem Urteil hatte Altai eigenen Sourcecode geschrieben, dabei aber die Struktur der Scheduler-Module, ihre Interaktion und ihre Funktion so genau nachgebildet, daß das Clone-Programm sich so verhielt wie das Vorbild von CA.

Die folgende Klage von CA gegen Altai hat das Manhattaner

Gericht nun im zweiten Teil seines Urteils abgewiesen. Zwar sei der Code schützenswert, nicht aber seine Funktionen. Aus solchermaßen ungeschützten Modulen ergebe sich des weiteren, daß auch das Gesamtverhalten einer Software nicht unter Copyright-Schutz falle. Die Idee, nämlich das modulare Konzept einer Software, sei nicht geschützt, wohl aber der Code als Ausdruck der Idee.

CA reagierte auf das Urteil mit blankem Entsetzen. Vorsitzender und CEO Charles Wang meinte: "Wenn dieses Urteil anderswo Bestätigung findet, wird es die Initiativen und die Kreativität von Softwarefirmen und ehrenwerten Unternehmern negativ beeinflussen. Warum sollte jemand beträchtliche Summen und möglicherweise jahrelange Anstrengungen in die Entwicklung und Vermarktung originaler Softwareprogramme investieren, wenn ein Wettbewerber den Code stehlen, ihn oberflächlich modifizieren und dann von diesem Verbrechen profitieren kann?" Wang kündigte sogleich Berufung gegen das Urteil an.