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US-Gericht: Dotcom-Spekulanten handeln auf eigenes Risiko

02.07.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Ein US-Bundesrichter hat die Klage von geschädigten Anlegern gegen die Investment-Bank Merrill Lynch und den ehemaligen Staranalysten Henry Blodget abgewiesen. Die Kläger konnten nicht beweisen, dass sie durch Blodgets Aktienanalysen getäuscht wurden, begründete Richter Milton Pollak das Urteil. Er bezeichnete die Aktionäre vielmehr als Spekulanten, die die immensen Risiken eines Investments in Dotcom-Aktien kannten - oder gekannt haben sollten. Die Wertpapier-Gesetze dürften nicht zu einer kostenlosen Versicherung für Spekulanten werden, so der 96-jährige Pollak.

Die Kläger hatten 1999 IPO-Aktien des mittlerweile insolventen ASP-Anbieters Interliant sowie des Internet-Werbevermarkters 24/7 Media gekauft. Bei der Ausgabe stiegen die Börsenkurse der Titel stark an, sausten dann aber mit dem Platzen der Dotcom-Blase in den Keller. Internet-Guru Blodget hatte die 24/7-Aktie extern zum Kauf empfohlen, in internen E-Mails jedoch als "piece of shit" ("Stück Scheiße") bezeichnet. Das Interliant-Papier wurde in Blodgets Mails nicht erwähnt.

Wenngleich es sich dabei nicht um ein Grundsatzurteil handelt, könnte der Richterspruch für eine Reihe weiterer geprellter Anleger Folgen haben. Bundesrichter Pollak erklärte, er werde prüfen, ob sich seine aktuelle Entscheidung auf 25 ähnliche Klagen gegen Merrill Lynch übertragen ließen. Der Richter legte zu diesem Zweck die Verhandlungen in den weiteren Fällen auf Eis und verhandelte zunächst die zwei aktuellen Klagen.

Ende April hatten sich zehn der größten Wertpapierhändler der USA - darunter auch Merrill Lynch - in einem außergerichtlichen Vergleich dazu bereit erklärt, insgesamt 1,4 Milliarden Dollar für die Abgabe von übertrieben positiven Aktienanalysen zu zahlen, ohne jedoch ein Schuldeingeständnis abzugeben. Im Gegenzug stellten die New Yorker Staatsanwaltschaft und die US-Börsenaufsicht SEC ihre Ermittlungen gegen die Investment-Banken ein (Computerwoche online berichtete).

Separat einigten sich die Ankläger mit den beiden früheren Star-Analysten Jack Grubman (ehemals Salomon Smith Barney) und Henry Blodget (Merrill Lynch) wegen falscher Aktienempfehlungen auf eine Vergleichszahlung von 15 beziehungsweise vier Millionen Dollar. Beide wurden zudem mit einem lebenslangen Berufsverbot belegt, mussten jedoch kein Schuldeingeständnis abgeben (Computerwoche online berichtete). (mb)