Vorwurf: Hersteller halten die Preise für OSI-Produkte absichtlich hoch

US-Anwendergruppe entwirft Strategie für offene Systeme

29.03.1991

DALLAS (IDG) - Bei ihrem ersten Arbeitstreffen seit der offiziellen Gründung im September 1990 versuchte die "User Alliance for Open Systems" ihr künftiges Vorgehen festzulegen.

Die als "30 von Houston" bekanntgewordene Vereinigung von IT-Großanwendern hatte Ende 1990 einen weithin beachteten Bericht veröffentlicht, der sich mit der Frage auseinander setzte, warum sich offene Systeme trotz ihrer unbestreitbaren Vorteile auf dem Markt nur langsam durchsetzen. Schuld daran, so die kämpferische Vereinigung, seien Anwender wie Hersteller, die den Einsatz offener Systeme kulturell und wirtschaftlich behinderten.

Etwa 50 Vertreter US-amerikanischer Großunternehmer nahmen an dem einwöchigen Treffen im texanischen Dallas teil. In mehreren Arbeitsgruppen versuchten sie, den offiziellen Standpunkt der Gruppe zu OSI-Vorgaben, zur Ausbildungssituation, zu den Kosten offener Systeme und deren

Begründung sowie zu den bestehenden De-jure- und De-facto-Standards zu formulieren. Zwei Gruppen beschäftigten sich mit der "Vision" der Allianz und mit ihren Statuten.

Eine Gruppe, die sich mit Fragen der strategischen Planung

und dem Einsatz offener Systeme für kommerzielle Anwendungen befaßte, erarbeitete Empfehlungen zur Ermittlung des DV-Bedarfs von Unternehmen und zur Erstellung von Kosten-Nutzen-Analysen für offene Systeme und deren Alternativen. Eine andere Gruppe beschloß, eine Datenbank mit Informationen zu offenen Systeme aufzubauen.

Hitzige Debatten gab es um die "Vision" der Gruppe. Eine endgültige Entscheidung wurde nicht getroffen, soviel jedoch scheint klar, daß die Mitglieder das Gewicht ihrer Unternehmen in die Waagschale werfen wollen, um Verhältnisse zu schaffen, unter denen "IT-Produkte - Hardware wie Software - innerhalb eines Unternehmens und zwischen den Unternehmen interoperabel und auswechselbar sind".

Unterschiedliche Meinungen gab es vor allem bei der Frage, ob die Gruppe Druck auf die Hersteller ausüben solle, "auswechselbare" Produkte anzubieten. Während einige meinten solche Produkte seien unrealistisch oder würden Innovationen verhindern, glaubten andere, neue Techniken wie die objektorientierte Programmierung könnten diese Auswechselbarkeit schon demnächst ermöglichen.

Worum es allen Beteiligten letztlich geht, brachte der Vertreter eines großen Mineralölkonzerns auf den Punkt: "Wir können nicht davon ausgehen daß ein Hersteller auf ewig existiert, deshalb müssen wir die Möglichkeit haben, eine Datenbank zu nehmen und sie gegen die eines anderen Herstellers auszutauschen. Wir müssen dafür sorgen, daß unser Unternehmen nicht zum Gefangenen eines einzelnen Produktes wird."

Zu einem Teil des Treffens waren auch Herstellerverteter als Beobachter zugelassen. Mike Kaminski, MAP-Manager bei General Motors, nutzte die Gelegenheit, die Preispolitik der Anbieter von OSI-Produkten zu attackieren. Kaminski beschuldigte die Hersteller, die Preise für OSI-Produkte hoch zu halten, während sie ihre proprietären und TCP/IP-Produkte praktisch verschenkten: "Wenn Sie zu Digital gehen und einen Computer kaufen, ist Decnet mit dabei. Aber wenn Sie statt dessen MAP wollen, kostet es 2500 Dollar extra. Warum?" Bei anderen Anbietern, fügte er hinzu, sei es ganz ähnlich.

Ein Dauerthema während der ganzen Woche war die Frage, wie man die Budget-Verantwortlichen für das Thema offene Systeme interessieren könnte, vor allem die MIS-Direktoren und Netzwerk-Manager. Kaminski meinte, es müßte wesentlich mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden.

Bei General Motors, wo derzeit im Rahmen eines C4-Programms in großem Umfang Roboter und automatische Systeme für die Automobilproduktion installiert werden, besorgten Produktingenieure, die über die Beschaffung der Roboter entscheiden nebenbei auch die Netzwerke. "Wir versuchen das alles abzustimmen, aber immer noch wird vieles isoliert gekauft", sagte Kaminski.