Urteile aus der Vertragspraxis

29.07.1983

Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 23.11.1982 AZ: 5 U 69/82 Angewendete Vorschriften: ° ° 459, 462, 433 BGB

Nichtamtliche Leitsätze:

1. Das Fehlen der Endlos-Formularführung bei einem Bürocomputersystem, der nach den vertraglichen Vereinbarungen für den Einsatz bei Lohnabrechnungen vorgesehen ist, 8 stellt einen so schwerwiegenden Fehler dar, daß die Tauglichkeit der Anlage erheblich eingeschränkt ist und Gewährleistungsansprüche des Erwerbers bestehen.

2. Eine Erklärung, lediglich gegen Bezahlung einen Mangel beseitigen zu wollen, beinhaltet eine endgültige Ablehnung einer nach allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehenen Nachbesserungsverpflichtung mit der Folge des Wiederauflebens der Gewährleistungsansprüche nach BGB.

Zusätze bedürfen der Schriftform

Das Gericht ging von dem folgenden Tatbestand aus: Die Beklagte bestellte am 25. April 1979 bei der Klägerin einen Bürocomputer mit einem Finanzbuchhaltungs-, Lohn- und Fakturenprogramm. Auf dem Bestellformular heißt es unter anderem: Wir haben besonders vermerkt, daß laut mündliche Nebenabreden und Zusicherungen von Eigenschaften keine Gültigkeit haben,

2. Zusätze oder Abänderungen der Bedingungen der schriftlichen Bestätigung durch die Lieferfirma bedürfen.

In den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wird erneut auf die Schriftform Bezug genommen. Sie beinhalten ferner das Recht der Klägerin bei einem Mangel der Anlage mehrfach nachzubessern bevor die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche zum Zuge kommen sollten.

Im Anschluß an die Auslieferung war eine Einarbeitung durch die Klägerin bei der Beklagten vereinbart. Die Auslieferung des Computers erfolgte am 28. Juni 1979. Außerdem wurden der Beklagten das Fakturen- und das Finanzbuchhaltungsprogramm sowie Zubehör angeliefert. Die Klägerin erteilte eine Rechnung über die Maschine und später Rechnungen über das Fakturenprogramm und die Einarbeitung, über die Lieferung eines Finanzbuchhaltungsprogrammes, einer Modifikation dazu, von Endlos-Journalen, Formularen und diversem Zubehör. Insgesamt ergab sich ein Betrag von 20 083,76 Mark.

Am 5. Februar 1980 fand eine Einarbeitung statt, bei der sich herausstellte, daß ein Gerät zur Endlos-Formularführung nicht mitgeliefert worden war. In einem Telefongespräch zwischen einer Vertreterin der Beklagten und dem Niederlassungsleiter der Klägerin rügte die Beklagte das Fehlen des Geräts zur Endlos-Formularführung und verlangte eine kostenlose Nachlieferung. Hierzu erklärte sich die Klägerin nicht bereit; sie bot aber die Lieferung des Geräts gegen Zahlung von 1000 Mark an, was die Beklagte ablehnte. Diese erklärte, daß sie für den Computer nebst geliefertem Programm und Zubehör aufgrund dieser Tatsache keine Verwendung mehr besitze und die Anlage zur Abholung bereit gestellt werde. Eine Einarbeitung fand danach nicht mehr statt. In einem Brief vom 27. Februar 1980 behauptete die Beklagte, es sei nunmehr eine Vereinbarung über die Rücknahme der Maschine zustande gekommen. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 7. März 1980, bot jedoch an, das gelieferte Gerät auf eigene Kosten mit einer Endlos-Formularführung zu versehen. Die Beklagte bat jedoch erneut um Abholung der Maschine und meinte, die Rückgabe sei vereinbart worden. Dem widersprach die Klägerin und wiederholte ihr Angebot auf kostenlose Lieferung der Endlos-Formularführung.

Die Klägerin hat Klage auf Zahlung der 20 083,76 Mark erhoben.

Das Landgericht Frankfurt (zum AZ: 3/7 0 101/80) hat durch Urteil vom 26. Februar 1982 der Klage stattgegeben. In den Gründen heißt es wie folgt:

"Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch über DM 20 083,76 aus einem Kaufvertrag über die am 25. April 1979 bestellten Gegenstände. Das Vorliegen eines Kaufvertrages ergibt sich bereits aus ° 2 der Geschäftsbedingungen der Klägerin, die durch die Unterschriften auf den Antragsformulierungen vereinbart worden sind. Zu einer einverständlichen Aufhebung der Kaufverträge ist es nicht gekommen. Dies wäre nur im Wege eines Vertrages möglich gewesen. Daran fehlt es aber, insbesondere an einer schriftlichen Bestätigung der Rücknahmevereinbarung durch die Klägerin, so daß diese auch nach ° 1 Abs. 4 der in dem Kaufvertrag durch die Klägerin zugrunde gelegten Geschäftsbedingungen in Verbindung mit ° 127 BGB nicht gültig wäre.

Berufung abgewiesen

Für einen Rücktritt vom Kaufvertrag durch die Beklagte fehlt es an den Voraussetzungen ds ° 326 BGB. Die Lieferung des Geräts zur Endlos-Formularführung war keine vertraglich vereinbarte Hauptpflicht. Bei diesem Gerät handelt es sich um ein Zusatzgerät, das im Preis nicht einbegriffen war. Eine Rechnung über dieses Gerät liegt nicht vor. Auch wurde hierüber keine Zahlung geleistet. Ebenso kann die Beklagte keine Wandlung verlangen, da, wie sich bereits aus dem eben dargelegten ergibt, kein Mangel besteht. Zur kostenfreien Nachlieferung der Endlos-Formularführung ist die Klägerin entgegen der Meinung der Beklagten jetzt nicht mehr verpflichtet, das dahin gehende Angebot der Klägerin hat die Beklagte nicht angenommen, da sie auf die Rücknahme der Maschine bestanden hat."

Auf die Berufung der Beklagten hat das Gericht das Urteil des Landgerichts geändert und die Klage abgewiesen. In den Gründen heißt es wie folgt:

"Die Beklagte hat bei der Klägerin im Jahre 1979 einen Bürocomputer mit vollständiger Lieferung eines Finanzbuchhaltungs-, Lohn- und Fakturenprogramms gekauft. Nach der Beweisaufnahme stellte sich bei der Einarbeitung heraus, daß die Maschine einen Sachmangel im Sinne des ° 459 BGB aufwies, der die Beklagte berechtigte, gem. ° 462 BGB die Wandlung zu erklären. Dies tat sie, indem sie am 5. Februar 1980 gegenüber der Klägerin deutlich zum Ausdruck brachte, daß sie für den Computer nebst geliefertem Programm und Zubehör keine Verwendung mehr besitze und alles zur Abholung bereitstehe.

Zweck der Kaufsache maßgebend

Grundsätzlich ist jeweils der vertraglich vorausgesetzte Zweck der Kaufsache maßgebend (Palandt/ Putzo, BGB 41. Auflage, ° 459, Anm. 3 a). Vertraglich vorausgesetzt war, daß die Beklagte mit dem Computer ihre Lohnabrechnung erledigen konnte. Dies war hier nicht der Fall, wie sich aus der Bekundung der fachkundigen Zeugin R., welche die Einarbeitung vornehmen sollte, ergibt. Die Zeugin hat nämlich am 5. Februar 1980 "festgestellt, daß die Endlos-Formularführung, die für die Lohnabrechnung erforderlich ist, nicht vorhanden war". Hiermit übereinstimmend hat der Zeuge T. ausgesagt, die Einarbeiterin habe ihm bei einem Anruf mitgeteilt, daß für das Lohnprogramm, welches sie einweisen wollte, eine Endlos-Formularführung für die Maschine "fehle". Weiter heißt es in der Aussage: "Ich fragte sie, ob sie die Einweisung nicht trotzdem vornehmen könne, damit ich mir über den Sachverhalt einen Überblick verschaffen könne. Sie verneinte dies". Ein Fehler liegt vor, weil sich die Maschine so, wie sie bei der Beklagten aufgestellt worden war, zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck als nicht tauglich erwies. Die Klägerin schuldete eine von funktionsfähige Maschine, wobei es unerheblich ist, ob für die einzelnen Teile des Computers beziehungsweise der Programme verschiedene Rechnungen ausgestellt wurden. Die teilweise Funktionsunfähigkeit des Computers ist auch nicht so unerheblich bezüglich Wert oder Tauglichkeit, daß sie außer Betracht bleiben kann (° 459 Abs. 1 Satz 2 BGB). Denn unerheblich im Sinne des Gesetzes ist der Fehler nur dann, wenn er mit geringfügiger Mühe oder unbedeutendem Kostenaufwand zu beseitigen ist (Jauernig/ Vollkommen BGB, 2. Auflage, ° 459 Anm. 4). Dies aber war nicht der Fall weil die Endlos-Formularführung der Beklagten mit 1000 Mark in Rechnung gestellt werden sollte.

Soweit die Klägerin auf ihre Geschäftsbedingungen und ihr Recht auf mehrfache Nachbesserung verweist, führt auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Klägerin hat am 5. Februar 1980 endgültig die Nachbesserung verweigert, indem sie erklärte, nur gegen Zahlung von 1000 Mark die Endlos-Formualführung liefern zu wollen. Das ergibt sich aus der Aussage des Zeugen T. und der Bekundung der Zeugin R., denen der Senat insoweit folgt. Die Beklagte konnte also wirksam wandeln. Daß die Klägerin später mit Schreiben vom 7. März 1980 - eingestehend, daß es sich bei der Lieferung der Endlos-Formularführung um eine Verpflichtung ihrerseits handelte - eine Endlos-Formularführung auf ihre Kosten anbot, vermochte nicht mehr erheblich zu werden, weil die Beklagte bereits am 5. Februar 1980 zufolge der Weigerung der Klägerin die Wandlung erklärt hatte.

Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. November 1982 nochmals auf ihren Nachbesserungsanspruch hingewiesen und um besondere Beachtung dieses Gesichtspunktes gebeten hat, ist zu wiederholen, daß sie sich durch ihre Weigerung, kostenlos nachzubessern, ihres Nachbesserungsanspruches begeben hat."

Anmerkung:

1. Das Oberlandesgericht wertet den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag ausschließlich nach dem von dem Erwerber beabsichtigten Zweck. Das System war bestimmt zur Durchführung der Lohnabrechnung, also hatte die Klägerin von Hard- und Software her alles zu liefern, damit das Programm gefahren werden konnte. Trotz unterschiedlicher Rechnungen über Hard- und Software sieht es den Vertrag als einen einheitlichen an. Bei einem Bürocomputersystem ist diese Betrachtung auch richtig, weil nur ganz bestimmte Anwendungen damit in aller Regel durchgeführt werden und Erweiterungen meistens nicht vorgesehen sind.

Recht zur Wandelung

2. Von Bedeutung sind die Ausführungen zum Lieferumfang. Anders als das Landgericht zählt das Gericht alle Leistungen zur Lieferverpflichtung der Klägerin, die für die Anwendung unbedingt erforderlich sind. Nach den Aussagen der Zeugen bei der Einarbeitung konnte ohne die Endlosformularführung mit dem System nicht gearbeitet werden. Die Klägerin war nach der richtigen Auffassung des Gerichts daher verpflichtet, noch zu liefern, und hätte erst dann ihre Vertragspflichten erfüllt. Das Fehlen wertet das Oberlandesgericht als Mangel, der Gewährleistungsansprüche zur Folge hat. Die - sicher häufig verbreitete - Meinung, man sei bereit, gegen Mehrkosten ein weiteres Teil zu liefern, weist es als falsch zurück, weil die Lohnabrechnung mit den von der Klägerin überlassenen Gegenständen nicht funktionierte.

3. Es sieht ferner - und das sollte in der Praxis sehr genau beachtet werden - in dem scheinbar großzügigen Angebot, gegen Bezahlung das fehlende Teil zu liefern, eine endgültige Ablehnung von Nachbesserungsarbeiten und gewährt der Beklagten das Recht zur Wandlung, das heißt, der Rückgabe der gesamten Anlage. Diese Konsequenzen sind sehr weitreichend, späteres Verhalten der Klägerin, auch das Angebot, doch noch umsonst nachzuliefern, ist nach der zwar strengen aber, wenn man das Verhalten der Parteien ernst nimmt, konsequenten Meinung des Gerichts ohne jeden Einfluß auf die Vertragsabwicklung.