Hochverfügbarkeit/Hochverfügbarkeit kommt Anwender teuer

Uptime-Garantien gibt es nur gegen strenge Auflagen

07.04.2000
Fast alle wichtigen Hardwareanbieter und etliche IT-Dienstleister haben sich das Thema Hochverfügbarkeit auf die Fahnen geschrieben. Mit entsprechenden Garantien wollen sie Kunden locken. Jochen Ewe* hat einige Angebote unter die Lupe genommen.

Das Geschäft mit der garantierten Verfügbarkeit lohnt sich offensichtlich. Compaq etwa schätzt, dass bereits zehn Prozent des eigenen Serviceumsatzes auf die Absicherung von Mission-Critical-Systemen entfallen. In einer Zeit, in der auch der letzte Hardwareanbieter das Servicegeschäft für sich entdeckt hat, empfiehlt es sich für den nach Uptime-Garantien suchenden Anwender, die unterschiedlichen Angebote genau zu betrachten. Neben den Hardwaregrößen wollen schließlich auch etliche - nach eigenen Angaben herstellerunabhängige - IT-Dienstleister ein Stück vom Umsatzkuchen.

IBM beispielsweise gibt als Status quo an (Neues steht offenbar kurz bevor): "Wir bieten über unser Servicehaus Service-Level-Agreements (SLAs) an. Dabei gilt: Je höher die Verfügbarkeit, die gewünscht wird, desto höher der Aufwand und damit die Kosten. SLAs können auch komplette Systemlösungen einschließlich der Software abdecken."

Wie IBM-Pressesprecher Hans-Jürgen Rehm einschränkt, decken Verfügbarkeitsverträge auf SLA-Basis nur technische Defekte ab. Darüber, dass auch Hacker-Angriffe, menschliches Versagen etc. versichert sind, hat Rehm keine Informationen. Im Übrigen verweist er auf die gesetzliche Garantie bei Neugeräten und - zum Thema Hochverfügbarkeit - auf Studien Dritter, etwa der Gartner Group, sowie auf diverse IBM-Whitepapers. Letztere wiesen statistisch nach, dass IBM-Server "hochzuverlässig" seien, auch und gerade wenn der Kunde an der Sicherstellung der Hochverfügbarkeit aktiv mitwirke.

Derartige Kundenmitwirkung befürwortet auch NCR-Vertriebsdirektor Andreas Freiherr von Jena. NCR betrachte "eine verkaufte Box als Teil einer integrierten Lösung", die implementiert und um einen maßgeschneiderten Servicevertrag ergänzt werde, "jeweils mit den kundengerechten Response-Zeiten". NCR bietet den Kunden variable Serviceverträge an, bei denen in bestimmten Zeitabständen die geltenden Servicelevel überprüft und im Bedarfsfall modifiziert werden.

Doch werden den Kunden nicht nur Reaktionszeiten zugesichert: Innerhalb des ISSS-Konzepts (Integrated Solution Software Service) ist NCR auch bereit zu garantieren, dass ein Problem innerhalb einer bestimmten Zeit - so Jena - "gefixt ist, egal was für Konsequenzen dahinterstehen, aber mit der Einschränkung, dass das nicht für eine Plattform gelten kann, die irgendwo generisch eingesetzt wird. Wir schauen uns vielmehr zusammen mit dem Kunden den Scope of Services an und wählen einen Teil seiner IT-Landschaft aus. Für diese Insel gewährleisten wir die vereinbarte Wiederanlauffähigkeit."

Für den Fall, dass NCR eine Zusicherung nicht einhält, kann der Kunde eine Konventionalstrafe geltend machen - sofern er einen entsprechenden Vertrag ausgehandelt hat. Verträge, die auch den Ausgleich eventueller geschäftlicher Verluste vorsehen, schließt NCR aus.

Rolf Scherer, Geschäftsführer der Sinitec Vertriebsgesellschaft mbH, Düsseldorf, geht auf das Thema Uptime-Garantie zwar nicht direkt ein, doch lobt er die Hersteller, weil sie Zusatzleistungen anböten, die über die normale Garantieleistung hinausgehen. Scherer meint mit diesen Zusatzleistungen das Know-how und die Mitarbeit professioneller IT-Dienstleister wie eben Sinitec.

Die Bedeutung dieser Extraservices leitet Scherer aus dem Umstand ab, dass zur Sicherstellung einer optimalen IT-Verfügbarkeit nicht nur möglichst viele Einzelsysteme zu über 99 Prozent verfügbar zu halten sind. Denn in einer vernetzten IT-Infrastruktur ergebe sich selbst bei dieser an sich guten Ausgangslage unterm Strich oft nur eine Gesamtverfügbarkeit von unter 90 Prozent. Die Behebung dieses Problems erfordere einen Ansatz, der alle möglichen Stör- und Veränderungsfelder adressiert und mit Spiegelkonzepten, permanentem Monitoring, Backup-Lösungen und Präventivwartung operiert.

Auch Compaq verweist auf das Risiko der sich aufaddierenden Nichtverfügbarkeit (siehe Abbildung): Sechs Komponenten mit Einzelverfügbarkeiten von 99 Prozent oder höher bewirken demnach in einem System eine Gesamtverfügbarkeit von nicht einmal 96 Prozent - bei einem Unternehmen mit Rund-um-die-Uhr-Betrieb (etwa Webshops) kommen auf diese Weise jährlich über 350 Stunden Downtime zustande.

Gerhard Heibili, im Compaq-Bereich Customer-Services für die Hochverfügbarkeits-Services verantwortlicher Produkt-Manager, kann hier nur eingeschränkt trösten: Compaq-Kunden hätten die Möglichkeit, Uptime-Garantien zu erhalten, zumindest "im Prinzip, aber Hochverfügbarkeit ist ein weites Feld". Compaq garantiert für bestimmte Konfigurationen oder bestimmte Systembereiche vordefinierte Verfügbarkeiten. Vom Kunden erwartet Compaq:

-dass er in die für Hochverfügbarkeit nötige Technik investiert - vom Rechner-Cluster über den parallelen Datenbank-Server bis zum Raid-Speicher,

-dass er einen adäquaten Servicevertrag abschließt und

-dass er die Belange des System-Managements nicht vernachlässigt.

"Wenn in nur einem dieser drei Bereiche Defizite auftreten, ist ein System weder hochverfügbar, noch kann seine Verfügbarkeit garantiert werden", warnt Heibili. Darum belässt Compaq es auch nicht bei einer (kostenpflichtigen) einleitenden Analyse der jeweiligen Systemumgebung inklusive der absehbaren Ausfallkosten. Nachdem der Kunde entschieden hat, "was er sich leisten will, um das Risiko zu minimieren", überprüfe Compaq die Einhaltung des vereinbarten Konditionsrahmens, stehe umgekehrt aber auch für selbst zu verantwortende Versäumnisse ein - etwa indem ein Teil der Servicegebühren an den Kunden zurückfließt.

Mit solchen Einschränkungen versehene Verträge schließen auch immer mehr Hewlett-Packard-Kunden ab, sagt Eberhard Meier, Leiter Vertriebs-Marketing Products and Programs bei der deutschen HP-Tochter. Einen direkten Zusammenhang zwischen dem steigenden Kundenbedürfnis nach Absicherung und der von HP unter dem Motto "5 nines - 5 minutes" propagierten "Vision" einer Systemverfügbarkeit von 99,999 Prozent stellt er jedoch nicht her.

Zu den IT-Anbietern, die HP in seinen Bemühungen um Hochverfügbarkeit unterstützen, zählen Oracle, Cisco, SAP und Bea Systems. Das Ziel ist die unbegrenzte Verfügbarkeit des "HP 9000 Enterprise Server" mitsamt Betriebssystem, Datenbanken und - etwas später - mit Applikationen à la ERP.

Die erste Allianz dieser Art war im vergangenen Herbst zwischen Unisys und Microsoft geschlossen worden und bezog eine garantierte Hochverfügbarkeit von Peoplesoft-Anwendungen mit ein. Zuvor schon hatte Unisys zwei Programme aufgelegt mit dem Ziel, eine Verfügbarkeit, wie sie sonst nur Großrechner bieten, auch auf Intel-basierten NT-Servern zu realisieren.

HP-Manager Meier verweist darauf, dass sein Unternehmen auch jetzt schon viel für die prophylaktische Sicherung von Systemen tue. Sein Beispiel: HPs Strategieprogramm "Web Quality of Service" (Web QoS), bestehend aus Produkten und Technologien, mit denen Internet-Provider ihre Services verbessern können. Web QoS unterstützt ISPs im Sinne des Managements von SpitzenlastSituationen und ermöglicht die Kontrolle über das Antwortverhalten von Web-Applikationen. Überhaupt seien die HP-Server bereits auf den Einsatz in Mission-Critical-Anwendungen eingestellt. Und wenn ein entsprechender Servicevertrag abgeschlossen werde, sei HP auch heute schon zu Uptime-Garantien bis hin zu 99,95 Prozent bereit - Oracle-Datenbanken inklusive.

Für die nähere Zukunft hat sich HP der 99,999-prozentigen Verfügbarkeit verschrieben. Dazu Meier: "Jeder weiß: Wenn ein System ungeplant nur noch fünf Minuten pro Jahr ausfallen darf, dann darf dieses System im Endeffekt gar nicht mehr ausfallen. Das stellt einen hohen Anspruch an die Technologiekonzepte. Anwendungen und Datenbanken müssen permanent verfügbar bleiben." Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres will HP mit "5 nines - 5 minutes" so weit sein, dass erste marktreife Entwicklungen präsentiert werden können. Weitere Vorhaben in Sachen Verfügbarkeit sind der zukünftige Ausbau der Service- und Support-Dienstleistungen und die gemeinsam mit Cisco angestrebte Erhöhung der End-to-End-Verfügbarkeit von Internet-Applikationen.

Ähnlich wie Sinitec hat sich auch die Muttergesellschaft Siemens IT Service der Herstellerunabhängigkeit verpflichtet und bietet neben Dienstleistungen rund um die IT-Infrastruktur Garantieleistungen und Service-Packs an. Erstere können für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren zugesichert werden. Die Service-Packs orientieren sich an den drei Standardpaketen Basic, Extended und Premium - letzteres mit vertraglich garantierten Reaktions- und Wiederherstellzeiten. Regelmäßig durchgeführte Präventivdiagnosen sowie ein spezielles Eskalations-Management für den Ernstfall sollen zur Verfügbarkeit und Funktionsfähigkeit der IT beitragen.

Während die Hardwarehersteller für das Management der (Teil-)Systeme meist die Mitverantwortung der Anwender in den Vordergrund stellen, betont der IT-Dienstleister Siemens IT Service seine plattformübergreifenden Multivendor-Services aus einer Hand. Gerade dieses Angebot erweise sich bei heterogenen Großsystemen für die Kunden oft als ausschlaggebendes Kriterium.

* Jochen Ewe ist freier Journalist in Flintsbach am Inn.

Abb.: Sechs Komponenten mit Einzelverfügbarkeiten von 99 Prozent oder mehr bewirken unterm Strich eine Gesamtverfügbarkeit von nicht einmal 96 Prozent. Quelle: Compaq