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Update: Weitere Ermittlungen in der Siemens-Affäre

28.03.2007
Erstmals ist in der Siemens-Affäre ein amtierendes Zentralvorstandsmitglied verhaftet worden. Gegen Siemens-Europachef Johannes Feldmayer wird von der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue zum Schaden des Konzerns ermittelt.

Der 50- jährige Manager sei am Dienstag in München im Zuge einer neuen Durchsuchungsaktion verhaftet worden, sagte ein Siemens-Sprecher. "Wir sind weiter an einer umfassenden Aufklärung interessiert und kooperieren voll mit der Staatsanwaltschaft."

Mit der Verhaftung Feldmayers hat die Siemens-Affäre einen neuen Höhepunkt erreicht. Bislang waren bereits die ehemaligen Vorstände Thomas Ganswindt und Heinz-Joachim Neubürger als Beschuldigte in die Affäre verwickelt, soweit sie sich auf mögliche Unregelmäßigkeiten in der früheren Festnetzsparte bezog. Ganswindt saß dabei vor Weihnachten - wie nun Feldmayer - in Untersuchungshaft.

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" wird nun in der jüngsten Affäre auch gegen den ehemaligen Finanzvorstand und Aufsichtsratschef Karl-Hermann Baumann ermittelt. Siemens-Vorstand Feldmayer, Baumann und weitere Führungskräfte sollen nach weiteren Informationen der Zeitung dafür verantwortlich sein, dass der Nürnberger Unternehmer und frühere Siemens-Betriebsrat Wilhelm Schelsky seit 2001 fast 34 Millionen Euro Beraterhonorare erhalten haben, ohne angemessene Gegenleistungen zu erbringen.

Schelsky, der in Untersuchungshaft sitzt, trat am Dienstag als Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) zurück. Mit Siemens hatte er Verträge über Beratung, Training und Schulungen für Mitarbeiter und Betriebsräte geschlossen. Nachdem Schelsky sich selbstständig gemacht hatte, übernahm er nach früheren Siemens-Angaben auch zahlreiche Outsourcing-Dienstleistungen für das Unternehmen. Unterschrieben wurde der Vertrag den Angaben zufolge von Feldmayer.

"Vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Wochen wird sich die AUB neu ausrichten", teilte die stellvertretende AUB-Bundesvorsitzende Ingrid Brandt-Hückstädt am Abend in Nürnberg mit. Die AUB wurde von Siemens-Betriebsräten als bislang gewerkschaftsfern und dem Siemens-Management nahestehend beschrieben.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth bestätigte am Dienstag eine Verhaftung, ohne den Namen Feldmayers zu nennen, sowie Ermittlungen gegen mehrere Mitarbeiter der Siemens AG. Die Beschuldigten seien im Zusammenhang mit den Zahlungen an eine Unternehmensberatung "aus der Sicht der Staatsanwaltschaft verdächtig, sich der Untreue zum Nachteil der Siemens AG schuldig gemacht zu haben", hieß es in einer Mitteilung.

Der Finanzexperte Wolfgang Gerke hat die Verhaftung Feldmayers in einem Interview mit der "Deutschen Welle Fernsehen" als einen immensen Imageschaden bezeichnet, der auch über Siemens hinausgehe. "Siemens ist ein hervorragend arbeitender Weltkonzern, ist innovativ. Aber international ist es keine Entschuldigung, dass man sagt, den anderen Unternehmen passiert so etwas auch. Das schädigt das Image von Siemens nachhaltig." Hier sei, sagte Gerke zu DW-TV, offensichtlich auf höchster Managementebene etwas gedeckt worden, wo man mit Geld versucht habe, Mitarbeiter wohlwollend, gefügig zu machen. "Das ist nicht akzeptabel. Das schädigt die deutsche Wirtschaft nach außen."

Laut bisherigen Ermittlungen soll im Rahmen der gesamten Schmiergeldaffäre eine Gruppe von teils ranghohen Siemens-Mitarbeitern mindestens 200 Millionen Euro unterschlagen und im Ausland als Schmiergeld eingesetzt haben. Siemens selbst geht sogar verdächtigen Zahlungen von bis zu 420 Millionen Euro nach. Im Zuge der Affäre hat es bereits zahlreiche Durchsuchungsaktionen gegeben. Am Dienstag wurden nun erneut Standorte in München, Nürnberg und Erlangen durchsucht.

Zu den Vorgängen bei Siemens wollte sich AUB-Funktionärin Brandt-Hückstädt nicht äußern. Die AUB selbst sieht sich in die Schmiergeldaffäre nicht verwickelt. Die Vorwürfe richteten sich nicht gegen die AUB, sondern gegen Schelsky als Privatperson. Die Organisation war als Konkurrenz zu den etablierten Gewerkschaften gegründet worden. (dpa/tc)