1100 Mitarbeiter betroffen

Update: HP macht Rüsselsheim dicht

04.02.2013
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Die Hewlett-Packard GmbH schließt einen ihrer wichtigsten deutschen Services-Standorte. In Rüsselsheim wurden vor allem Leistungen für die General-Motors-Tochter Opel erbracht.
Das ehemalige EDS-Rechenzentrum in Rüsselheim: Künftig wird es von einem HP-Partner betrieben.
Das ehemalige EDS-Rechenzentrum in Rüsselheim: Künftig wird es von einem HP-Partner betrieben.
Foto: EDS/HP

Am Standort Rüsselsheim beschäftigt HP rund 1100 Mitarbeiter, der Großteil von ihnen steht vor einer ungewissen Zukunft. Vergleichsweise gute Nachrichten gibt es für rund 200 bis 250 Mitarbeiter, die künftig direkt bei Opel angestellt werden. Der Wechsel ist Teil des weltweiten Insourcing-Projekts, das General Motors Mitte vergangenen Jahres angekündigt hat. Weitere 50 Mitarbeiter im Rechenzentrumsbetrieb werden von einem noch nicht benannten Partner übernommen und können ebenfalls auf eine nahtlose Weiterbeschäftigung vertrauen. Für rund 800 bis 850 Mitarbeiter kommt dagegen das Aus. "Wenn im Rhein-Main-Gebiet 800 Computerspezialisten gleichzeitig auf den Markt kommen - so viele Arbeitsplätze gibt es hier gar nicht", schimpfte Betriebsrat und Systemadministrator Thomas Hillesheim gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Die Betroffenen können nun nur noch darauf hoffen, dass der Betriebsrat ihren Arbeitsplatzverlust in den Gesprächen mit dem Management finanziell abfedert.

Die Gewerkschaften IG Metall und Verdi kündigten bereits einen harten Verhandlungskurs an: "Die Beschäftigten sollen hier für Managementfehler geradestehen, ohne dass eine Strategie erkennbar wird, wohin sich HP in Deutschland entwickeln soll. Wir fordern eine langfristige Personalplanung und Entwicklungsmöglichkeiten für die Beschäftigten im Konzern", begründeten die HP-Aufsichtsratsmitglieder Thomas Müller, Verdi, und Johannes Katzan, IG Metall, ihre Ablehnung der Pläne. "Jetzt ist das Spitzen-Management gefragt, an konstruktiven Lösungen statt einem kurzfristigen Kahlschlag mitzuarbeiten."

HP hat den Standort Rüsselsheim im Zuge der EDS-Akquisition im Jahr 2008 übernommen. EDS wiederum war langjähriger und enger Outsourcing-Partner von General Motors (GM) und Opel. Zwischenzeitlich hatte GM EDS sogar als Tochterunternehmen in den Konzern integriert. Bereits wenige Monate nach der EDS-Übernahme, im September 2008, kündigte das HP-Management Massenentlassungen an. Der Konzern plante nach der Fusion mit einer um 7,5 Prozent oder knapp 25.000 Mitarbeitern reduzierten Belegschaft. Im Herbst 2012 ereilte die HP-Mitarbeiter die nächste Hiobsbotschaft: CEO Meg Whitman kündigte an, weltweit 29.000 Stellen zu streichen. Wie viele Kollegen es in Deutschland trifft, wurde zunächst nicht bekannt.

HP-Deutschland-Chef Volker Smid: Dominanz der Offshore-Provider erfordert einen neuen Mix aus Onshore- und Offshore-Ressourcen.
HP-Deutschland-Chef Volker Smid: Dominanz der Offshore-Provider erfordert einen neuen Mix aus Onshore- und Offshore-Ressourcen.

Die Schließung in Rüsselheim ist laut HP-Geschäftsführer Volker Smid Folge der verschärften Bedingungen im Auslagerungsgeschäft: "Rüsselsheim ist für HP fast ausschließlich ein Outsourcing-Standort, und im Outsourcing gibt es erheblich Marktveränderungen", begründete der HP-Manager im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE den Schritt. Der Kosten- und Preisdruck über die diversen Generationen der Outsourcing-Verträge hinweg zwinge jeden Anbieter dazu, über seine Mischung aus Onshore- und Offshore-Kapazitäten nachzudenken, beziehungsweise sie zu optimieren. Zudem müsse man seinen Automatisierungs- und Standardisierungsgrad erhöhen. "Das hängt nicht zuletzt auch mit der zunehmenden Dominanz der reinen Offshore-Provider zusammen", betonte Smid.

Dieser Entwicklung folgend verlagert HP die Aufgaben von 400 Mitarbeitern in die HP-Offshore-Niederlassung in Sofia, Bulgarien. Welche Services genau betroffen sind, ist bis dato noch nicht klar. Weitere Dienste, die bislang von den Mitarbeitern erbracht wurden, die nun vor der Entlassung stehen, sollen laut Smid zum Teil intern weiter betrieben werden. "Wir haben in Deutschland 4400 Servicemitarbeiter, auf die die Arbeit übertragen werden kann", so Smid. Zudem werde man Leistungen von lokalen Partnern beziehen. Dadurch könne man im Lauf der Zeit weitere Produktivitätssteigerungen erzielen.

Rüsselsheim war bislang der drittgrößte Standort des HP-Geschäftsbereichs Enterprise Services (ES). Obwohl auch andere Niederlassungen den Einflüssen des Offshorings, des Preisdrucks in Anschluss- und Neuverträgen und der steigenden Automatisierung und Standardisierung unterliegen, sind vergleichbare Maßnahmen dort nicht geplant. "Die Mischung zwischen Onshore- und Offshore-Kapazitäten verändert sich. Unsere Kunden sind zunehmend global tätig. Es hilft uns wenig, in Deutschland gut aufgestellt zu sein, wenn die Kunden im Ausland wachsen", verteidigte Smid das Vorhaben in Rüsselheim.

Eine Mitverantwortung des lokalen oder weltweiten Top-Managements, das sich seit Jahren vor allem mit der Krisenbewältigung statt mit Wachstumsstrategien beschäftigt, bestreitet Smid: "Es gab in Deutschland eine konjukturbedingte Delle im Jahr 2009, seitdem hat sich das Servicegeschäft in unserem Kernkompetenzfeld IT-Outsourcing sehr gut entwickelt. Außerdem hatten wir einen sehr vernünftigen Verlauf im Application-Management und BPO-Geschäft."

Die Arbeitnehmervertreter verweisen dagegen auf die Konkurrenz, die ihrer Einschätzung zufolge besser mit ihren Mitarbeitern umgeht: "In anderen weltweit tätigen IT-Unternehmen wie T-Systems oder IBM werden Tarifverträge zum Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen und für zukunftsorientierte Qualifizierung verlängert sowie Tarifverträge zum Belastungsschutz beziehungsweise zum Gesundheitsmanagement auf den Weg gebracht", schimpfen IG Metall und Verdi in einer gemeinsamen Stellungnahme. HP versage den Beschäftigten hingegen nicht nur die Anerkennung für geleistete Arbeit, sondern erhöhe auch den Arbeitsdruck und setze somit die psychische und physische Gesundheit der Beschäftigten aufs Spielt, erklärte Verdi-Mitarbeiter Müller.