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Update: Frankreich will Bull erneut unter die Arme greifen

08.03.2004

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die französische Regierung hat einen neuen Plan ausgeheckt, um den Computerpionier Groupe Bull SA vor dem Untergang zu bewahren. Hintergrund ist eine Rettungsbeihilfe über 450 Millionen Euro, die Frankreich bereits Ende 2002 bereitgestellt hatte. Diesen Kredit samt Zinsen sollte Bull laut Forderungen der EU-Kommission schon Mitte Juni 2003 an das Land zurückzahlen – ist aber angesichts seines geringen Cashflows und insgesamt mehr als 720 Millionen Euro Schulden nicht dazu in der Lage.

Zur Lösung des Problems will die französische Regierung Bull nun eine weitere Restrukturierungshilfe in Höhe von 520 Millionen Euro gewähren. Diese Summe muss der IT-Konzern nicht zurückzahlen, als Entschädigung für den indirekten Schuldenerlass wird Frankreich jedoch mit bis zu 30 Prozent an künftigen Gewinnen beteiligt.

Wie ein Sprecher der EU-Kommission bestätigte, hat Frankreich den Vorschlag bereits Ende Februar 2004 vorgelegt. Die Brüsseler Behörde will den Plan in den kommenden Wochen prüfen und innerhalb der nächsten vier bis fünf Monaten eine Entscheidung treffen.

Falls die Wettbewerbshüter dem Vorschlag zustimmen, muss sich Bull aber dennoch zwischenzeitlich Geld für die Finanzierung des überfälligen Kredits beschaffen: Um den Bestimmungen der EU-Kommission zu entsprechen, darf die französische Regierung erst Anfang 2005 die Restrukturierungshilfe überweisen. So besagt eine Vorschrift, dass zwischen staatlichen Restrukturierungshilfen für ein Unternehmen mindestens ein Intervall von zehn Jahren liegen muss. Zuletzt war die Regierung Bull 1994 mit einer Finanzspritze in Höhe von 1,3 Milliarden Euro zu Hilfe gekommen.

Wegen Verletzung der Beihilferegeln hat sich Frankreich im November 2003 eine Anklage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingehandelt. Grund war der bereits erwähnte Bull-Kredit. Diesen hatte die EU-Kommission nur unter der Auflage genehmigt, dass er nach marktüblichen Bedingungen gewährt werde. So legte die Behörde fest, dass das Unternehmen das Geld plus Zinsen bis Mitte Juni 2003 an den Staat zurückzahlen müsse. Als Frankreich bis November 2003 das Geld noch nicht zurückgefordert hatte, beschloss die EU-Kommission, juristische Maßnahmen gegen den Staat zu ergreifen

Die Restrukturierungshilfe ist nur ein Teil eines komplexen Plans, um Bull wieder auf die Beine zu bringen. Zusätzlich sind die privaten Gläubiger des Konzerns bereit, auf 90 Prozent ihrer Anleihen zu verzichten und den Rest in Bull-Aktien umzuwandeln. Außerdem ist eine Kapitalerhöhung um 44 Millionen Euro geplant, an der sich Altaktionäre wie NEC und France Télécom mit 33 Millionen Euro beteiligen wollen (Computerwoche.de berichtete). (mb)