Durchbruch der BK-Systeme erst nach der Vernetzung

Unterstützung in angenehmster Form als Zielsetzung der BK

07.09.1990

Obwohl bereits eine Dekade - in der DV-Welt bekanntlich ein gewaltiger Zeitraum - vergangen ist, seit die ersten Bürokommunikations-Projekte mehr oder weniger löblich von sieh reden machten, ist der allzu vielfältig definierte "Terminus" Bürokommunikation offenbar immer noch so unverzichtbar wie das dazugehörige Marktsegment unübersehbar. Die Autorin, praxiserfahren in unterschiedlichen Büro-Szenarien, schildert ihre Erfahrungen und Erwartungen.

Ein Rückblick auf "zehn Jahre Bürokommunikation" zeigt, daß zu Beginn eine wesentliche technische Innovation gesehen wurde, die sich in dem Einsatz von "Bürokommunikationssystemen" ausgedrückt hat. Der große Durchbruch der elektronischen Unterstützung wurde durch die Vernetzung und dem damit möglichen elektronischen Austausch von Nachrichten und Dokumenten im Hause gesehen. Außerdem sollte jeder Arbeitsplatz Zugriff auf alle diejenigen Funktionen haben, die er zur Erfüllung seiner "Büroarbeit" braucht. Leistungsfähige Drucker ergänzten die Palette der Leistungsmerkmale.

Organisation und Technik gleichermaßen wichtig

Mit der Bürokommunikation waren auch die Hoffnungen verbunden, die Produktivität der Verwaltung "endlich" steigern zu können. Damit aber war von Anfang an das Problem zu lösen, daß sich die Investitionskosten für die Einführung der Bürokommunikation einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung unterziehen müssen. Leichter gesagt als getan!

Zwar waren es "findige" Berater und Forscher die schon früh mit Zahlenmaterial zur Schätzung der Einsparungen aufwarten könnten, doch "gerechnet wurde meist nur mit der Einsparung von Schreibleistung, ähnlich wie bei bis dahin herkömmlichen Textsystemen. Um mit den sich bereits früh zeigenden qualitativen Nutzenfaktoren zu argumentieren, war die Zeit noch lange nicht reif.

Trotz dieser Hürde, die Bürokommunikation hat es geschafft: Nach und nach hat jedes Unternehmen etwas unternommen, um an diesem "Zug der (Büro-)Zeit" mitzumachen. Erleichtert wurde die dafür notwendigen Entscheidungen, weil für den Preis der Bürokommunikation immer mehr und bessere Leistungsmerkmale geboten wurden und auch der "PC-Bereich" sich mit der Bürokommunikation auseinandersetzte.

Die Probleme der Bürokommunikation und die Erwartungen und Anforderungen die an sie gestellt werden, sind jedoch bis heute nicht weniger geworden .

Es ist für die Einführung der Bürokommunikation genauso wichtig die organisatorisch richtige Lösung zu finden wie die technisch richtige Lösung. Nur wenn beide zusammen sich in der idealen Art und Weise ergänzen, kann die Bürokommunikation erfolgreich sein. Bis zu dieser Erkenntnis sind jedoch viele Fehler gemacht worden. Entweder wird die Technik ohne eine vorherige Analyse bestellt und eingesetzt und die organisatorischen Themen bei Bedarf "nachgearbeitet" oder es wird lange vorher der organisatorische Bedarf und die technischen Anforderungen analysiert, diskutiert und formuliert, doch der Mut zur Entscheidung fehlt oder die technische Leistungsfähigkeit zeigt sich aufgrund der hohen Anforderungen und der geringen Investitionsbereitschaft nicht in dem erwarteten Maße.

Auswirkungen werden leicht unterschätzt

Die Technik ist heute in der Lage, dem Anwender sehr viele

Unterstützungsfunktionen anbieten zu können. Die Bürokommunikation hat sich als "Klammer" für alle diese Unterstützungsleistungen erwiesen. Der Bedarf an Funktionen wächst laufend, weil auch die technischen Möglichkeiten ständig verbessert werden. Aus den früheren Einzelfunktionen sind sogenannte Anwendungskonzepte geworden, die weit mehr und tiefer in die organisatorischen Abläufe eingreifen als vermutet wird.

Als Beispiel läßt sich die Gestaltung von elektronischen Formularen nennen, die sich immer mehr zur elektronischen Weiterbearbeitung ausweitet. Mit der Verwendung der elektronischen Formulare werden Programme angestoßen (zum Beispiel Reisekostenabrechnung), die mit in die Einführung, Weiterentwicklung und Verbreitung der Bürokommunikation fallen. Ein anderes Beispiel sind die Zugriffe auf elektronisch vorhandene Informationen.

Integration der Einzelfunktionen

Die Einbeziehung der Zugriffe auf verschiedene Datenbanken ist Aufgabe der Bürokommunikation geworden. Eine wesentliche und neue Aufgabe der Bürokommunikation ist die elektronische Schriftgutverwaltung, die erst jetzt mit ersten Konzeptionen und Anwendungsbeispielen zur Verfügung steht.

Ein wesentliches Merkmal der Bürokommunikation ist die Integration von Einzelfunktionen und damit die flexible "Mischung" von Text, Grafik, Tabellenkalkulation bei einer Dokumentenerstellung oder -bearbeitung.

Die Einzelfunktionen der Bürokommunikation werden immer umfangreicher, zum Beispiel die Einbeziehung von sogenannten Telekom-Paketen (externe Kommunikations- und Postdienste) und der Bedarf sie als integraler Bestandteil innerhalb des "elektronischen Schreibtisches" zu behandeln, wächst mit der Erfahrung und der täglichen Nutzungszeit der Anwender am System.

Multifunktionalität noch nicht im Griff

Leider haben noch nicht alle Bürokommunikations-Anbieter die integrierte Erstellung von sogenannten Mischdokumenten und die hohe Leistungsfähigkeit der Multifunktionalität der Bürokommunikations-Systeme im Griff. Immer wieder muß festgestellt werden, daß der Benutzer in dieser Hinsicht nicht alle seine Erwartungen erfüllt bekommt.

Bürokommunikation heißt aber, aus einer bestehenden Anwendung heraus andere Anwendungen und Ergebnisse leicht integrieren zu können.

Ist dies nicht der Fall, so ist der Benutzer ständig daran, dies als Störfaktor anzuzeigen und einer objektiven Erklärung nicht mehr aufgeschlossen. Da die Bürokommunikation den Anspruch erhebt, daß mit nur einem einzigen Arbeitsplatzsystem fast jeder anstehende Unterstützungsbedarf zu lösen ist, sieht ein Benutzer die Leistungsfähigkeit eines Gesamtsystems (DV und BK) nur noch durch die "Bürokommunikations-Brille" .

Öffnung durch Integration der Telekommunikation

Es hat sich durch die zunehmende technische Ausstattung mit Büro- und Telekommunikation in allen öffentlichen und privaten Unternehmen der Bedarf ergeben, die Telekommunikation, die im Rahmen einer Bürokommunikations-Anwendung gebraucht wird, in die Bürokommunikation zu integrieren. Dies bedeutet, daß heute bei der Analyse und Konzeption der Bürokommunikation nicht mehr strikt nach internem und externem Daten- und Nachrichtenaustausch unterschieden wird, sondern alle Kommunikationspartner als gleichermaßen relevant für die Bürokommunikations-Lösung angesehen werden.

Dies führt dazu, daß das "Eigenleben" der Telekommunikation aus Sicht der Bürokommunikation nicht mehr existiert, sondern eine Funktion wie jede andere Bürokommunikations-Funktion geworden ist. Sicher ist bei der Realisierung stärker auf die Unterschiede zu achten und die entsprechenden Anforderungen (Schnittstellen) zu berücksichtigen.

Aus Anwendersicht hingegen - und die war der Bürokommunikation immer die wichtigste - ist die Unterscheidung zwischen Inhouse und extern, Standort-intern und Standortübergreifend etc. sekundär.

Verbindung von verschiedenen BK-Inseln

Die Bürokommunikation hat ein wichtiges Phänomen in den letzten Jahren zu "bekämpfen", nämlich daß viele Fachbereiche eigene Bürokommunikations-Lösungen aufgebaut haben, weil mit Bürokommunikation auch zugleich der Gedanke an Abteilungs- oder Fachbereichslösungen aufgekommen ist.

Dies hat ursprünglich mit der Leistungsfähigkeit der Technik, die erst langsam gestiegen ist, und den massiven organisatorischen Anpassungsmaßnahmen, die durch die Einführung der Bürokommunikation erforderlich werden, zu tun. Heute befassen sich viele Projekte mit dem Aufbau einer Gesamtkonzeption und mit der Integration der unterschiedlich gewachsenen Bürokommunikations-Lösungen.

Mittlerweile sind die technischen Voraussetzungen so günstig, daß das Denken in Bürokommunikations-Inseln sich abbaut. Vor allem unter Wirtschaftlichkeitsaspekten ist heute klarer zwischen den Vorteilen, die ein Gesamtkonzept bringt, und den Vorteilen von echten Abteilungslösungen zu unterscheiden.

Der Benutzer ist heute in der Lage, seine Ansprüche an die Bürokommunikation klar und deutlich zu formulieren. An erster Stelle steht mittlerweile die einheitliche und ansprechende Benutzeroberfläche ("Klimmzüge bei der Bedienung werden nicht mehr hingenommen"). Vor allem die Führungskräfte, die nach und nach sich in die Bürokommunikation einfügen, verlangen hier die besondere Berücksichtigung ihrer Wünsche.

Das Ziel einer ansprechenden und einheitlichen Benutzeroberfläche muß für alle Benutzer unbedingt angestrebt werden; denn die Bürokommunikation soll die tägliche Arbeit, die sich aufgrund der elektronischen Unterstützung immer stärker auf komplexere und anspruchsvollere Aufgaben konzentriert, nicht stören.

Die Beispiele haben gezeigt, daß es für die "Bürokommunikation" sowohl technisch als auch organisatorisch noch viel zu tun gibt. Der beliebte und immer noch stark durchgeführte Erfahrungsaustausch von Bürokommunikations-Anwendern und Bürokommunikations-Verantwortlichen wird noch lange seinen hohen Stellenwert behalten.

Es soll aber bei diesem Rückblick nicht übersehen werden, daß die Bürokommunikation auch viele positive Auswirkungen gezeigt hat.

Die Bürokommunikation hat wie noch kaum eine DV-Anwendung dazu beigetragen, daß die Organisation sich in einem besonderen Maße weiterentwickelt. Es sind nicht nur neue Arbeitstechniken an den einzelnen Arbeitsplätzen zu bemerken, sondern es ist eine ganz andere Art der Aufgabenerfüllung und der Zusammenarbeit in den Unternehmen entstanden. Immer wieder war festzustellen, daß der "Spaß an der Arbeit" gestiegen ist, weil die bisher zur Verfügung stehenden Arbeitsmittel den gestellten Anforderungen oft nicht genügt haben.

Positive Auswirkung auf das ganze Unternehmen

Insgesamt läßt sich feststellen, daß die Bürokommunikation eine positive Wirkung auf die Leistungsfähigkeit der Aufgabenträger, der Organisationseinheit und des gesamten Unternehmens ausgeübt hat. Zwei Auswirkungen lassen sich hier besonders anführen:

- Die Zeit für die kreative Arbeit und die Zeit für die Denkarbeit haben bei richtigem Einsatz der Bürokommunikation zugenommen, obwohl sich aufgrund wirtschaftlicher Veränderungen in vielen Unternehmen ein Zuwachs an Aufgaben ergeben hat.

- Das Ziel der ganzheitlichen Bearbeitung von Vorgängen kann durch den Einsatz von Bürokommunikation erreicht werden. Dieses Ziel ist aber nur durch Veränderung der Aufgabeninhalte und zum Teil der Kompetenzen zu erreichen. Diese notwendigen Anpassungen haben aber bewirkt, daß die Leistungsbereitschaft der Aufgabenträger durch die Bürokommunikation vielfach gestiegen ist und daher eine Verbesserung der Arbeitsergebnisse erreicht wurde.

Die Bürokommunikation muß sich weiter immer neuen Anforderungen stellen. Sie hat es fertiggebracht, die "Technik" harmonisch in die tägliche Aufgabenerfüllung zu integrieren. Sie ist bei den Unterstützungsfunktionen geblieben, aber in einem Ausmaß, das sich vor 10 Jahren keiner denken konnte. Und es wird weitergehen!

Lassen wir doch den alten Begriff oder geben ihr einen neuen - egal: das Ziel war es damals, heute und wird es in Zukunft sein: das Potential an technischer Unterstützung an allen Arbeitsplätzen, die mit Information und Kommunikation zu tun haben in der für die Aufgabenträger angenehmsten Form zu realisieren.

*Christa Spengler-Rast ist Geschäftsführerin Cognit, Gesellschaft für betriebliche Informations- und Kommunikationssysteme GmbH, Köln