Neue Arbeits(platz)modelle sind gefordert

Unternehmensnetzwerke als Katalysator der Unternehmensorganisation

26.05.2014
Von 
Axel Oppermann beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Social Enterprise, Cloud Computing und Microsoft hineinfällt. Axel schreibt auf Computerwoche als Experte zu den Themen Enterprise Cloud, Digital Enterprise und dem IT-Lieferanten Microsoft. Als IT-Analyst berät er Anwender bei der Planung und Umsetzung ihrer IT-Strategien. Axel ist Geschäftsführer des Beratungs- und Analystenhaus Avispador aus Kassel. Normal 0 21 false false false DE X-NONE X-NONE

Rolle, Bedeutung und Relevanz des Arbeitsplatzes

Der Arbeitsplatz unterliegt in den letzten drei, fünf, zehn beziehungsweise eigentlich schon in den letzten 100 Jahren einem drastischen Wandel, ob gesellschaftlich, individuell oder technologieseitig. Im 19. Jahrhundert waren es zum Beispiel Telegrafie und Telefonie. Im 20. Jahrhundert waren es moderne Schreibmaschinen, die Gestaltung von Arbeitsplätzen oder das papierfreie Büro. Vor etwas mehr als einem Jahrzehnt waren die E-Mail oder "der Heimarbeitsplatz" das Leitbild der neuen Arbeitswelt. Im neuen Jahrtausend kamen die Themen Kollaboration und gemeinschaftliches Arbeiten (Social Business) hinzu - auch über Unternehmensgrenzen hinweg. Gegenwärtig sind es vernetzte Unternehmen - oder sogar Marketing-Phrasen wie das "Unternehmen als Netzwerk".

Einige Konzepte konnten sich nachhaltig durchsetzen, andere hatten eine kurze Hochzeit, und wieder andere Organisationsansätze konnten die Erwartungen nie erfüllen. Was jedoch bleibt, ist die Erkenntnis, dass der Fortschritt der Arbeitswelt permanent und andauernd stattfindet. Eine weitere zentrale Erfahrung ist, dass jeder Wandel, jede Entwicklung und jede Umstrukturierung offen in ihrer Grundkonzeption gestaltet werden muss. Das bedeutet unter anderem, dass technologische Offenheit und Agilität grundlegend für die Leistungsfähigkeit einer Strategie sind. Nur so können zukünftige Entwicklungen antizipiert und umgesetzt werden. Und nur so können operative Korrekturen an der Strategie vorgenommen werden.

So galten bis vor kurzem noch fest installierte Desktop-PCs als optimale Ausstattung von Büro- und Wissensarbeitern. Doch innerhalb von wenigen Jahren haben sich durch neue Endgeräte wie Smartphones und Tablets auf der einen Seite und neue Services auf der anderen Seite die Anforderungen an die IT-Ausstattung maßgeblich geändert. Die gesamte Arbeitswelt wurde quasi mit einem Wimpernschlag auf Mobilität und Flexibilität gedreht. Hieraus entstanden nicht nur Chancen für die Unternehmen. Vielmehr ergeben sich auch Herausforderungen für die Gestaltung der Arbeitsumwelt, die Einhaltung rechtlicher Rahmenparameter (zum Beispiel Datenschutz) und an die gesamte Ausrichtung der Organisation.

Dabei darf nicht vergessen werden: Werte bedingen einander, brauchen einander und begrenzen einander. Entscheidet sich ein Unternehmen dafür, die Arbeitswelt und die Interaktion zwischen einzelnen Personen, Teams und Unternehmen flexibler und offener zu gestalten, entsteht auch der Bedarf an einer Diskussion über Werte. Ein solcher Wert ist Vertrauen. Grundlage für Vertrauen ist Transparenz. Organisationsform und IT-Technik können Transparenz schaffen. Es werden Freiräume benötigt. Es geht darum, die Möglichkeiten, die das einzelne Individuum oder das Team (oder der Kunde oder der Lieferant etc.) hat, in eine Idee zu gießen. Hierfür werden Freiräume benötigt. Das Fundament von Freiräumen ist Vertrauen. Die Blaupause von Vertrauen ist Transparenz.

Wird Transparenz gewollt, sind offene Räume notwendig. Und dies kommt dem Charakter von Menschen entgegen, da Menschen von Natur aus nicht dafür geschaffen sind, in geschlossenen Räumen zu leben. Dies betrifft auch die Arbeitswelt. "Geschlossene Räume" sind hier nicht im Sinne der Architektur zu verstehen, sondern vielmehr im Sinne von Denkmustern, Arbeitsweisen, Verhaltensmustern. Deshalb muss bei der "Architektur" der Arbeitswelt dafür Sorge getragen werden, dass der Einzelne am Tagesverlauf der Masse teilhaben kann - und umgekehrt. Jedoch ist hiermit nicht der gläserne Mensch gemeint und darf auch nicht als Ziel verstanden werden.

Was zu tun ist

Versetzen Sie sich zurück in das Jahr 2000. Eventuell in den März 2000. Also an den Zeitpunkt, wo die weltweite Spekulationsblase platzte, die auch unter dem Begriff "Dotcom-Blase" bekannt wurde. Einem Zeitpunkt also, ab dem nicht nur große Skepsis gegenüber Spekulanten herrschte, sondern auch neue Technologien und Geschäftsmodelle argwöhnisch betrachtet wurden. Hätte eben gerade zu diesem Zeitpunkt jemand behauptet, dass bereits zehn oder 12 Jahre später eine größere Zahl von Menschen mit einem handlichen Gerät per Messaging oder E-Mail von unterwegs bei Unternehmen verschiedenste Dienstleistungen nachfragt, sich mit Freunden und Bekannten jederzeit austauscht oder sich sogar über diese oder ähnliche Geräte mit dem eigenen Arbeitsplatz vernetzt, hätte man ihn wahrscheinlich ausgelacht. Heute sind wir schlauer: Mobile Geräte und die damit verbundenen Anwendungen und Datendienste haben die Art und Weise verändert, wie die Welt sich dreht. Aber auch die klassische stationäre Arbeit hat sich weiterentwickelt. Die Digitalisierung der Arbeitswelt führte - und führt - zu einer Neuordnung formaler und informeller Prozesse in Unternehmen. Der Arbeitsraum hat sich für viele Menschen ausgedehnt und ist nicht mehr durch Raum, Ort oder Zeit limitiert.

Hierdurch kann die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer in vielen Berufen tatsächlich erreicht werden. Familienfreundliche flexiblere Arbeitszeiten werden Voraussetzung und sind geeignete Rahmenparameter, die einerseits etablierte Werte erhalten, andererseits jedoch einen wettbewerbskonformen Fortschritt ermöglichen. Auch deshalb wird gefordert: Anstatt sich mit einer Frauenquote zu beschäftigen, müsste die EU-Kommission eine Diskussion darüber anstoßen, wie Europa im 21. Jahrhundert auf den globalen Märkten wettbewerbsfähig bleibt und welche Rahmenparameter notwendig sind. Statt sich über die sinkenden Geburtenraten auszulassen, sollte die Bundesregierung Gesetze schaffen, die für unterschiedliche Qualifikationsprofile und Lebenssituationen mobile, ortsungebundene und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze ermöglichen.

Das vernetzte Unternehmen - respektive das "Unternehmen als Netzwerk" - wird als Teil einer Organisationsform in Unternehmen, als Geschäftsmodell und in der Gesellschaft nur funktionieren, wenn die jeweils beteiligten Parteien ihre Interessen nicht optimieren. Mit anderen Worten: Es gilt, sich vom Modell des Homo oeconomicus - und der in den letzten Jahren gelebten Form der Marktwirtschaft und des Kapitalismus - zu trennen. Das Reduzieren einer komplexen Welt und unserer Vernunft auf nur zwei mathematische Funktionen - einer Nutzenfunktion und einer Wahrscheinlichkeitsfunktion - führt uns zu einer falschen Systemeinschätzung. Benötigt wird eine Anpassung der Rahmenparameter, die eine soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert ermöglichen, Wettbewerbsvorteile bieten und in globale Wertschöpfungssysteme passen.

Unternehmen müssen eine Strategie verfolgen, bei der immer mehr Mitarbeiter mit immer mehr - respektive immer besseren - Kommunikationsmitteln versorgt werden, die eigene Organisation zu vernetzen, um damit den Austausch von Informationen und Wissen zu forcieren. Sollen die Vorteile bei uns - in Deutschland - gehoben werden, so benötigen wir eine neue Wirtschaftspolitik und einen erweiterten Begriff der Wohlstandsproduktion. Ein solches Modell - eine solche Politik - muss für umfassende Verfügbarkeit von Technik, Prävention und Schadensvorsorge sorgen sowie eine demokratische Mitbestimmung ermöglichen.