IT-Arbeitsmarkt

"Unternehmen werden immer IT-Profis brauchen"

03.01.2012
Von 
Uwe Küll ist freier Journalist in München.
Fragen zum IT-Arbeitsmarkt und was IT-Abteilungen tun können, um Mitarbeiter zu halten, beantwortet die amerikanische Unternehmerin Lois Melbourne.

CW: Die IT-Branche in Deutschland beklagt Wettbewerbsnachteile durch fehlende Fachkräfte. Gleichzeitig wurden und werden viele IT-Spezialisten frühzeitig in den Ruhestand geschickt. Wie ist die Situation in den USA und weltweit?

MELBOURNE: Auch in den USA haben wir alle Probleme, die sich aus einer alternden Bevölkerung ergeben. Unternehmen verlieren erfahrene Mitarbeiter und bekommen nicht schnell genug guten Nachwuchs.

Lois Melbourne... ist Gründerin und CEO des auf HR-Software spezialisierten Unternehmens Aquire mit Sitz in Irving/Texas und einer deutschen Niederlassung in Köln.
Lois Melbourne... ist Gründerin und CEO des auf HR-Software spezialisierten Unternehmens Aquire mit Sitz in Irving/Texas und einer deutschen Niederlassung in Köln.
Foto: Aquire

CW: Wie konnte es zu diesen Problemen kommen?

MELBOURNE: Zum einen ist es eine Folge der demografischen Entwicklung in den westlichen Industriestaaten. Verstärkt wird das Problem zum anderen durch den weitgehenden Verzicht auf das mittlere Management. Die Einführung flacher Hierarchien hat in vielen Firmen die Know-how-Lücken zwischen den erfahrenen Mitarbeitern in führenden Positionen und den Nachwuchsfachkräften dramatisch vergrößert. Jetzt geht es darum, die Kenntnisse und Fähigkeiten zu identifizieren, die den Firmen verloren zu gehen drohen, und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

CW: Was müssen IT-Manager für ihre Mitarbeiter tun?

MELBOURNE: Vor allem müssen sie Transparenz in ihre Organisation bringen. Strategische Kenntnisse, Fähigkeiten und Potenziale der Mitarbeiter kann man nur entwickeln, wenn man darüber Bescheid weiß, welche Skills wo gebraucht werden und wer sie besitzt. Das gilt vor allem in großen, weit verteilten Organisationen - aber nicht nur dort. Außerdem müssen die Führungskräfte bereit sein, dazuzulernen. Es gibt sicher viele Gründe für flache Hierarchien, aber sie sind kein Allheilmittel und in mancher Hinsicht sogar schädlich. Viele erfolgreiche Unternehmen tendieren deshalb dazu, in bestimmten Bereichen eine zusätzliche Hierarchieebene für Team- oder Projektleiter zu schaffen, um strategisches Know-how langfristig zu sichern und hochqualifizierte Fachkräfte auf Führungsaufgaben vorzubereiten. Denn wenn die Perspektiven fehlen, sind die High Potentials die Ersten, die gehen.

CW: Dennoch können ja nie alle Mitarbeiter aufsteigen.

MELBOURNE: Genau. Deshalb sind die Arbeitsinhalte mindestens ebenso wichtig. Wer attraktive Arbeiten wie etwa das Design von Benutzerschnittstellen mit neuen Technologien auslagert und die eigenen Leute nur auf alten Cobol-Anwendungen programmieren lässt, muss sich nicht wundern, wenn der Nachwuchs bei nächster Gelegenheit zur Konkurrenz wechselt.

CW: Welche Berufsbilder und Tätigkeiten sind auf dem IT-Arbeitsmarkt in USA denn jetzt gefragt?

MELBOURNE: Aufgrund der wachsenden Bedeutung des Internets werden vor allem Talente mit großer Designkompetenz gesucht, Spezialisten für die Gestaltung von Benutzerschnittstellen - sei es am PC, auf dem Tablet oder für das Smartphone. Wer das gut kann, sucht keinen Job.

CW: Was bedeutet das für die Bewerber einerseits und für die Personalentscheider andererseits?

MELBOURNE: Eine wichtige Anforderung an Bewerber um eine IT-Stelle ist das Verständnis für die Vielfalt der unterschiedlichen Endgeräte. Insbesondere die von Apple gehören in den USA nicht nur in der Marketing-Abteilung zur Standardausrüstung. Wir sind auf dem Weg zu einer personalisierten IT, und die IT-Industrie benötigt Menschen, die das unterstützen.

CW: Was passiert, wenn die Cloud nach Asien weiterzieht und die Services von dort kommen? Braucht man dann noch IT-Kräfte in USA und Europa?

MELBOURNE: Ich bin absolut sicher, dass wir auf absehbare Zeit immer IT-Fachleute in Unternehmen brauchen werden. Und zwar Menschen, die verstehen, wie ihr Unternehmen funktioniert, und mit ihrem IT-Know-how Prozesse und Mitarbeiter unterstützen.