Rezension

"Unternehmen gehen ein, wenn sie zu maßvoll sind"

10.06.2013
Von Nils Rüdel
Mit spektakulären Entscheidungen hat A.G. Lafley den US-Konsumgütergiganten Procter & Gamble umgekrempelt und zum Erfolg geführt. In einem Buch kürt sich der Manager zum Vorbild – und drängt Misserfolge an den Rand.

Es sollte die rettende Idee sein. Als General Motors in den 80er Jahren mitansehen musste, wie mehr und mehr junge Amerikaner billigere und sparsamere Toyotas kauften, musste der US-Autoriese reagieren. Er gründete die Kleinwagen-Marke Saturn, um in dem wachsenden Markt mitzumischen. Der Plan ging nicht auf: 25 Jahre später wurde Saturn nach Milliardenverlusten beerdigt.

Foto: Don Andreas/Fotolia.com

Die Strategen in Detroit hatten einen großen Fehler gemacht: Sie spielten nicht auf Sieg. Das ist das Urteil von A.G. Lafleys, ehemaliger Chef des US-Konsumgüterkonzerns Procter & Gamble (P&G) und Management-Experte. "Saturn wollte im Segment der Kleinwagen für jüngere Käufer teilhaben. Toyota, Honda und Nissan dagegen wollten gewinnen", urteilt Lafley in seinem neuen Management-Ratgeber "Playing To Win".

Auf Lafley zu hören, könnte sich lohnen. Denn wer Procter & Gamble geführt hat, herrschte über das größte Werbebudget der Welt, trug die Verantwortung für Hunderte Marken von Pampers bis Gillette und gehörte zum erlesenen Kreis der Manager eines der 30 wichtigsten Börsenkonzerne der USA.

Gewinnen wollen - das ist die Grundlage jeder erfolgreichen Strategie, predigt Lafley auf gut 260 Seiten. "Zu viele Unternehmen werden irgendwann eingehen, weil ihre Bestrebungen zu maßvoll waren", so der Autor. Marktführerschaft oder nichts. Und auf dem Weg dahin gelte es, klare Entscheidungen zu treffen und Optionen fallen zu lassen.

Das klingt zunächst trivial - welcher Manager will schon verlieren, welcher Entscheider nicht entscheiden? Doch in dem Buch, das Lafley zusammen mit Roger Martin verfasste, dem Dekan der Rotman School of Management an der Universität von Toronto, steckt wesentlich mehr: Es ist die Quintessenz der Strategie, mit der Lafley gemeinsam mit Martin als Berater in den 2000er Jahren den siechen Riesen P&G zu neuer Blüte führten.

Anzeichen für eine Gewinner-Strategie nach A.G. Lafley

Als Lafley im Jahr Vorstandschef wurde, ließ er keinen Stein auf dem anderen und trennte sich selbst von profitablen Geschäftsbereichen. Er schaffte es bis zu seinem Rückzug im Jahr 2010, den Umsatz zu verdoppeln und Profitabilität, Unternehmenswert und Produktpalette deutlich zu steigern. Die P&G-Story gehört zu den faszinierendsten Turnarounds der US-Unternehmensgeschichte, und "Playing To Win" ist eine Art Anleitung zum Nachmachen. Und eine Erklärung dafür, warum Marken wie Apple, Nike oder Mars so erfolgreich sind.

Lafleys Misserfolge stehen nur kurz im Anhang

Als Grundlage jeder Gewinner-Strategie haben Lafley und Martin fünf Fragen ausgemacht, über die sich ein Manager im Klaren sein muss. Wie bei einer Kaskade müssen sie aufeinander aufbauen:

  • Was will ich genau gewinnen, etwa die Marktführerschaft oder ein bestimmtes Umsatzziel?

  • Wo will ich auftreten - in welchem Markt, in welchem Kundensegment, mit welchem Vertriebsweg?

  • Wie will ich gewinnen - durch welche Wettbewerbsvorteile?

  • Welche Ressourcen habe ich, die andere nicht haben?

  • Welches Personal und welche Strukturen sind nötig?

Strategie sei weder ein Plan noch eine Vision, so die Autoren. "Strategie heißt, klare Entscheidungen zu treffen - dieses tun, jenes lassen - und um diese Entscheidungen herum ein Geschäft aufzubauen". Diese passten auf ein einzelnes Blatt Papier.

A.G. Lafleys Karriere

A.G. Lafleys Karriere

Alan G. Lafley wurde im Juni 1947 in Keene, New Hampshire, geboren. Er studierte Geschichte in den USA und Paris und wollte in mittelalterliche Geschichte promovieren, ging aber 1970 für fünf Jahre zur Marine. Erst danach schlug er den Weg für eine Manager-Karriere ein und besuchte die Harvard Business School.
Nach dem Wirtschaftsstudium ging er unmittelbar zum Konsumgüterkonzern Procter & Gamble. Zunächst arbeitete er im Marketing für Spül- und Waschmittelmarken und kletterte in der Abteilung bis zum Chef auf. 1994 wurde für das Fernost Geschäft des Konzerns verantwortlich und begleitete das rasante Wachstum des Unternehmens in China. Ab 1998 leitete er das Nordamerika-Geschäft und übernahm bald auch die Sparte für Schönheitsartikel.
Im Juni 2000 rückte Lafley an die Konzernspitze und musste gegen schrumpfende Gewinne ankämpfen. Er verordnete dem Unternehmen einen Sparkurs und baute bis 2003 etwa 10.000 Arbeitsplätze ab, baute das Geschäft mit Schönheitspflegeprodukten aus und fokussierte das Geschäft auf besonders erfolgreiche Marken. Fast zwei Dutzend Marken erreichten unter seiner Führung die Umsatzschwelle von einer Milliarde Dollar pro Jahr.
Lafley trieb das Wachstum auch durch gleich mehrere große Übernahmen voran. Die Schönheitspflege-Produkte der Marke Clariol verleibte er 2001 dem Konzern ein (für 4,9 Mrd. Dollar), ab 2003 kaufte er die deutsche Marke Wella (für 6,6 Mrd. Euro) und 2005 folgte dann das Meisterstück: der Kauf des Rasierer-Herstellers Gillette mit der deutschen Marke Braun für 57 Milliarden Dollar. Im Sommer 2009 legt Lafley sein Amt nieder. Der Umsatz des Konzerns hatte sich gegenüber 2001 auf 83,5 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt.

A.G. Lafleys, ehemaliger Chef des US-Konsumgüterkonzerns Procter & Gamble (P&G) und Management-Experte.
A.G. Lafleys, ehemaliger Chef des US-Konsumgüterkonzerns Procter & Gamble (P&G) und Management-Experte.
Foto: Procter & Gamble

Um die Entscheidungen treffen zu können, müsse der Manager sich mit seinem Produkt, dem Markt, den Konkurrenten und den Kunden, die es zu umgarnen gilt, bis ins Detail auskennen. Als Beispiel ziehen Lafley und Martin immer wieder gerne ihren eigenen Erfolg mit "Oil of Olay" (in Deutschland: "Olaz") heran. Die Anti-Falten-Creme schien Ende der 90er Jahre wenig Zukunft zu haben: Sie galt als ein Billigprodukt für ältere Damen. Doch mit Hilfe der fünf Fragen, so Lafley, sei aus der Creme, die einst als "Oil of Old Lady" verspottet wurde, ein hochpreisiges Produkt für Frauen ab 35 geworden.

Darüber hinaus erzählt das lesenswerte Buch viele Details aus dem Innenleben des Konsumgüter-Riesen. Abstraktere Theorien, die teilweise auf den Werken der Management-Grurus Peter Drucker und Michael Porter beruhen, garnieren Lafley und Martin immer wieder mit Beispielen von P&G oder anderen bekannten Konzernen. Ihre Erfolge breiten sie dabei freilich ausführlich aus - die Misserfolge, etwa in der Arznei-Sparte, bei Pringles oder der Kaffeemarke Folgers, finden sich auf nur einer Seite im Anhang.

Ermüdend wirkt es stellenweise, wenn die Autoren ständig wiederholen, wie wichtig es für Manager ist, eine Auswahl zu treffen. "In meinen mehr als 40 Jahren im Geschäftsleben habe ich festgestellt, dass die meisten Manager nicht gerne Entscheidungen treffen. Sie halten sich lieber Optionen offen", schreibt Lafley in einem der autobiographischen Einschübe. "Das führt dazu, dass sie sich irgendwann mit dem Mittelmaß zufriedengeben, im besten Fall.

Das trifft auf Lafley nicht zu. Selbst beim Schreiben spielt er auf Sieg: Er behauptet, sein Buch sei der einzige Strategie-Leitfaden, den Unternehmenslenker wirklich brauchen.

Playing to Win: How Strategy Really Works.
A.G. Lafley und Roger Martin
Harvard Business Review Press

(Quelle: Handelsblatt)