Misstrauen und Sparmaßnahmen prägen die Projekte

Unternehmen fehlt die Integrationsstrategie

07.03.2003
FRANKFURT/M. - Die Integration von Geschäftsanwendungen ist mittlerweile für viele Unternehmen ein finanzielles und strategisches Muss. Doch IT-Abteilung und Management finden keine gemeinsame Sprache. Statt angemessene Strategien zu definieren, gelingen nur kurzfristige und lokale Integrationslösungen, mit oft unklarem Ergebnis. CW-Bericht, Sascha Alexander

"Die IT weiß nicht, was dem Management nachts den Schlaf raubt, und kann nicht erklären, warum ein bestimmter Integrationsansatz gefahren werden sollte", charakterisiert Martha Bennett, Analystin der Giga Information Group, die derzeitige Situation in vielen Unternehmen. Selbst in Konzernen mit entsprechenden Ressourcen seien die geplanten Integrationsprojekte immer noch rein technisch geprägt. "Das macht es den IT-Verantwortlichen sehr schwer, irgendwelche Gelder beim Management freizubekommen."

Der allgemeine Zwang zu sparen erlaube derzeit zwar sowieso keine Projekte im großen Stil, doch fehle es auch an Verständnis zwischen den Lagern, sagte die auf E-Business-Strategien spezialisierte Analystin bei einem Pressegespräch in Frankfurt. Ihr Kollege Luis Leamus, Senior Vice President bei der Meta Group, beobachtet vor allem in Deutschland ein grundsätzliches Misstrauen des Managements in die Fähigkeiten der eigenen Techniker: "Die IT scheint hierzulande keinen guten Ruf bezüglich ihres Verständnisses für Geschäftsprozesse zu haben."

Auch Giga-Expertin Bennett erlebt immer wieder, dass sich hierzulande IT und Geschäftsleitung voneinander abschotten. Hinzu komme, dass Integrationsprojekte fast immer auf eine Veränderung und Optimierung von Prozessen abzielten. Dies löse bei Mitarbeitern und ihren Interessenvertretern unmittelbar die Sorge über einen möglichen Stellenabbau aus. "Der IT bleibt in dieser Situation oft nichts anderes übrig, als bestehende Prozesse zu automatisieren, die eigentlich abgeschafft gehörten", sagte Bennett.

"Die meisten Integrationsprojekte dienen nur der Feuerbekämpfung", stimmt Nikos Drakos, Senior Research Analyst bei Gartner, der Einschätzung seiner Kollegin zu. Allerdings will er die Lage nicht ganz so schwarz malen wie seine Kollegen: Neueste Umfragen unter europäischen CIOs hätten ergeben, dass Anwendungsintegration nicht mehr überall als Geheimwissenschaft gilt. Vielmehr diskutiert inzwischen auch die Geschäftsleitung diese Probleme. Sie suche dabei nach Wegen, das Unternehmen besser zu steuern und die laufenden Kosten zu drücken. "Angesichts der wirtschaftlichen Lage, besteht aber zur Zeit nicht die Chance, in der IT-Landschaft gründlich aufzuräumen." Laut Meta-Analyst Leamus dominieren deshalb derzeit vor allem taktische, kurzfristig angelegte Projekte, auch wenn "Integrationsprojekte eigentlich immer langfristig und strategisch sein sollten".

Trotz der genannten organisatorischen Konflikte und der Konjunkturflaute seien aber nach einhelliger Meinung der Marktbeobachter viele Integrationsprojekte in Arbeit. Dabei ist laut Leamus aus technischer Sicht die Anbindung auf Datenebene die häufigste Variante. Vor allem Lösungen für Data Warehousing und Business Intelligence seien mittlerweile weit verbreitet. Gartner-Experte Drakos kennt zudem viele Projekte, in denen auf Anwendungsebene integriert wird. Typischerweise kommen hier Applikations-Server für die Web-Entwicklung zum Einsatz, die mittlerweile auch einige Standardadapter für die Anbindung von Backend-Systemen verwenden. "Firmen, die über entsprechende Ressourcen und Geld verfügen, erstellen auch Lösungen für Enterprise Application Integration (EAI)."

Wer bleibt auf der Strecke?

Trotz der insgesamt steigenden Nachfrage verheißt Meta-Analyst Leamus vielen Anbietern von Integrationssoftware keine Zukunft. "CIOs hinterfragen derzeit intensiv die Investitionssicherheit von Integrationsprodukten und geben ihr Geld eher kurzfristig aus." Nur Anbieter mit üppigen Ressourcen und finanziellen Reserven könnten sich auf längerfristige Verträge Hoffnung machen. Er sehe hier vor allem IBM, Microsoft, Bea Systems und Oracle. EAI-Spezialisten wie Webmethods, Seebeyond oder Tibco hätten zwar die technisch ausgereifteren Produkte, könnten sich aber seiner Ansicht nach nicht auf Dauer im Markt halten.

Ein schärferer Wind könnte laut Giga-Analystin Bennett auch bald den Systemintegratoren entgegenwehen. Sie und ihre Kollegen von der Konkurrenz hören neuerdings, dass Unternehmen von ihren Systemintegratoren verlangen, sich an den finanziellen Risiken beispielsweise einer Softwarelösung für EAI zu beteiligen. "Zwar ist jeder Deal höchst individuell, aber es gibt mittlerweile Projekte, wo ein Teil des Geldes sofort, der andere Teil aber erst dann gezahlt wird, wenn sich die vom Dienstleister versprochenen Einsparungen nachweisen lassen", sagte Bennett.

Dieses Modell ergebe laut Leamus zwar für Hersteller und Anwender einen finanziellen Vorteil, da sich die Einnahmen und Kosten verteilen ließen, bringe aber die Projektbeteiligten in Erklärungsnotstand, weil Metriken für die Messung des Return on Investment meist nicht vorliegen. Es bleibe daher wohl vorerst noch die Ausnahme, dass Kunden und Dienstleister Risiko- und Service-Level-Vereinbarungen im Integrationsprojekt schriftlich fixierten "Unternehmen sollten aber versuchen, drei oder vier für sie wesentliche und vertraute Prozesse für ein Projekt auszuwählen, um künftig detailliertere Aussagen zu den Transaktionskosten machen zu können", rät Leamus.