Nicht nur PC-Preise fallen

Unter Unix haben Workstations gegenüber den PCs die Nase vorn

20.09.1991

Lobeshymnen auf PC-basierte Unix-Lösungen sind nicht gerechtfertigt. Zu diesem Schluß kam Hans-Georg Sannwald* nach einem Test. Im folgenden Beitrag erläutert der Systemingenieur seine Argumente, die gegen ein PC-Unix-System sprechen.

Mit der Leistungsfähigkeit der neuen PC-Hardware, insbesonders seit den Intel-Prozessoren 80386 und 486, ist der Einsatz von Unix auf dieser Architektur möglich geworden. Durch den erheblichen Preisverfall im PC-Markt und den vergleichsweise hohen Preisen bisheriger Unix-Systeme scheint die Kombination Unix und PC auf den ersten Blick eine günstige Alternative zu sein Beim genaueren Hinsehen zeigt sich aber, daß die Entwicklung bei den Unix-Workstations - auch die Preise betreffend - ebenfalls nicht stehengeblieben ist. Nachfolgend werden die Gründe aufgezeigt, warum der Einsatz von PCs unter Unix fraglich erscheint.

Beim Einstieg in die Betriebssystem-Welt Unix ist die Hardwarefrage in der Regel offen, da meist neue Rechner gekauft werden müssen. Selbst wenn bereits PCs vorhanden sind, steht in den meisten Fällen kein 80386DX-Prozessor oder gar eine 486er CPU zur Verfügung Diese Prozessorgrößen stellen aber hardwaremäßig die Mindestanforderung an ein PC-basiertes Unix-System dar, bei Unix-Implementierung auf 286- und 386SX-Hardware ist der Durchsatz zu gering.

Die zweite große Investition ist für das Know-how zu erbringen. Unix-Systeme sind auch auf PC-Basis deutlich komplexer als DOS-Umgebungen. Sie stehen in ihrer Komplexität Unix- oder VMS-Systemen auf anderen Rechnerklassen in nichts nach.

DOS-Programme laufen am besten unter DOS

Softwareseitig besteht beim Wechsel auf eine PC-basierte Unix-Lösung die Möglichkeit, bisher benutzte DOS-Anwendungen weiterhin zu verwenden. Jedoch schränken die in den PC-Unix-Systemen vorhandenen DOS-Emulationen den Anwender gegenüber dem reinen DOS-Betrieb wesentlich ein, obwohl sie an sich recht funktionell sind Zunächst macht sich hier der verminderte Durchsatz bemerkbar.

Das "Expanded"-Memory nach LIM 4.0 wird nur eingeschränkt - bis 1 MB - unterstützt und Programme, die "Extended"-Memory benutzen, sind schlichtweg nicht ablauffähig. Außerdem können auch einzelne, schlecht programmierte DOS-Programme nicht benutzt werden. Es gilt nach wie vor: DOS-Programme laufen am besten unter DOS.

Ist der MS-DOS-Umsteiger gezwungen, Unix-Anwendungen einzusetzen und gleichzeitig typische DOS-Anwendungen zu betreiben, ist es in diesem Fall einfacher, den DOS-PC mit einem Unix-System zu vernetzen. Dies hat den Effekt, daß die Funktionalität beider Systeme in vollem Umfang zur Verfügung steht. Eine weitere Möglichkeit für den Anwender wäre hier außerdem der Einsatz von typischen DOS-Programmen, die inzwischen auf Unix portiert wurden. Dazu gehören Word, Wordperfect, Lotus und Autocad. Diese Portierungen machen auch die Verwendung der DOS-Shell unter Unix kurzfristig überflüssig. Letztendlich ist jedoch von Fall zu Fall zu entscheiden, welche Form der Vernetzung die geforderten Funktionalitäten am besten zur Verfügung stellt.

Ein Unix Einsteiger ohne DOS-Vergangenheit wird die Entscheidung, ob er Unix auf einem PC oder auf einer Workstation installiert, unter anderen Aspekten fallen. Ein wichtiges Auswahlkriterium ist dabei die Menge der verfügbaren Anwendungsprogramme .

Hier haben die etablierten Unix-Systeme verglichen mit Unix-PCs eindeutig die Nase vorn.

Zudem stellt sich die Frage, was ein PC Unix-Benutzer unternimmt, der nach einiger Zeit feststellt, daß der Durchsatz seines 486-Systems für seine Anwendungen nicht mehr ausreicht. Hier bieten RlSC-Prozessoren unter Unix schon heute die vielfache Leistung einer 486er CPU, dem stärksten Prozessor der Intel-Architektur. Bedingt durch das Design der RISC-Architektur ist hier auch für die Zukunft eine weitere drastische Leistungssteigerung innerhalb ein und derselben Prozessorfamilie zu erwarten Dagegen wird die Intel-x86-Plattform dieser Entwicklung nicht so schnell nachkommen.

Bei den entsprechenden RISC-Architekturen kann der Anwender jedoch auch bei erhöhten Leistungsanforderungen ein Einprozessor-System kaufen, das binärkompatibel zum Vorgängermodell ist. Die Software Investition bleibt somit erhalten. Um bei Intel-486-Prozessoren eine höhere Systemleistung zu erhalten, muß für die Verarbeitung Multiprosessing eingesetzt werden. Mehrprozessor-Systeme sind jedoch auf die Dauer nur sinnvoll, wenn die eingesetzten Anwendungen dieses Ablaufprozedere unterstützen (Threading). Die derzeit vorhandenen Programme tun dies nicht, folglich ist die Investition in die Software gefährdet, da Anpassungen oder Portierungen nötig werden. Vergleicht man die hohen Softwarekosten mit den vergleichsweise geringen Hardwarekosten, läßt sich die Bedeutung dieses Sachverhalts erkennen. Zudem bieten natürlich auch RlSC-Systeme die Möglichkeit des Multiprocessings.

Weitere Unterschiede zwischen Unix-PCs und RISC-Systemen treten außerdem bei den Bezugskanälen auf. Bei Unix-PCs müssen in der Regel die Komponenten von Hardware bis Betriebssystem von unterschiedlichen Herstellern gekauft und aufeinander abgestimmt werden. Bei den vorhandenen Unstimmigkeiten der PC-Kompatiblen untereinander, ist dieser Abstimmungsaufwand sehr hoch und die Unterstützung durch den Hersteller beschränkt sich auf das jeweils ihm eigene Produkt. Das Verschmelzen der unterschiedlichen Produkte zu einem arbeitsfähigen System bleibt dem Anwender meist selbst überlassen. Dagegen liefern die Anbieter von Unix-Workstations ein funktionsfähiges Gesamtsystem - einschließlich der Unterstützung durch den Hersteller - aus einer Hand.

Auch ständig fallende PC-Preise können das Preis-Leistungs-Verhältnis einer PC-Unix-Lösung gegenüber einer Unix-Workstation nicht wesentlich verbessern. Zum einen sinken die Workstation-Preise im selben Maß und zum anderen resultieren die größten Investitionen beim Kauf eines PC-basierten Unix-Systems aus den Kosten für das Betriebssystem und der erforderlichen Zusatzhardware wie 8 bis 16 MB Hauptspeicher, I9-Zoll-Monitor, Grafikkarte und 300-MB-Festplatte. Diese Features sind beim Kauf einer Workstation bereits im Basispreis enthalten. Ferner sollte beim Vergleich des Preis-Leistungs-Verhältnisses der zwei- bis dreifache Leistungsvorsprung von RISC-Workstations gegenüber den PC Systemen berücksichtigt werden.