Hickhack um salonfähige Marketing-Strategie - DV-Vertriebschef Schulz-Wolfgramm in der IBM-Hierarchie zurückgestuft

Unter PCM-Druck wird IBM-Verkaufsethik zum Klotz am Bein

31.07.1981

STUTTGART/HAMBURG - Ein Aushang hatte die Mitarbeiter der IBM Deutschland GmbH vorletzte Woche davon in Kenntnis gesetzt, daß Cornelius Schulz-Wolfgramm (48) die Leitung der DV-Region Nord übernimmt "Der Chef muß gehen", kommentierte ein anonymer IBMer die kurzgefaßte Mitarbeiter-Information. Der Endvierziger, bisher als Leiter Vertrieb der ranghöchste Verkäufer des IBM-Unternehmensbereiches Datenverarbeitung, rutscht in seiner eigenen Organisation eine Hierarchiestufe tiefer. Schulz-Wolfgramm habe, berichtet "Die Zeit", in Abschlußverhandlungen mit dem Kunden Unilever die Geschäftsgrundsätze der IBM verletzt (siehe auch Kolumne, Seite 7). Die Stuttgarter Zentrale hat diese Meldung nicht dementiert.

Neuer Vertriebschef wurde Hans Kohn (4S), als Leiter DV Vertriebsunterstützung bisher zuständig für die Vertriebsstäbe in Deutschland. Diese Stabsfunktion lag erst seit dem 1. Januar 1981 bei Kohn. Daß er nach so kurzer Debütantenzeit im Stab zum Sales-Manager ernannt wurde, werten Insider als Indiz für eine "Verlegenheitslösung".

Gleichzeitig mit Schulz-Wolfgramm mußte Ekkehard Preller, bisher Leiter DV-Region Norddeutschland, seinen Schreibtisch räumen. Er übernimmt die Leitung der Niederlassungen in Berlin, Bremen und Niedersachsen. Unbestätigt blieben bisher Informationen, nach denen mit dem Leiter der Geschäftsstelle Industrie und Handel in Hamburg, Horst Jochims, der direkte Unilever-Betreuer "ganz aus dem Verkehr gezogen wurde".

Schulz-Wolfgramm ist offensichtlich bei dem schwierigen Balance-Akt gestrauchelt, Quoten-Ehrgeiz (hohe Verkaufszahlen) mit einer Vertriebsethik in Einklang zu bringen, die kein Abweichen vom Pfad der Wettbewerbstugend erlaubt. So zu tun, als hatte sich am Marketing der PCM-Mitbewerber nichts geändert und nach wie vor mit hohen Verkaufsquoten zu operieren, gefährde nach Ansicht von IBM-Beobachtern diese Ethik. Der IBM-Buschtrommel zufolge hat es der "Vollblut-Marketier" Schulz-Wolfgramm mit den "Business Conduct Guide Lines" der IBM, die Verstöße - gegen die Meistbegünstigungsklausel untersagen, schon seit längerem nicht allzu ernst genommen. Dazu ein Ex-IBMer: "Das war leichtfertig."

Schulz-Wolfgramm gilt als "Frontkämpfer", .der sich auf dem glatten internen Parkett nicht wohl fühlte. So sei er vermutlich mit seiner etwas saloppen Marketing-Auffassung insbesondere bei den Finanz-Experten im IBM-Top-Management auf Verständnisbarrieren gestoßen. Der Leiter des Unternehmensbereiches Datenverarbeitung, Lothar Sparberg, an den Schulz-Wolfgramm berichtete, kommt aus dem Finanzbereich.

Einem Ondit zufolge habe man in Stuttgart nur auf einen Anlaß gewartet, den unbequemen Marketing-Mann loszuwerden. Zum Teil sei Schulz-Wolfgramm, der in der Zentrale für einen IBM-Executive zu wenig Präsenz gezeigt habe, an seiner Abkanzelung nicht schuldlos.

Außerdem erscheint ungereimt, wie dem bisherigen Vertriebschef eine neue Aufgabe verpaßt wurde.

"Die Nachricht über die Schulz-Wolfgramm-Degradierung hat mich fast vom Stuhl gerissen", gesteht denn auch Amdahl-Boß Axel Knoppke, der aus dem harten Konkurrenzkampf um den Unilever-Auftrag als Sieger hervorging.

Nach fast zweijährigen Verhandlungen hatte die Hamburger Amdahl-Crew dem Nahrungsmittel-Konzern eine 470/V7A verkaufen können, obwohl der Vertrag über eine 3033 angeblich bereits unterschrieben war. Warum sich die Unilever-Manager dann doch für eine PCM-Maschine entschieden, davon wollen die Amdahl-Verkäufer keine Ahnung haben: "lrgend etwas ist da gelaufen, wir wissen nur nicht was." Auch die Unilever-Pressestelle gibt sich zugeknöpft: "Kein Kommentar."

Folgende Version, gleichfalls über die IBM-Buschtrommel verbreitet, hat immerhin einiges für sich: Schulz-Wolfgramm habe versucht, einen Preisvorteil der Amdahl-Lösung durch Rückkauf von Rechenzeit auszugleichen. Begründung: Die vielfältigen internen Rechneraktivitäten der IBM haben manchmal Spitzenbelastungen, deshalb reichen die eigenen "IS-Systeme" (IBM-Kürzel: Interne Informationssysteme) nicht aus.

Nun sei folgendes passiert: Unilever entschied sich zwar für die Nicht-IBM-Lösung, bestand jedoch gegenüber IBM auf der Einhaltung der Zusage. Schließlich wäre man nach wie vor IBM-Kunde. Das brachte das Faß zum Überlaufen.

Auch dieses Libretto enthalte, so meinen IBM-Analysten, nur halbe Wahrheiten.

So tief, wird mit Recht gesagt, sei Schulz-Wolfgramm nicht gefallen, als daß man dem IBM-Management abnehmen könnte, mit Blick auf die Monopol-Kommission in Brüssel "reinen Tisch" machen zu wollen.

Es sei undenkbar, daß Schulz-Wolfgramm und die Hamburger Verkaufscrew unter Preller und Jochims "ohne Netz", also gegen das Reglement des Stuttgarter Top-Managements, bei Unilever Zusagen gemacht haben. Daraus läßt sich schließen, daß Schulz-Wolfgramm dem IBM-internen Hickhack um die richtige Marketing-Strategie (in Schönheit Aufträge verlieren oder mitbolzen) zum Opfer gefallen ist.

Die Stuttgarter Zentrale scheint lange Zeit ein Auge zugedrückt zu haben. So berichten Konkurrenz-VBs davon, daß sich die Verkaufssitten der IBM in letzter Zeit geändert hätten. Heute würden in brenzligen Konkurrenzsituationen Zusagen gemacht die einem IBM-VB noch vor zehn Jahren den Kopf gekostet hätten. Um so erstaunlicher erscheint, daß ausgerechnet Schulz-Wolfgramm über "Hardselling" gestolpert sein soll.

Was ihm, von IBM nicht widersprochen, vorgeworfen wird, dürfte selbst der IBM-Spitze bekannt gewesen sein. Dazu ist relevant, daß die IBM sogenannte "Patenschaften"' zwischen einzelnen Herren der Geschäftsleitung und den Geschäftsstellen unterhält. Pate der Geschäftsstelle Hamburg soll nach Insider-Informationen der IBM-Vorstandsvorsitzende Walther Bösenberg sein. Dazu das IBM-Statement gegenüber der COMPUTERWOCHE: "Welche Herren mit welchen Geschäftsstellen in diese Weise verbunden sind, betrachten wir als interne Angelegenheit."