Konsolidierung der Netzinfrastruktur

Unter Kostendruck zum modernen Netz

04.07.2003
MÜNCHEN (hi) - Angesichts gesunkener IT-Budgets ist in den meisten Unternehmen eine Konsolidierung der Netzlandschaft angesagt. Geschickt betrieben, senkt die Kur nicht nur Kosten, sondern eröffnet auch neue Anwendungsszenarien.

Landauf, landab zwingt der gestiegene Kostendruck die IT-Abteilungen zur Effizienzsteigerung. Kernsysteme etwa zum Supply-Chain-Management oder Enterprise Resource Planning stehen auf dem Prüfstand, IT-Modethemen werden auf Eis gelegt. Die Bemühungen auf der Ebene der Anwendungs- und Geschäftsprozesse können jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn die darunter liegenden Infrastrukturen, also das LAN vor Ort oder der standortübergreifende WAN/MAN-Verbund, an die veränderten Bedingungen angepasst werden.

Ein Patentrezept, wie eine solche Netzmodernisierung in der Praxis auszusehen hat, gibt es nicht: Zu unterschiedlich ist der Stellenwert der IT und die damit verbundene Bedeutung eines Network für die Unternehmen. Während den einen IT-Manager der Kostenschuh auf der Seite der Weitverkehrsverbindungen drückt, frisst einem anderen die Administration seiner Netzkomponenten das Geld weg. Und ein Dritter sieht sich womöglich in Zeiten knapper Budgets mit der Aufgabe konfrontiert, über sein Netz neue Anwendungen zu realisieren.

Versucht man diese unterschiedlichen Problemfelder zusammenzufassen, so kristallisieren sich drei Motive für eine Netzkonsolidierung heraus, die oft auch gemeinsam gegeben sind: Senkung der Betriebskosten für die standortübergreifende Vernetzung, Erhöhung der Effizienz des eigenen IT-Teams durch bessere Administration des Netzes sowie die Option, mit einem moderneren Netz die Produktivität und Flexibilität im Unternehmen zu steigern oder gar neue Dienstleistungen anbieten zu können.

Kostendruck sowie die Notwendigkeit einer flexibleren Infrastruktur zwangen etwa Heinz Niehaus, IT-Leiter bei der Kcadeutag Drilling GmbH, zur Konsolidierung beziehungsweise Migration seiner Netzlandschaft. Das Unternehmen mit 4600 Mitarbeitern betreibt vom Standort Bad Bentheim aus weltweit über 30 Öl- und Gas-Bohranlagen in 13 Ländern für Auftraggeber wie Shell, Agip oder BP. Ob in Kasachstan, auf einer Insel im Kaspischen Meer oder bei Bohrungen in der Wüste - für den erfolgreichen Ablauf eines Projekts benötigen die Mitarbeiter vor Ort einen Zugang zu den zentralen IT-Systemen, um sich jederzeit über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen informieren zu können. "Bei einer Bohrung arbeiten wir auf Tagesbasis. Ersatzteile brauchen wir so schnell wie möglich", erklärt Niehaus, "denn jeder Stillstand kostet viel Geld."

In der Vergangenheit hatte das Unternehmen, das damals noch als Deutag agierte, seine Zweigstellen über das Frame-Relay-Netz von Equant mit der Zentrale in Bad Bentheim vernetzt. Ferner wurden mehrere Bohranlagen über Dial on Demand an das Unternehmensnetzwerk angeschlossen, und mehr als 100 mobile Nutzer hatten einen Fernzugang. Die hierzu mit Equant abgeschlossenen Verträge sollten zunächst bis April 2003 laufen.

Gegen Ende der Vertragszeit ergaben sich allerdings neue Anforderungen, die eine Konsolidierung der Netzwerklösung erforderten, da das Unternehmen mit der KCA Drilling fusioniert war. Die neue Firma, die Kcadeutag Drilling GmbH, wollte nun weitere Büros flexibel und kostengünstig an ihr Datennetz anschließen. Da in den kleinen Büros vor Ort nur wenige Mitarbeiter beschäftigt sind, schied jedoch eine private Netztopologie, also eine Erweiterung des bestehenden Frame-Relay-Netzes oder ein auf Multiprotocol Label Switching (MPLS) basierendes IP-VPN (VPN = Virtual Private Network), aus Wirtschaftlichkeitsgründen aus.

Die neue Netzkonzeption sah deshalb ein Internet-basierendes IP VPN als kostengünstigere Alternative vor. In diesem Netzkonzept werden die kleinen Standorte als mobile Nutzer an das IP VPN angebunden. Eine Struktur, die es nun auch erlaubt, etwa die Büros in Nigeria und in Dubai in das Netzwerk einzubeziehen. Bisher waren diese Niederlassungen nicht integriert, da es in diesen Ländern keine geeignete Infrastruktur für Frame Relay gab. "Wir können jetzt auch kleine Standorte und unsere Bohranlagen sicher an das Unternehmen anschließen", resümiert Niehaus und geht davon aus, dass die Kosten um etwa 25 Prozent sinken werden.

Für eine VPN-Lösung zur Konsolidierung seiner WAN-Infrastruktur entschied sich auch der Personaldienstleister Reed. Das Unternehmen hatte früher seine 180 Niederlassungen mit Mietleitungen vernetzt, die über eine Bandbreite von 64 Kbit/s verfügten. Eine Installation, die jedoch den geänderten IT-Anforderungen nicht mehr gerecht wurde, da sie für die Überführung der Client-Server-Infrastruktur in ein Intranet- und Web-basierendes Netzwerk nicht die nötige Bandbreite lieferte. Die hierzu erforderliche Bandbreitensteigerung erreichte der Personaldienstleister in Zusammenarbeit mit dem Virtual Network Operator Vanco aus Neu-Isenburg. Dieser schaltete für den Serviceanbieter ein VPN, an das die einzelnen Niederlassungen vor Ort über DSL-Anbindungen mit 2 Mbit/s angebunden sind. Auf diese Weise konnte Reed die Leistung seines Netzes um 3000 Prozent erhöhen, ohne dass die Netzkosten stiegen.

Bahn stellt Weichen im LAN neu

Ingenieur Werner Vogl, der dem Geschäftsbereich Telekom der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) vorsteht, konnte mit dem bahninternen Netz, das über 9000 Kilometer an WAN-Leitungen umfasst, zufrieden sein. Konsolidiert werden mussten aber die lokalen Netze: Der Netzexperte hatte den Betrieb von LANs an über 700 Standorten flächendeckend und kostengünstig zu vereinheitlichen. Eine Herausforderung, die Vogl mit einem modularen Netzaufbau lösen wollte, der möglichst wenig Komponenten umfasst. Zudem sollten die eingesetzten Geräte aus finanziellen Gründen mit dem Simple Network Management Protocol (SNMP) administrierbar sein.

Konsequent auf die Kosten achtend, entwickelten Vogl und sein Team zwei standardisierte Netztopologien für die eigentliche Standortvernetzung. Nach diesem Konzept fungieren in den größeren ÖBB-Verwaltungsgebäuden starke Core-Switches wie etwa der Corebuilder von 3Com als zentrale Schaltstelle. Von diesen wird der Datenverkehr auf die einzelnen Stockwerke verteilt. Hier ermöglichen stapelbare Switches einen flexiblen Aufbau der Etagen-LANs und können bei Bedarf modular erweitert werden. Ähnlich gestaltet sich die Netztopologie an den kleineren Standorten. Dort übernimmt ein stapelbarer Switch anstelle der Core-Switches die Aufgabe der zentralen Datenverteilung an die einzelnen Arbeitsplätze. Falls keine höheren Ansprüche an die Bandbreite bestehen, kommen auch Hubs zum Aufbau eines Shared-Ethernet-Segments zum Einsatz.

Überkapazität spart Mitarbeiter

Ein unternehmensweites LAN-Konzept, das unter dem Strich dazu führt, dass der Geschäftsbereich Telekom rund 1500 Hubs sowie über 800 Switches in etwa 1200 LAN-Segmenten betreut. Hieraus ergibt sich die stolze Anschlussdichte von 60 000 Ports, wobei Vogl allerdings einschränkt, dass diese Zahl höher ist als die der wirklich genutzten Anschlüsse.

Dies erzeugt ein auf den ersten Blick paradoxes Phänomen: An vielen Standorten steht etwa ein 3Com-Switch mit zwölf Ports, von denen aber nur zwei genutzt werden. Zieht man die günstigen Vier- oder Fünf-Port-Router-Switches für den Soho-Bereich (Small Office, Home Office) als Alternative in Betracht, drängt sich der Verdacht einer kostspieligen Ressourcenverschwendung auf. "Im Gegensatz zu diesen einfachen Soho-Geräten, die einen LAN-Betrieb im Blindflug bedeutet hätten, sind die größeren Switches hervorragend managebar", entkräftet Vogl diesen Gedanken. "Damit spare ich etwa 30 Mitarbeiter ein, die bei Störungen auf Verdacht zu einem Standort fahren müssten."

Die Senkung der reinen Übertragungskosten oder eine effizientere Netzadministration sind aber nur zwei Gesichtspunkte. Häufig dient eine Netzkonsolidierung auch dazu, neue Anwendungen und Geschäftsfelder erst zu erschließen oder unternehmensinterne Prozesse flexibler zu gestalten. Entsprechende Enabling Technologies sind unter anderem etwa Ethernet im WAN, Voice over IP (VoIP) oder Wireless LANs.

Flaschenhälse beseitigt

Den Vorteil, den etwa eine transparente Koppelung von LAN, MAN und WAN via Ethernet bietet, erkannte auch die RAG Informatik bei der Konsolidierung ihrer Infrastruktur. Der IT-Dienstleister nutzt hierzu seit November 2002 den Service "CT Metrolan" des Providers Completel zwischen der Konzernzentrale in Essen, dem Rechenzentrum in Herne und dem Informatikstandort in Gelsenkirchen. Wie Ralf Holzapfel, Leiter Produkt-Management im Bereich Access- und Communication-Services, berichtet, wurden davor jeweils zwei Standleitungen à 2 Mbit/s genutzt, deren Kapazität jedoch nicht mehr ausreichte. Die Suche nach Alternativen mit höherer Bandbreite führte zu mehreren Angeboten, wobei das von Completel, so Holzapfel, 46 Prozent unter dem nächstgünstigeren gelegen und entscheidende Vorteile mit sich gebracht habe. Zu einem Preis, der dem Manager zufolge etwa dem Niveau der vorherigen Standleitungslösung entspricht, verfügt das Unternehmen nun über Anbindungen zwischen den drei Niederlassungen, die um ein Vielfaches schneller sind. "Wir haben jetzt auch eine bessere Verfügbarkeit als vorher", freut sich Holzapfel, der mit dem Ethernet-Service "rundum zufrieden" ist: Boten die Standleitungen eine Ausfallsicherheit von 98,5 Prozent, so schafft die neue, redundant ausgelegte Anbindung 99,95 Prozent.

Zudem sind die Flaschenhälse zwischen den lokalen Netzen aufgelöst, was weitere Annehmlichkeiten bedeutet. So benutzt RAG Informatik jetzt nur noch einen zentralen Internet-Zugang mit 10 Mbit/s am Standort Essen, auf den die Mitarbeiter in Herne und Gelsenkirchen über das bis zu 155 Mbit/s schnelle Ethernet-WAN zugreifen. Davor war jede Niederlassung separat an das weltweite Netz angeschlossen.

Vor Ort stellt der Provider jeweils eine Ethernet-Schnittstelle zur Verfügung, wodurch sich "der Verbund der drei Standorte wie ein einziges lokales Netz gestaltet", erklärt Holzapfel. Das wirkt sich wiederum positiv auf Administration und Netzplanung aus. So war es beispielsweise möglich, einen zentralen Mail-Server in Herne aufzustellen, was der Verwaltung Vorteile brachte.

IP-Telefonie reduziert Wartungskosten

Außerdem nutzt die RAG-Tochter die Ethernet-Strecken zur Übertragung von Voice-over-IP-Verkehr zwischen den Standorten, denn die RAG Informatik kommuniziert mit IP-Telefonen. Im Vergleich zu einer klassischen TK-Anlage sind dabei die Kosten für Wartung und Betrieb bei der IP-Lösung knapp 20 Prozent niedriger. Doch auch hier bilden die Kosten nur einen Aspekt: Die Konsolidierung der klassischen Telekomunikation durch IP-basierende Systeme bietet dem Unternehmen mehr Komfort und eine höhere Flexibilität.

Zudem kann schneller und kostengünstiger auf Umzüge oder Veränderungen reagiert werden, die durch interne Umstrukturierungen bedingt sind. Der Mitarbeiter klemmt sein Telefon unter den Arm, geht zum neuen Arbeitsplatz und steckt es dort wieder in die Netzwerkdose. Voilà! Bei klassischen TK-Anlagen war beziehungsweise ist dies teurer und langwieriger, da ein Techniker den alten Anschluss deaktivieren und den neuen freischalten muss. Fast nebenbei verwirklicht die IP-Telefonie dabei den Anspruch einer Integration von Telekommunikation und rechnergestützter Welt mit neuen Komfortmerkmalen, die Verfechter der Computer-Telefonie-Integration (CTI) zwar seit 20 Jahren bereits versprechen, in der Praxis aber nie sinnvoll und preiswert einführen konnten.

Dass sich IT-Investitionen in die Netzinfrastuktur auch in wirtschaftlich mageren Zeiten bezüglich der Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens rentieren, zeigt das Beispiel des Business-Hotels Allegra in Kloten bei Zürich. Im Sommer 2002 entschloss sich Geschäftsführerin Elisabeth Schwitter, den Service-Level des Mittelklasse-Hotels auf Fünf-Sterne-Niveau zu heben. Hierzu plante sie die Einführung eines Wireless LAN und von ADSL, um die klassischen Kommunikationsmöglichkeiten in den 123 Hotelzimmern mit ISDN-, Modem- und Faxanschluss durch ein breitbandiges Internet-Konzept zu ergänzen: "Der Plan war, unseren Business-Kunden eine topmoderne Internet-Anbindung zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig unser internes Abrechnungssystem auf Vordermann zu bringen." Dies erreichte die Managerin dadurch, dass sie im gesamten Hotel verteilte, sich überschneidende Funkzellen einrichtete. Die hierzu erforderlichen 23 Access-Points von 3Com wurden dabei in den Hohldecken eingebaut. In puncto Abrechnung entschloss sich die Schweizerin zur Einführung eines dedizierten Abrechnungssystems von der Aachener M3 Connect GmbH, das sämtliche anfallenden Verbindungsgebühren für die Internet-Nutzung protokolliert und an die Hotel-Management-Software "Fidelio" weiterleitet.

Abb: LAN-Topologie der ÖBB

Konsequent auf die Kosten achtend, entwickelten die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) zwei standardisierte Netztopologien für die Standortvernetzung. Quelle: ÖBB