Unstimmigkeiten über Produktpolitik und verkrampfte Gangart:Die "alten Hasen" verlassen Apple

29.03.1985

CUPERTINO (lo) - Bei Apple Computer in Cupertino scheint Abschiednehmen angesagt: Nach Ex-Boß und Mit-Gründer Stephen Wozniak verläßt nun Finanzchef Joseph Graziano das Unternehmen. Er bestimmte in den vergangenen dreieinhalb Jahren die finanziellen Aktivitäten des Unternehmens.

Apple-President John Sculley erklärte, daß David J. Barram die Nachfolge in der ersten Aprilwoche antritt. Grazianos Weg soll, so ist aus Branchenkreisen zu hören, zu dem rührigen Stephen Wozniak führen. Dieser sucht außerhalb des Management-Bürokratismus, so seine Ansicht über Apple, neues Glück im Home-Video-Bereich.

Weitere Abgänge im mittleren und oberen Management kennzeichnen den "Apfel"-Senkrechtstarter.

So will auch Kenneth R. Zebe, Vizepräsident für die Aktivitäten in Südamerika, Fernost und Afrika, zu seinem 50. Geburtstag der Apple-Mannschaft den Rücken kehren. Ebenfalls ihren Hut nahmen Frank Leonhardi, Verantwortlicher für den Ladenverkauf, sowie Jean Richardson, Direktor im Bereich Unternehmenskommunikation und Werbung.

In den Abschiedsreigen reihten sich die Marketing-Direktoren für die Apple-II-Division, David Larson, und für die Lisa-Systeme sowie Peripherieerzeugnisse, John Rizzo, ein.

Dieser Sog erfaßte ebenfalls eine Reihe von Ingenieuren aus der Rechner-Entwicklung. Sie fürchteten erneut ein "halsbrecherisches Tempo bei der Entwicklung und Vermarktung neuer Produkte", zugleich lauge sie eine "verkrampfte Gangart" im Unternehmen aus, berichtet das Wall Street Journal Ehemalige Mitarbeiter klagten über "Unruhe" im Unternehmen, ausgelöst durch die Abgänge, und prangerten eine ausufernde Bürokratie an.

John Sculley weiß jedoch zu beschwichtigen. Die Aktionsfähigkeit des Unternehmens, erklärte er dem Wall Street Journal gegenüber, sei noch ebenso vorhanden wie ein tatkräftiges Management.

Was Stephen Wozniak vor kurzem laut als Grund für sein "Good-bye" bei Apple aussprach, ist seit längerem allgemeiner Tenor in Cupertino: "Der Apple II kommt zu kurz" (COMPUTERWOCHE, Nr. 7, Seite 6).

Technische Verbesserungen seien durch Managementfehlentscheidungen über Jahre hinausgeschoben worden. Ein Projekt, so der Vater des Apple II bitter, sei still und leise begraben worden, das eine weiterentwickelte hochkarätige II-Version zum Ziel haben sollte.

Von den 700 Millionen Einnahmen im ersten Viertel des Geschäftsjahres habe aber das II-System allein 70 Prozent erbracht. Statt dessen seien "unglückliche" Entwicklungen wie Apple II oder Lisa vorangetrieben worden. Die Befürchtung, das Apple-Zugpferd werde abgehalftert, mache sich bei Mitarbeitern breit, unterstreicht das Journal.

Ebenso wie die Querelen in den Unternehmenssektoren Entwicklung und Marketing kratzt die Nachricht über Aktienverkäufe von Wozniak an der Arbeitsmoral. Der Mit-Gründer und drittgrößte Teilhaber hat, so das Wall Street Journal, gut drei Millionen Apple-Anteile verkauft. Die 70 Millioners Dollar Erlös legte er in Kommunalobligationen an, um, wie er sagte, sein Leben "nicht unnötig zu komplizieren" .