"Wir sind das Stiefkind mit den roten Haaren"

Unsichere Zukunft macht HP-3000-Nutzer nervoes

26.04.1996

Der Hersteller beabsichtigt nicht mehr, den fuer 1997 avisierten Prozessor, der aus einer Zusammenarbeit mit Intel entstehen soll, in die 3000er Reihe einzubauen, schreibt Ron Seybold, Redakteur des HP-3000-Newsletters "The 3000 News Wire" aus Austin, Texas. Auch die Aussagen zu einem 64-Bit- Betriebssystem oder zur Unterstuetzung der Remote- Steuerungssoftware "Telnet" seien vage geblieben.

Harry Sterling, General Manager der HP Commercial Systems Division, rechtfertigt sich: Man werde auch weiterhin auf Kundenwuensche reagieren, so sei auch die 64-Bit-Unterstuetzung fuer MPE/IX zugesagt. Einen zeitlichen Rahmen fuer die Integration des Intel/HP-Chips konnte er jedoch nicht angeben. Zudem musste Sterling einraeumen, dass Applikationen und Peripheriegeraete, die im Umfeld von Unix-Systemen laufen, nicht immer fuer HP-3000-Maschinen zur Verfuegung stehen. Vom geschaeftlichen Standpunkt aus seien unterschiedliche Entscheidungen fuer den Unix-Bereich und fuer die mehr als 20 Jahre alte 3000er Plattform gerechtfertigt.

Nach Schaetzungen der Aberdeen Group Inc., Boston, konnte HP mit den 3000-Maschinen 1995 bei rund 1,2 Milliarden Dollar Umsatz etwa 600 Millionen Dollar Gewinn erwirtschaften.

Wie viele Systeme in Deutschland installiert sind, wollte Horst Kanert, zustaendig fuer Sales und Marketing der HP 3000, nicht oeffentlich erklaeren. Die Gruppe der Benutzer sei jedoch gross. Obwohl die aelteren Systeme gegenueber vergleichbaren Unix- und NT- Rechnern wesentlich stabiler und um rund 30 Prozent leistungsfaehiger seien, generiert der Hersteller nur ein bis zwei Prozent des HP-3000-Geschaefts mit Neukunden. Kanerts Angaben zufolge reichen die Planungen fuer die Rechnerreihe bis ueber das Jahr 2000 hinaus, vor allem, was die Integration in offene Architekturen angeht. Das Angebot an Applikationen sei allerdings laenderabhaengig, auch weil HP selbst keine Standardloesungen mehr entwickelt.

Der HP-Mann bedauert, dass SAP entschieden habe, das Softwarepaket R/3 nicht mehr fuer die HP 3000 anzubieten, doch andere Partnerschaften wie mit Seitz und seit kurzem auch mit Oracle zeigten, dass die Maschine nicht am Ende ihres Lebenszyklus angekommen sei. Ausserdem sei der Rechner ein etabliertes System im Mittelstand.

Uwe Hinrichs, Beirat der deutschen HP-Benutzergruppe und verantwortlich fuer den MPE-Bereich, sieht die Absage der SAP an die HP-3000-Gemeinde weniger gelassen: "Die Entscheidung von HP und SAP ist in der Tat sehr aergerlich." Aehnlich den amerikanischen Benutzern fuehle man sich auch hierzulande "wie das ungeliebte Stiefkind mit den roten Haaren". Hinrichs: "Das deutsche Management hat uns gegenueber von der HP 3000 als Altlast gesprochen. Zwar gebe es kein "definiertes Sterbedatum", doch fehle es auch an verbindlichen Zusagen, die Produktlinie am Leben zu erhalten.