Unsere Erfahrungen mit Drei-Schicht-Betrieb

13.06.1975

Gerhard Brodersen, Leiter des Rechenzentrums, OTTO-Versand, Hamburg

Angeregt durch die verschiedenen Stellungnahmen zum Drei-Schicht-Betrieb in der Computerwoche Nr. 20 sei es an dieser Stelle gestattet, auf einige Punkte nochmals einzugehen.

Wir verfügen über eine mehr als zehnjährige Erfahrung im Drei-Schicht-Betrieb, davon sogar fünf Jahre im Fünf-Schicht-Betrieb, das heißt, wir setzen zwei Schichten zusätzlich ein, die ausschließlich am Wochenende arbeiten. Bedient werden müssen mit insgesamt 40 Operatoren: 1 Univac 1108 MP mit 18 Bandeinheiten, 1 Univac 1108 SP mit 9 Bandeinheiten, 2 Univac III mit zusammen 17 Bandeinheiten, 13 Schnelldruckern und 4 Offline-Drucksysteme MDS. Die Anlagen sind Eigentum des Otto-Versands.

Nicht zu akzeptieren sind jene Argumente gegen einen Drei-Schicht-Betrieb, die da lauten, man benötige die dritte Schicht als Ausfallreserve! Hier hat die EDV-Revision versagt! Wer Ausfallzeiten mit derartigen Folgewirkungen hinnimmt, sollte seinen Hersteller wechseln oder Konfiguration und Ablauf einer kritischen Betrachtung unterziehen.

Eine erhebliche Verbesserung der Hardwaresituation kann zum Beispiel dadurch erzielt werden, daß man die Peripherie auf mehrere Untersysteme verteilt oder sogar statt eines großen Rechners zwei kleinere zu einer MP-Anlage zusammenschließt. Mir sind namentlich zwei Anwender bekannt, die im Vertrauen auf eine stabile Hardware bereits eine Schicht mit Erfolg ohne Operating fahren. Es versteht sich von selbst, daß dieser Betriebsart durch Konfiguration und Ablauf natürliche Grenzen gesetzt sind.

Häufig sind auch nur die zu lange laufenden Anwendungsprogramme die Ursache von verheerenden Folgewirkungen. Hier sollten die DV-Leiter ebenfalls ansetzen, denn Einzelprogramme mit Verweilzeiten von vier bis sechs Stunden und mehr müssen nicht sein.

Ferner sind betriebsinterne Abläufe, besonders wenn sie der Datenverarbeitung zuarbeiten, dem EDV-Ablauf anzupassen und nicht umgekehrt. Dabei sollte auch ruhig einmal der Versuch unternommen werden, die von der Datenverarbeitung direkt abhängigen Bürokräfte (Belegerstellung, Datenerfassung, Nachbearbeitung) für eine abweichende Arbeitszeit zu gewinnen. Nach unseren Erfahrungen ist ein früher Arbeitsbeginn, Halbtagsarbeit oder Spätschicht besonders für berufstätige Hausfrauen eine durchaus interessante Angelegenheit, nur muß dieses Gedankengut den Mitarbeitern entsprechend verkauft werden.

Damit sind wir bei dem Punkt angelangt, der erst einen reibungslosen Einstieg in den Mehrschichtbetrieb ermöglicht: Motivation der Betroffenen! Leider geht dem Mehrschichtbetrieb meistens eine lange Zeit mit überdurchschnittlichen Überstundenleistungen voraus. Die dadurch erzielten finanziellen Einkommensverbesserungen halten die Mitarbeiter zwar eine Zeit "bei der Stange", machen aber bald einer Resignation durch Überbeanspruchung Platz. Daraufhin erfolgt dann meistens die Umstellung auf Schichtarbeit, wobei sich dann an den Netto-Gehältern für die Operatoren der vorher zahlreich geleisteten Überstunden meistens kaum etwas ändert. Ergebnis: Die Mitarbeiter wollen nicht!

Um das zu verhindern, sollte mit den Mitarbeitern zusammen frühzeitig das Thema "Mehrschichtbetrieb" besprochen werden. Der Zeitpunkt des Einstiegs sollte so früh gewählt werden, daß eine Überbeanspruchung gar nicht erst auftreten kann. Das bedeutet, daß neben einer langfristigen Personalplanung auch die entsprechenden Ausbildungsvorhaben langfristig geplant werden müssen.

Bei den Gehaltsfestsetzungen für die zukünftig im Schichtdienst arbeitenden Mitarbeiter sollte unbedingt darauf geachtet werden, daß die Schichtarbeit durch eine Zulage honoriert wird und nicht durch höhere Grundgehälter. Dabei sollte in den Verträgen nicht von einer "Schichtzulage", sondern von einer "Nachtarbeitszulage" gesprochen werden, da diese steuerfrei gezahlt werden kann.

Schichtarbeit ist sicherlich unbequem; sie ist aber keineswegs unanständig oder unzumutbar! Schichtarbeit ist eine durchaus gebräuchliche Arbeitsform und speziell im öffentlichen Dienstleistungsbereich ständig im Zunehmen begriffen. In vielen Fällen ist die Schichtarbeit bereits fester Bestandteil des Berufsbildes und ich meine, dieses gilt in vermehrtem Maße auch für die Operatoren.

Ein wesentlicher Punkt ist noch die Motivation der DV-Führungskräfte. Von dort scheint in vielen Fällen bereits eine Bremswirkung auszugeben, was letztlich nur auf ein mangelndes Kostenbewußtsein zurückzuführen ist. Sicherlich sind die Führungs- und Dienstaufsichtsprobleme im Schichtbetrieb wesentlich größer und sollten nicht unterschätzt werden. Aber mit einem geeigneten Unterbau an qualifizierten und interessierten Führungsnachwuchskräften ist auch das Problem zu lösen.

Abschließend noch ein Wort zum Risiko einer hochgradig ausgelasteten EDV-Anlage: Sicherheit kann in dem Zusammenhang nur gleichbedeutend sein mit Betriebssicherheit. Ist diese nicht gegeben, muß die Ursache behoben werden und nicht die Auswirkung. Reservierte Maschinenzeit ist teuere Sicherheit!