Für Mail-Junkies, Manager und Vegetarier

Unsere Buchtipps zum Weihnachtsfest

11.12.2013
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Der erste Schnee tanzt vor dem Fenster, die Temperaturen sind eisig, Weihnachten steht vor der Tür, Zeit für Bücher, die Sie aus dem Alltag entführen und neue Ideen liefern.

Papa, dein Handy macht Aua

Hat ihre Tochter sich auch mit ähnlichen Worten beschwert, weil sie nebenbei ihre Mails lesen und dabei die Kleine auf der Schaukel zu fest geschubst haben? Vermutlich hat die Autorin Anitra Eggler das Beispiel gut erfunden. Die Lektüre ihres Ratgeber lohnt sich, weist sie doch Wege aus dem Hamsterrad ewiger Verfügbarkeit. Sie bringt ihre Botschaft auf den Punkt und gießt sie in zehn Regeln. „Ständig erreichbar sind nur Sklaven", dieser Satz sitzt.

Anitra Eggler
Anitra Eggler
Foto: Anitra Eggler

Auch sonst hält die selbst ernannte Digital Therapeutin kluge Pointen parat und liefert viele „Aha-Erlebnisse". Dass Eggler früher als Werbetexterin gearbeitet hat, tut dem Buch gut. Sie formuliert frech und klar, weiß, dass Check-Listen gut ankommen und führt mit nicht immer ernst gemeinten Tests und Tipps Online-Junkys vor Augen, was sie alles verpassen. Witzig auch der Link zur Entspannungs-Website (www.donothingfor2minutes.com) für die, die eine digitale Krücke brauchen. Ohne die pfiffigen Ideen der Grafikerin Inge Vorraber würden die 55 Tipps nur halb so viel Spaß machen. Auch für schlechte Power-Point-Vorträge und endlose Meetings liefert sie gute Ideen. Inzwischen ist die logische Fortsetzung „Facebook macht blöd, blind und erfolglos" erschienen.

Fazit: Der schnell lesbare und ansprechend gestaltete Ratgeber rettet Sie mit 55 Tipps vor der täglichen Mail-Flut und steigert ihre Produktivität - wenn Sie die Ratschläge auch befolgen.

Anitra Eggler: E-Mail macht dumm, krank und arm. Digitale Therapie für mehr Lebenszeit. Orell Füssli, 2012. 224 Seiten, 19,95 Euro. ISBN 978-3-280-05487-1.

Foto: Africa Studio - Fotolia.com

Zusammenhänge verstehen

Heinrich August Winklers „Geschichte des Westens" ist kompliziert, aber fundiert recherchiert und gut lesbar. Der renommierte Historiker verknüpft die europäische und nordamerikanische Geschichte geschickt miteinander und zeigt wechselseitige Verflechtungen und Unterschiede auf. Gerade global agierenden Managern, die zwischen alter und neuer Welt pendeln, beschert die Lektüre weise Einsichten und viel Hintergrundwissen.Wie beide Kontinente das geworden sind, was sie im 21. Jahrhundert auszeichnet, erschließt sich im Laufe der Lektüre. Der Verlag C.H. Beck veröffentlicht zu seinem 250. Geburtstag dieses Geschichtsbuch in einer Sonderausgabe.

Fazit: Perfekte Ohrensessellektüre für eine entspannte Offline-Zeit, die neue Einsichten liefert, was Westeuropa und Nordamerika verbindet. NSA-freie Zone.

Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens. C.H. Beck, München, 2013, 1343 Seiten, 24 Euro. ISBN 978-3-406-64437-5.

Die etwas andere Work-Life-Balance

Weshalb sollten Sie sich mit Dienstbotenregeln aus dem Jahr 1870 auseinandersetzen? In eine moderne Sprache übersetzt und an das Arbeitsumfeld des heutigen Angestellten angepasst, könnten sie als „Corporate Identity" oder „Unternehmensleitsätze" durchgehen, etwa der Hinweis „Du sollst leise auftreten und deine Arbeit so geräuschlos wie möglich verrichten". Die so genannten Werte von Google an seine Mitarbeiter klingen ähnlich: „Don´t be sissy: Be productive and result-oriented", also frei übersetzt: „Sei keine Memme, arbeite viel halte ansonsten die Klappe".

Filmemacherin Steffi Kammermeier durchforstete für ein Filmprojekt die Fotoalben, Kochbücher und Aufzeichnungen ihrer Vorfahren in Niederbayern, um mehr über eine längst vergangene Epoche zu lernen. Wie Großbauern ihr Leben organisierten, welche Rolle die Jahreszeiten und der Kirchenkalender spielten, was sie aßen und wie sie lebten, das liest sich im 21. Jahrhundert wie der Bericht einer längst vergangenen Zeit. Knechte und Mägde mit besonderen Fertigkeiten wurden schon damals auf den Gutshof gelockt. Heute heißen solche Programme Incentives und Mitarbeiterbindung. Da gutes Personal knapp war, galt es, das Personal gut zu behandeln, damit sie auch fleißig in Küche, Stall und auf dem Feld schufteten. Für Knechte und Mägde gab es Anfang Februar einen Bonus, der „Drangeld" hieß, wenn sie sich verpflichteten, auch im kommenden Jahr den Dienstherrn nicht zu wechseln. Lichtmess Anfang Februar war der Stichtag für alle Jobwechsler.

Fazit: Das schön gestaltete, mit vielen Fotos und Rezepten versehene Buch, inspiriert vielleicht moderne Manager und eignet sich als Geschenk für neugierige Großeltern.

Steffi Kammermeier: Was hamma gessn? Vom Landleben in alter Zeit. Mit 48 deftigen Rezepten – süß & salzig. Volk Verlag, München, 256 Seiten, 19,90 Euro. ISBN 978-3-86222-108-0.

Die eigene Widerstandskraft entdecken

Jährlich steigt die Zahl derjenigen, die aufgrund psychischer Erkrankungen vorübergehend oder dauerhaft aus dem Berufsleben ausscheiden. Stress im Job kennt fast jeder, doch nicht immer wächst sich eine Überarbeitung zur Burn-out-Erkrankung aus. Manche scheinen selbst schwere Schicksalsschläge besser zu verkraften als andere. Experten sprechen deshalb von „Resilienz", das die Betroffenen vor dem Zusammenbruch schützt. Diese Selbstschutzmechanismen sind zwar bei jedem angelegt, doch bei einigen verkümmert. Die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt machte sich auf die Suche nach Studien, Strategien und schildert anhand von Beispielen, wie sich andere erfolgreich gegen die Last des Lebens stemmen. Leser können sich Ideen holen, damit ihnen weder Arbeit noch Privatleben über den Kopf wachsen.

Fazit: Gut lesbar, mit Tipps und Beispielen versehener Ratgeber, mit dem sich verloren gegangenes Wissen über die eigene Widerstandskraft zu Tage fördern lässt.

Christina Berndt: Resilienz. Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft. Deutscher Taschenbuch Verlag, 2013. 278 Seiten, 14,90 Euro.

Familiengeschichten

„Was wäre wenn" ist ein interessantes, manchmal gefährliches Gedankenspiel, wenn verpasste Chancen allzu lange die Gegenwart überschatten. Doch für einen Roman eignet sich die Idee hervorragend. Der israelische Schriftsteller Eshkol Nevo packt noch die Themen „Familie" und „Schicksal" dazu und verwebt die Lebensläufe seiner drei Protagonisten geschickt miteinander. Entstanden ist ein spannender Roman, der die besondere Lebenssituation junger Israelis beschreibt und universelle Themen behandelt, die alle Menschen berühren.

Fazit: Dicker und anregender Schmöker mit Tiefgang.

Eshkol Nevo: Neuland. Deutscher Taschenbuchverlag, München, 2013. 637 Seiten, 24,90 Euro.

Der Chef spricht

Foto: Noventum Consulting GmbH

Der Geschäftsführer der IT-Beratung Noventum in Münster erzählt in „Glücklich führen" seinen Karriereweg, spricht über seine Überzeugungen, die ihn als erfolgreichen Manager auszeichnen. Weshalb er sich als schlauer Schüler für ein Informatikstudium entschied, wie berufliche Stationen ihn prägten und wie er heute sein eigenes Unternehmen leitet, all das erfährt der geneigte Leser von Uwe Rotermund selbst. Er schildert diesen Weg in einer authentischen Sprache, die sich an den Traditionen der mündlich erzählten Geschichte orientiert. Lebensnah berichtet er über seine Familie und die sieben Kinder, seine Überzeugungen und Maximen als Chef sowie über das gesellschaftliche Engagement des Unternehmens. Die Arbeit des erfolgreichen Münsteraners wird regelmäßige mit Auszeichnungen wie „Great Place to Work" gewürdigt. Für Rotermund ist das eine zusätzliche Bestätigung, dass sein eingeschlagener Kurs der richtige ist.

Fazit: Authentische Informationen eines erfolgreichen IT-Managers aus erster Hand und garantiert ohne Ghostwriter verfasst.

Uwe Rotermund: Glücklich führen. Schritt für Schritt zu ausgezeichneter Unternehmenskultur. Noventum Consulting GmbH, Münster, 2013. 311 Seiten 31,90 Euro. ISBN 978-3000432477.

Gebrochene Biografien

Im Hanser Verlag erschien in diesem Jahr W.G. Sebalds vielgerühmter Erzählband „Die Ausgewanderten" über vier Auswanderer in einer schön gestalteten Neuausgabe. Der 1944 im Allgäu geborene und 2001 in England verstorbene Autor lebte viele Jahre als Literaturwissenschaftler und Schriftsteller in England, war also selbst ein Auswanderer. Doch in den vier Geschichten geht es um andere, die alles zurück lassen mussten, um sich auf den Weg in eine ungewisse Zukunft zu machen. Ein wirklicher Neuanfang in der Ferne gelang ihnen nicht. Der Ich-Erzähler rekonstruiert aus Gesprächen mit deren Freunden, aus Erinnerungen, aus Tagebüchern und Fotoalben deren Leben, besucht die Orte, die das Leben der vier Männer prägten. Auch wenn die Biografien fiktiv sind und sich allenfalls an realen Personen orientieren, so schadet das den Porträts keineswegs. Exemplarisch zeigt er, wie die Protagonisten aus dem provinziellen Deutschland in die Schweiz, nach Frankreich, England, New York und Jerusalem aufbrachen und doch mit schwerem Gepäck reisten. Denn so unterschiedlich ihr vorheriges Leben auch war, jeder zerbricht schließlich auf andere Weise an seiner eigenen, deutschen Vergangenheit.

Fazit: Ein eindrückliches Buch, wie die Gräuel der deutschen Geschichte vier Menschen langsam zerstörten und in den Tod trieben.

W.G. Sebald: Die Ausgewanderten. Hanser Verlag, München, 2013. 349 Seiten, 24,90 Euro.

Die Zukunft des Planeten

Foto: Piper

„Die Welt ohne uns" war ein Besteller. Darin entwarf der amerikanische Wissenschaftsjournalist Alan Weisman ein Zukunftsszenarium der Erde ohne uns Menschen. In seinem neuen Buch setzt er sich wieder mit der Zukunft auseinander, dieses Mal unter dem Fokos der Überbevölkerung. Das rasante Bevölkerungswachstum bringt die Erde in existenzielle Nöte: zu viele Menschen, zu viel Müll, zu wenig zu Ressourcen für alle. Weisman bereiste 20 Länder mit der Frage im Gepäck, wie andere Nationen mit dem Problem umgehen: Angefangen von Chinas Ein-Kind-Politik über Geburtenkontrolle in Iran bis hin zu humaneren Ansätze für diese schwierige Frage.

Fazit: Ein gut lesbares Sachbuch, das sich der schwierigen Frage der Bevölkerungsexplosion widmet.

Alan Weisman: Countdown. Hat die Erde eine Zukunft? Piper Verlag, München, 2013. 572 Seiten, 24,99 Euro.

Wer sind hier die Guten?

Die Münchner Sicherheitskonferenz eignet sich hervorragend als Plot für einen Krimi und das Münchner Westend als Schauplatz düsterer Terrorgruppen klingt ebenfalls vielversprechend. Doch da gibt es ein Problem: Einer der beiden Polizisten, die nachts eine Wohnung der vermeintlichen Terroristen beschatten sollen, gleicht selbst einer tickenden Zeitbombe. All seine Aufmerksamkeit widmet er der Frage, wo er seinen nächsten Schuss Heroin kaufen kann. Schon nimmt die Geschichte an Fahrt auf und in der sonst so beschaulichen Isarmetropole entwickelt sich eine neue Dynamik, die Klischees von ehrgeizigen Staatsanwältinnen mit Migrationshintergrund und drogenabhängige Bullen ganz neue Facetten hinzu fügt. Verbrecherjagd auf bayerisch eben.

Fazit: Gut geschrieben, spannend zu lesen und für Krimifans eine willkommene Abwechslung, auch das Münchner Westend hat düsteres Potenzial.

Georg M. Oswald: Unter Feinden. Piper Verlag, München, 2013. 246 Seiten, 8,99 Euro.

Grünes Gemüse

Foto: GU

Der Veggi-Day war im diesjährigen Wahlkampf zwar eine Pleite, trotzdem fasziniert viele die Idee einer fleischarmen Ernährung. Schließlich muss nicht täglich ein argentinische Steak auf den Teller, das mindestens 30 Flugstunden hinter sich hat. Das Zukunftsinstitut lieferte auch gleich das passende Etikett für Menschen, die wenig Fleisch essen und bezeichnete die Teilzeit-Vegetarierer als „Flexitarier". Diesen Novizen sei „Vegetarisch für Faule" empfohlen, denn der Autor Martin Kintrup spezialisiert sich in seinem schmalen Kochbuch auf einfach kochbare und schnelle Rezepte, für die angehende Vegetarier höchstens 30 Minuten am Herd stehen müssen. Mit einem kleinen Vorrat an Grundnahrungsmitteln und ergänzt um frische Zutaten, lassen sich fleischlose und vitaminreiche Gerichte im Handumdrehen zaubern. Außerdem reichen die 100 vorgestellten Rezepten, um möglicherweise Gemüse auf den Geschmack zu kommen.

Etwas aufwändiger und komplizierter funktioniert dagegen die vegane Küche. Die Autorin und überzeugte Veganerin Nicole Just erklärt gut, wie sich tierische Produkte wie Milch, Eier oder Honig durch pflanzliche ersetzen lassen. In dem schön gestalteten Buch gibt es viele Tipps für Profis, die auch vor aufwändigen Rezepten nicht aus der Küche flüchten. Anfänger können sich dagegen einen schnellen Überblick verschaffen, wie bunt und reichhaltig Gerichte ganz ohne tierische Produkte daher kommen. Einige der rund 100 Rezepte eignen sich auch für Eilige.

Fazit: Vegetarisch und gesund leben ist in. Die beiden Bücher zeigen ein breites Spektrum an Rezepten, die auch passionierte Schnitzelfritzen in Versuchung führen könnten.

Martin Kintrup: Vegetarisch für Faule. Gräfe und Unzer Verlag, München, 2012. 144 Seiten, 14,99 Euro.

Nicole Just: La Veganista. Lust auf vegane Küche. Gräfe und Unzer Verlag, München, 2013. 192 Seiten, 16 ,99 Euro.