Interview

"Unser Problem hier in Deutschland ist die SAP"

05.11.1999
Mit Craig Conway, dem neuen CEO des ERP-Anbieters Peoplesoft, sprach CW-Redakteur Alexander Freimark

CW: Fast alle ERP-Anbieter beklagen 1999 Gewinneinbrüche. Wird dieser Softwaretyp mittelfristig überhaupt noch eine Rolle spielen?

CONWAY: Ohne ERP-System kann kein Unternehmen überleben. Dieser Grundsatz gilt auch noch in fünf Jahren. Selbst wenn sich die Anbieter mit neuen Internet-Funktionen einen modernen Anstrich verpassen, sind sie doch im Hintergrund auf ein Transaktionssystem angewiesen.

CW: Trotzdem hat sich Ihr Umsatz mit Softwarelizenzen innerhalb eines Jahres um rund zwei Drittel reduziert. Wie wollen Sie den Abwärtstrend umkehren?

CONWAY: Das Potential des Marktes ist noch lange nicht ausgeschöpft. Heute haben erst 35 Prozent aller Großunternehmen in den USA eine moderne ERP-Lösung installiert, der Rest greift auf Legacy-Applikationen zu. Wir erwarten uns viel vom neuen Jahr, wenn die Unternehmen nach der Jahr-2000-Umstellung wieder in ERP-Lösungen investieren.

CW: Das hoffen Ihre Wettbewerber auch, und es klingt sehr nach Zweckoptimismus.

CONWAY: Ganz so schlecht sieht es doch bei Peoplesoft nicht aus. Schließlich machen wir im Gegensatz zu Baan keine Verluste und registrieren steigende Umsätze im Servicegeschäft. Außerdem haben wir Vantive übernommen, um im stark wachsenden Softwaremarkt für das Customer-Relationship-Management (CRM) mitzuspielen.

CW: Vantive steckt aber massiv in finanziellen Schwierigkeiten.

CONWAY: Vor 18 Monaten waren Vantive und Clarify in einer vergleichbaren Marktposition. Beide Unternehmen litten unter Kursrückgängen, aber Clarify konnte ein starkes Management-Team anheuern. Bei Vantive verließen innerhalb eines Jahres drei Topmanager die Zentrale. Das sorgte bei potentiellen Kunden für Unruhe, und viele entschieden sich für Konkurrenzprodukte.

CW: Zeitungen in den USA spotteten über die "Ehe zweier Verlierer"? Was soll unter Peoplesofts Fuchtel anders werden bei Vantive?

CONWAY: Erstens haben wir 200 Millionen Dollar für die Produktentwicklung zur Verfügung, und zweitens arbeitet Peoplesoft mit einer internationalen Vertriebsorganisation. So kann Vantive bei Großkunden ganz anders auftreten als bei einem Alleingang.

CW: Also ist der Deal mehr als die letzte Chance für beide Firmen?

CONWAY: Jeder Tag in dieser Branche ist wie die letzte Chance. Man muß nur das richtige Gefühl für die eigenen Schwachpunkte entwickeln, wenn man überleben will. Außerdem wird Peoplesoft niemals von der Bildfläche verschwinden.

CW: Wieso haben Sie in Deutschland nur rund 120 Kunden?

CONWAY: Das Problem hierzulande ist die SAP. Wir sind spät in den Markt eingestiegen und auf einen Konkurrenten gestoßen, der bereits groß im Geschäft war. Allein Hasso Plattner hat in Deutschland mehr politische und geschäftliche Kontakte, als uns lieb sein kann.

CW: Neben dem CRM-Markt boomt das Geschäft mit Supply-Chain-Management-(SCM-)Software. Peoplesoft gilt jedoch vor allem als Personalwirtschaftsspezialist.

CONWAY: Wir haben mit Red Pepper vor drei Jahren ein hervorragendes SCM-Unternehmen gekauft, das sich mit Anbietern wie I2 ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferte. Dann wurde der Name geändert, die Software integriert, und irgendwie ging alles den Bach runter. Momentan spielen wir ernsthaft mit dem Gedanken, unser SCM-Tool Anfang des nächsten Jahres wieder unter dem Namen "Peoplesoft Red Pepper" auf den Markt zu bringen.

CW: Ihre Wettbewerber haben sich die Entwicklung von Unternehmensportalen auf die Fahnen geschrieben. Wann macht Peoplesoft ein eigenes Tor auf?

CONWAY: Im ERP-Markt gilt folgende Regel: Peoplesoft kündigt ein Produkt an, Oracle erklärt sich zum Marktführer, SAP bringt das erste Produkt heraus, und hinterher haben alle vergessen, daß die Idee ursprünglich von uns stammt. Bereits vor einem Jahr haben wir mit dem "Peoplesoft Business Network" ein Portal vorgestellt, das noch in diesem Quartal eröffnet wird.

CW: Wie läßt sich mit Portalen Geld verdienen?

CONWAY: Jeder Kunde von uns, mit dem ich im letzten halben Jahr gesprochen habe, will ein Unternehmensportal errichten. Das ist die gute Nachricht. Man kann aber einem Unternehmen mit 60000 Angestellten nicht 500 Dollar für jeden Zugang abknöpfen. Wenn wir Portale verschenken, verdienen wir das Geld, wenn überhaupt, nur auf Umwegen. Leider gibt es noch kein überzeugendes Geschäftsmodell für Portale.