CA-Chef Charles Wang zur Positionierung seines Unternehmens

"Unser Geschaeft haengt nicht von der Anzahl der RZs ab"

05.02.1993

CW: Dass es IBM schlecht geht, duerfte sich negativ auf die gesamte DV-Branche auswirken. Welche Folgen sehen Sie fuer Ihr Unternehmen?

Wang: Ich teile Ihre Ansicht nicht. IBM hat Probleme, aber das ist nichts Neues. Der Computerindustrie - jedenfalls der Softwarebranche - geht es immer noch sehr gut. Sie befindet sich nach wie vor im Aufbruchsstadium.

CW: Sicher geht es der Softwarebranche immer noch besser als der Hardware-Industrie. Aber die Unternehmen, die Sie aufgekauft haben, belegen doch wohl, dass es zumindest bei den Mainframe- Software-Companies nicht allzu rosig aussieht.

Wang: Wir selbst machen 75 Prozent unseres Geschaefts mit Mainframe-Software. Und dass wir eine Reihe von Software- Unternehmen aufgekauft haben, haengt nicht mit der Situation der Industrie zusammen, sondern mit dem jeweiligen Mamnagement und den speziellen Absatzmaerkten.

CW: Aber Sie erzielen mit der Mainframe-Software sicherlich weniger Wachstum als mit PC- und Workstation-basierten Produkten!

Wang: Im vergangenen Quartal (1. Juli bis 30. September 1992; Anm. d. Red.) haben wir bei Umsatz und Gewinn jeweils 30 Prozent zugelegt. Das gilt sowohl fuer das Gesamtgeschaeft als auch fuer den Mainframe-Sektor.

CW: Wie laesst sich das mit der vielfach publizierten Feststellung vereinbaren, das Mainframe-Geschaeft gehe zurueck?

Wang: Es lassen sich tatsaechlich nicht mehr so viele Mainframes verkaufen wie frueher. Rechenzentren werden konsolidiert, so dass es immer weniger davon gibt. Aber unser Softwaregeschaeft haengt nicht von der Menge der Rechenzentren ab, sondern von der Maschinen- Power. Und die Mainframe-MIPS haben sich in den vergangenen vier Jahren weltweit verdreifacht.

CW: Darin also liegt der Grund, warum Ihre Lizenzgebuehren neuerdings nicht auf der Anzahl der eingesetzten Maschinen, sondern auf der Summe der MIPS basieren!

Wang: Eine Berechnung nach der Anzahl der Maschinen ist etwas sehr Kuenstliches. Solche Lizenzabkommen reflektieren nicht, was heute tatsaechlich passiert. Sie sind ein Relikt aus den 70er Jahren. Heute wollen die Anwender ihr Geschaeft - und folglich auch ihre Software - ueber den ganzen Konzern hinweg ausdehnen, ohne sich ueberlegen zu muessen, was genau auf jeder einzelnen CPU installiert ist. Darum haben wir diesen neuen Typ von konzernweiter Softwarelizenz geschaffen. Er spiegelt die Realitaet einfach besser wider.

CW: Wie funktioniert diese Variante des Lizenzvertrags?

Wang: Die Kunden teilen uns einmal jaehrlich mit, wie viele MIPS sie einsetzen. Und danach berechnet sich die Lizenzgebuehr?

CW: Auf welche Weise kontrollieren Sie die Angaben der Kunden?

Wang: Zunaechst einmal beruht dieses wie jedes Geschaeft auf Vertrauen. Wer hier etwas stehlen will, der kann das auch. Aber ich hoffe einfach, dass sich die Welt nicht hauptsaechlich aus Dieben, sondern mehr aus ehrlichen, hart arbeitenden Geschaeftsleuten zusammensetzt - wobei es selbstverstaendlich auch eine Minderheit von Dieben gibt.

Uebrigens sind wir die einzige Software-Company (gemeint ist: System-Software-Company; Anm. d. Red.), die ihre Preise veroeffentlicht. Fragen Sie doch mal Legent oder BMC nach einer Preisliste! Diese Unternehmen handeln lieber nach der Devise: Was verlangt CA? - Ich mache es etwas billiger. Und dann nehmen sie weniger und weniger ein, bis wir sie kaufen muessen, um sie vor dem Bankrott zu retten.

CW: Um Softwarelizenzen ging es auch in ihrem Streit mit dem Facilities-Management-Anbieter EDS. Weshalb haben Sie EDS verklagt?

Wang: Wegen Softwarepiraterie. Die Sache ist ganz einfach: Wir haben ein Softwarepaket an eine Bank A lizenziert. In dem betreffenden Vertrag stand, dass dieses Paket nur fuer den internen Gebrauch bei der Bank A bestimmt war. Aber dann kam EDS, uebernahm die Datenverarbeitung der Bank und wollte das Paket fuer die Banken B, C, D, E, F und G nutzen.

CW: Im Rahmen einer MIPS-basierten Lizenz waere das doch in Ordnung, solange die Anzahl der MIPS bei EDS gleich bleibt!

Wang: EDS hat aber niemals einen solchen Vertrag mit uns geschlossen. Wir haben lediglich ein Abkommen mit der Bank A getroffen.

CW: Die verfuegt aber nun nicht mehr ueber eine eigene DV!

Wang: Wir haben ja auch kein Problem damit, wenn EDS die Software weiterhin fuer die Bank A einsetzt. Aber EDS darf diese Software doch nicht fuer jede beliebige andere Bank verwenden!

CW: Was wuerden Sie sagen, wenn EDS mit Ihnen einen Lizenzvertrag auf MIPS-Basis abschliessen wollte?

Wang: Ich wuerde "nein" sagen - naemlich deshalb, weil EDS die Datenverarbeitung fuer andere Leute betreibt. Aus diesem Grund muss ich von EDS andere Lizenzgebuehren verlangen als von einem Kunden, der die Software nur fuer die eigenen internen Daten nutzt. Wir haben spezielle Vertraege mit FM-Anbietern wie ISSC, Perot Systems, Andersen Consulting und CSC - eigentlich mit allen ausser mit EDS.

CW: Welche Gebuehren berechnen Sie diesen Kunden?

Wang: Der Kunde kauft eine Lizenz der Gruppe 80 (hoechste Kategorie nach dem Tiered-Pricing-Modell; Anm. d. Red.). Darueber hinaus berechnen wir ihm fuer jeweils fuenf Kunden dreimal die Gebuehr fuer die Gruppe 40. Ein Endkunde hat die Wahl, welche Art von Lizenzabkommen (Tiered Pricing, Site- oder Enterprise-Lizenz; Anm. d. Red.) er haben will. Fuer FM-Anbieter gibt es bei uns jedoch nur eine einzige Art von Lizenzabkommen.

CW: Wie Sie bereits sagten, stammen drei Viertel Ihrer Einnahmen (mehr als 1,5 Milliarden Dollar im vergangenen Geschaeftsjahr; Anm. d. Red.) aus dem Mainframe-Bereich. Wieviel tragen Windows und Unix zu Ihrem Umsatz bei?

Wang: Wir haben im vergangenen Geschaeftsjahr fast 200 Millionen Dollar mit PC- und Workstation-Software umgesetzt. Bei den Unix- basierten Sytemen ist das derzeit noch recht wenig - ich schaetze, etwa 20 Millionen Dollar. Das Unix-Geschaeft laeuft gerade erst an.

CW: Da koennen Sie wohl kaum widersprechen, wenn Sie eine Mainframe-Software-Company genannt werden!

Wang: Wir sind keine Mainframe-Company, sondern einfach eine Software-Company, denn wir haengen nicht von der 370-Architektur ab, sondern von Produkten wie CICS oder dem jeweiligen Betriebssystem. Und hier sind die Dinge im Fluss. Beispielsweise hat die IBM ihr CICS auf AIX portiert. Es entsteht Transparenz und Kompatibilitaet ueber verschiedene Hardwareplattformen hinweg. Und unsere neuen Softwareprodukte sind so geschrieben, dass sie sich auf unterschiedlichen Rechnern einsetzen lassen.

CW: Was ist mit den aelteren Produkten wie IDMS und Datacom?

Wang: IDMS und Datacom gibt es heute nicht nur auf dem IBM- Mainframe unter MVS, VM und VSE, sondern auch auf PCs und unter Unix.

CW: Und wem verkaufen Sie das?

Wang: Nur unseren Mainframe-Kunden, die downsizen wollen. Mit IDMS und Datacom konkurrieren wir nicht gegen die traditionellen Anbieter von PC-Datenbanken. Das tun wir mit Clipper.

CW: Gibt es denn ueberhaupt neue Kunden fuer IDMS und Datacom?

Wang: Ja, das ist ueberhaupt das Beste: Vor zwei Jahren noch haben die Analysten geschrieben, DB2 waere die richtige Loesung, und IDMS, Datacom oder auch Adabas haetten Muehe, sich dagegen zu behaupten. Heute sagen dieselben Leute: DB2 ist nicht die richtige Antwort, denn bei DB2 handelt es sich um nichts weiter als um IBMs Implementierung von SQL fuer MVS. Unsere Loesung hingegen deckt unterschiedliche Plattformen ab. Also gibt es einen Trend zurueck zu Systemen wie IDMS und Datacom.

CW: Was Sie ueber DB2 gesagt haben, ist derzeit noch richtig. Aber seit einiger Zeit schon geht das Geruecht, IBM werde DB2 auf AIX bringen.

Wang: Geruechte gibt es jede Menge! Wir sollten sie als das nehmen, was sie sind.

CW: Wie wollen Sie Ihren derzeit noch recht kleinen Unix-Umsatz erhoehen? Oder anders gefragt: Welche Unix-Company werden Sie kaufen?

Wang: Unsere Strategie beruht nicht nur darauf, Unternehmen zu kaufen. Unicenter fuer Unix beispielsweise haben wir vollstaendig inhouse erstellt. Um es zu vertreiben, benoetigen wir allerdings die Hilfe von Third-Party-Unternehmen. Zu diesem Zweck haben wir gerade erst eine Third-Party-Gruppe gegruendet. Dort werden sich etwa 300 Leute ausschliesslich um die Partner fuer den Vertrieb von Unix- und PC-Software kuemmern.

CW: Ihr Mitbewerber Mario Morino von Legent Software prophezeite vor ein paar Jahren, Sie wuerden CA Mitte der 90er Jahre verkaufen. Wie wahrscheinlich ist das?

Wang: Wir sind eine Aktiengesellschaft und an der New Yorker Boerse notiert. Also habe ich die Verantwortung, im Interesse aller Anleger zu handeln. Ich kann deshalb nicht kategorisch behaupten, dass wir nie und nimmer verkaufen wuerden. Aber es ist keineswegs so, dass ich auf der Suche nach einem Kaeufer waere. Daran habe ich wirklich kein Interesse, denn die beste Zeit meines Lebens habe ich damit zugebracht, dieses Unternehmen aufzubauen.

CW: Lassen Sie uns noch einmal auf unser Eingangsthema zurueckkommen: Wenn Ihrer Ansicht nach der Mainframe-Markt nicht stagniert, weshalb hat IBM dann Probleme?

Wang: Die IBM hat diese Probleme nicht nur im Mainframe-Bereich, sondern auch auf dem PC-Sektor, also bei OS/2 und Windows. Lediglich mit der AS/400 und moeglicherweise mit der RS/6000 ist sie noch erfolgreich. Was den Mainframe angeht, so kann IBM dafuer einfach nicht mehr soviel verlangen wie vorher, denn die Kunden haben mittlerweile Alternativen gefunden.

Die IBM ist zum einen zu gross geworden und zum anderen an einem Punkt angelangt, wo sie nicht mehr die richtigen Angebote macht. Das passiert im Geschaeft schon einmal. Schliesslich ist nichts ewig.