Interview: Mit Joachim Jacob, Bundesbeauftragter für den Datenschutz, sprach CW-Redakteur Martin Seiler

"Unser Datenschutzniveau ist ziemlich hoch"

29.09.2000

CW: Wie ist es um den Datenschutz in Deutschland aus Ihrer Sicht bestellt?

JACOB: Unser Datenschutzniveau ist ziemlich hoch, wenn es auch durchaus noch Verbesserungen geben könnte. Das Bewusstsein für den Datenschutz ist leider nicht überall gleich stark ausgeprägt. Staatliche Stellen und Unternehmen sehen zu oft nur ihren speziellen Aufgabenbereich beziehungsweise ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen und ordnen diesen alles andere unter.

CW: Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Internet?

JACOB: Das Internet ist datenschutzrechtlich problematisch, weil seine Informationsströme nicht an den Landesgrenzen haltmachen. Es nützt uns wenig, wenn wir in Deutschland die besten Regelungen in puncto Datenschutz treffen, die woanders aber nicht gelten. Unsere Aufgabe ist es, über die dadurch entstehenden Gefahren aufzuklären und Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.

CW: Sie haben den grenzüberschreitenden Charakter des Internet angesprochen. In diesem Umfeld besteht die Gefahr, dass Informationen von Dritten abgefangen werden können, unter Umständen - wie in den USA oder England - auch von den staatlichen Ermittlungsbehörden. Können Sie sich dies auch in Deutschland vorstellen beziehungsweise erwarten Sie Auswirkungen dieser Regelungen auf Deutschland?

JACOB: Möglicherweise lösen diese Berichte eine Diskussion darüber aus, ob solche Verfahren zur Verbrechensbekämpfung benutzt werden sollen. Die gesetzlichen Voraussetzungen existieren bei uns allerdings noch nicht, und ich bin mir momentan sicher, dass es eine solche staatliche Maßnahme nicht geben wird. Ich sehe für deutsche Bürger oder Unternehmen nur eine relativ geringe Gefahr, dass ihre Kommunikation beispielsweise von englischen Behörden belauscht wird. Es sei denn, ihr Gesprächspartner wird überwacht. Aber hier gilt: Man sollte generell aufpassen, mit wem man auf welchem Weg kommuniziert.

CW: Dienste wie E-Mail sind heute nicht mehr aus der Kommunikation wegzudenken, sind aber doch nicht besonders sicher. Warum setzen trotzdem so wenige Anwender Verschlüsselung ein, um ihre Informationen zu schützen?

JACOBS: Wir haben es hier mit einem noch sehr jungen und faszinierenden Medium zu tun. Es ist wichtig, immer wieder auf die Gefahren hinzuweisen. Aber letztlich liegt es an jedem Einzelnen, zu entscheiden, wie er sich verhält und welche Schutzmaßnahmen für ihn wichtig sind.

CW: Was raten Sie?

JACOB: Bis es allgemeine, länderübergreifende Sicherheitsstandards gibt, muss jeder für sich selbst bestimmen, wo für ihn die Sensibilitätsgrenze anfängt. Wer seine Kommunikation absichern will, sollte sich selber darum kümmern und beispielsweise Verschlüsselungsprogramme nutzen. Es gibt gute Lösungen in diesem Bereich.

CW: Wie schätzen Sie die Gefährdung der Privatsphäre von Anwendern durch Spionagesysteme wie Echelon ein?

JACOB: Ich habe dieses Thema gemeinsam mit meinen europäischen Datenschutzkollegen diskutiert und angeregt, das Problem bei unserem Treffen in Venedig nochmal aufzugreifen. Echelon kann technisch Auswirkungen auf die Privatsphäre des Einzelnen und der Unternehmen haben, darf es rechtlich aber nicht. Jahrelang kursierten über Echelon nur Mutmaßungen, die Existenz wurde von offizieller Seite immer wieder bestritten. Inzwischen ist immerhin offiziell bekannt, dass es diese Einrichtung gibt.

CW: Nur nicht, wozu sie genutzt wird...

JACOB: Die Bundesregierung hat mit der amerikanischen Seite gesprochen, und es wurde dabei versichert, dass mit diesem System keine Wirtschaftsspionage betrieben wird. Nach Auskunft der USA dient Echelon rein militärischen Zwecken. Ob das stimmt, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, die Technik ließe die Ausspähung von Unternehmen durchaus zu. Deshalb brauchen wir hier mehr Transparenz.

CW: Diesen Sommer machten Überlegungen des Finanzministeriums Schlagzeilen, die Internet-Nutzung am Arbeitsplatz zu besteuern. Wie beurteilen Sie diesen Vorstoß?

JACOB: Ich habe den Finanzminister damals angeschrieben und ihm mitgeteilt, dass ich die Pläne nicht gut finde. Um das durchzusetzen, müssten die Unternehmen ihre Mitarbeiter streng überwachen, was erhebliche arbeitsrechtliche Probleme aufwerfen würde. Ich habe aber Signale aus dem Finanzministerium, dass diese Geschichte definitiv vom Tisch ist.