Uniforum '91: Den Auftakt bestritten die XOpen-Anwender

Unix-Vereinigungen nutzen die Messe zur Image-Pflege

08.02.1991

MÜNCHEN (CW) - Messen für offene Systeme dienen nur zum Teil der Präsentation von neuen Produkten. Das Gerangel um Marktanteile läßt auch die Uniforum-Messe in Dallas zu einer Bühne für Organisationen wie Unix International und die Open Software Foundation werden. Auf Initiative des X/Open-User-Councils meldeten sich in diesem Jahr aber auch die Anwender zu Wort.

Obwohl wegen des Golfkrieges nur wenige Europäer an der Messe für offene Systeme teilnahmen, war laut Wim Vink, für Marketing zuständiger Vice-President von X/Open, auf der Uniforum "Business as usual" angesagt. Als herausragendes Ereignis nennt er das von seiner Organisation initiierte Treffen mehrerer Anwender-Vereinigungen.

Druck auf die Hersteller

Die Open-Systems-Benutzer der 13 geladenen Vereinigungen beschlossen, künftig die Vertretung ihrer Interessen zu koordinieren. Dazu werden sie ein Verfahren entwickeln, um die unterschiedlichen Anwenderwünsche unter einen Hut zu bringen. Gleichzeitig wollen die Vereinigungen Druck auf die Hersteller ausüben, damit mehr interoperable und portable Produkte auf den Markt kommen. Wie diese Vorstellungen in konkrete Aktionen umgesetzt werden können, soll allerdings erst im Mai auf einem Treffen der X/Open-Anwender im kanadische Vancouver besprochen werden.

Die X/Open-Gruppe nutzte die Anwesenheit der Anwender, um ihnen ihre Pläne für das laufende Jahr vorzustellen. Noch in diesem Quartal sollen die "Open System Directive" (OSD) veröffentlicht werden. In diese X/Open-Richtlinie sind laut Vim Wink die Ergebnisse der "Xtra" genannten Anwenderumfrage eingegangen. Danach liegen die Hauptinteressen der Anwender in den Bereichen verteilte Systeme, Benutzer-Oberfläche und Systemadministration. Außerdem hat die Herstellervereinigung die Analysten der kanadischen DMR Group Inc. beauftragt eine systematischere Neuauflage des Xtra-Projekts für 1991 in Angriff zu nehmen.

Mit von der Partie war auch die Open Software Foundation (OSF). Die Herstellervereinigung demonstrierte Anwendernähe, indem sie Raymond E. Cairns, Senior Vice-President des DV-Bereichs der Dupont Inc., als Vertreter der Unix-Benutzer ins Board of Directors holte. Getrübt wurde die Freude allerdings durch die Nachricht, daß die Federal Trade Comission wegen unlauteren Wettberwerbs und Verletzung der Antitrust-Bestimmungen gegen die OSF ermittelt (vergleiche CW Nr. 5 vom 1. Februar 1991: "OSF im Zwielicht: In den USA ermittelt die Antitrust-Behörde").

Was die Produkte betrifft, so hat die OSF in Dallas das Entwicklerpaket ihrer verteilten DV-Umgebung DCE (Distributed Computing Environment) freigegeben. Außerdem gibt die OSF bekannt, daß sich 27 Unternehmen bei ihrer Technologie-Ausschreibung für die verteilte DV-Umgebung DME (Distributed Management Environment) qualifiziert haben. Dazu gehören die British Telecom, DEC, Bull, HP, IBM, das MIT, der OSF-Neuling Microsoft, NCR, Next Computer und Wang. Aus den Reihen deutscher Unternehmen kommen Vorschläge von der Stollmann GmbH, Quantum, der Fraunhofer Gesellschaft und der Siemens Nixdorf Informationssysteme AG.

OSF-Konkurrent Unix International warb auf der texanischen Messe für sein Standard Application Programming Interface (API), das jetzt in ein Konzept mit der Bezeichnung "Open System Architecture" (OSA) eingegangen ist. Ziel von UI ist, eigenen Angaben zufolge, ein Rundum-Angebot für Werkzeuge um Unix V.4 anzubieten, die alle denselben Richtlinien entsprechen. Dabei liege das Hauptaugenmerk auf der verteilten Datenverarbeitung mit heterogenen Netz-Lösungen, aber auch auf der unternehmensweiten DV mit transaktionsorientierten Unix-Systemen und auf der Einbindung von Unix-PCs.

Eine zentrale Rolle spielen im Rahmen des OSA-Konzepts die innerhalb der Unix-V.4-Welt einheitlichen APIs. Sind die Anwendungs-Programmier-Interfaces freigegeben, so brauchen Entwickler nicht auf Standard-Produkte der Unix Software Laboratories (USL) zu warten. Vielmehr haben sie dann alle Informationen an der Hand, um selbst Standardanwendungen zu erstellen.

Auf der Messe gab auch UI den aktuellen Stand ihrer "Roadmap" bekannt. Danach will die Gruppe Anfang 1992 mit der Konkurrenz-Organisation OSF gleichziehen und ein Sicherheits-Unix mit Multiprozessorfähigkeiten herausbringen. Bisher war lediglich von einer Sicherheits-Variante oder Multiprozessorvariante die Rede.

Technische Assistenz via elektronische Post

Neuigkeiten gibt es auch von der AT&T-Tochter USL. Die Unix-Entwickler haben ein Programm zur Unterstützung ihrer Kunden aufgelegt. Künftig sollen USL-Kunden technische Assistenz über die elektronische Post erhalten und sich in die Datenbank der USL einwählen können. Zum Support für OEMs, Systemhäuser und Großkunden gehört neben dem technischen Service die Versorgung mit Marketinginformationen und die Ausbildung für den Umgang mit USL-Produkten.

Außerdem kündigt die USL eine Reihe von OSI-Produkten an. "CP-1 Core Stack" ist eine Streams-basierte Kernel-Implementation für Unix V.4, die sich im Rahmen der mittleren und oberen Schichten des OSI-Protokolls bewegt. Sie erzeugt eine Umgebung für Entwurf, Entwicklung und Ausführung von OSI-Anwendungen. Ergänzt wird dieses Produkt durch den Compiler "ASN.1", ein Werkzeug für die Anwendungsentwicklung, das die Datenkodierung und -dekodierung erleichtern soll.